Verfahrensgang
VG Dresden (Aktenzeichen 1 K 1464/99) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 3 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 2. November 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene zu 3 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.
Gründe
Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung des Grundstücks A. 45 in D. an die R. & Co KG i.L. nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes (VermG); sie sind Rechtsnachfolger von Gesellschaftern der früheren R. & Co KG, die bis Anfang 1981 Eigentümerin des Grundstücks war. Das Verwaltungsgericht hat den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. d VermG bejaht und den Beklagten gemäß § 6 Abs. 6 a Satz 1 VermG verpflichtet, das Grundstück zurückzuübertragen; die Revision hat es nicht zugelassen.
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 3 gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet. Der gerügte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Auch eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VwGO scheidet aus.
1. Der absolute Revisionsgrund des § 138 Nr. 6 VwGO ist nicht erfüllt. Die Beigeladene zu 3 ist der Auffassung, dass das Urteil als „nicht mit Gründen versehen” anzusehen sei, weil die statt der Verkündung erfolgte Zustellung des Urteils (§ 116 Abs. 2 VwGO) erst am 19. April 2001 erfolgt sei, obwohl die mündliche Verhandlung bereits am 2. November 2000 stattgefunden habe. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg.
Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat mit Beschluss vom 27. April 1993 (GmS – OGB 1/92 – BVerwGE 92, 367 ≪371≫) für die Verkündung eines zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig abgefassten Urteils entschieden, dass das Urteil im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO als „nicht mit Gründen versehen” anzusehen sei, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Dies gilt entsprechend für die Fälle, in denen – wie hier – gemäß § 116 Abs. 2 VwGO die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt worden ist. Maßgeblich ist insoweit nicht die Zustellung des Urteils an die Beteiligten, sondern der Zeitpunkt der Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle des Gerichts. Das vollständige Urteil ist am 29. März 2001 der Geschäftsstelle übergeben worden. Damit ist die Fünf-Monats-Frist gewahrt. Mit der Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle haben die beteiligten Richter die Entscheidungsgründe abschließend festgelegt. Der danach liegende Zeitraum bis zur Zustellung an die Beteiligten hat auf den Inhalt der Entscheidungsgründe keinen Einfluss mehr (Beschluss vom 11. Juni 2001 – BVerwG 8 B 17.01 – Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 26 m.w.N.). Auch aus der Sicht des Zustellungsempfängers, auf die die Beigeladene zu 3 abstellt, ergibt sich keine andere Beurteilung. Auch für den Zustellungsempfänger ist ohne weiteres feststellbar, wann das Urteil bei der Geschäftsstelle eingegangen ist und ob es insoweit noch auf der mündlichen Verhandlung beruht.
Allerdings verstößt das nahezu „punktgenaue” Ansteuern der Fünf-Monats-Frist durch einen Spruchkörper in besonderer Weise gegen § 117 Abs. 4 Satz 1 VwGO. Ein solches Verhalten ist nicht zuletzt deshalb schwer erträglich, weil es in der Regel mit der Erwartung einhergeht, dass sich daraus keine prozessrechtlichen Folgen ergeben werden. Das alles kann jedoch nicht dazu führen, die Vorschrift des § 138 Nr. 6 VwGO in einem dem Begehren der Beschwerde mehr entgegenkommenden Sinne auszulegen. Nur dann, wenn besondere Gründe des jeweiligen Einzelfalls dafür sprechen, dass die mit den Urteilsgründen verbundene Beurkundungsfunktion trotz Einhaltung der Fünf-Monats-Frist nicht mehr gesichert erscheint, kommt in Anwendung des § 117 Abs. 4 VwGO ein kürzerer Zeitraum in Betracht (Beschluss vom 25. April 2001 – BVerwG 4 B 31.01 – Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 47). Die Beschwerde legt nicht dar, dass hier ein solcher Fall gegeben ist.
2. Ebenso wenig ist der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegeben. Die Beigeladene zu 3 möchte geklärt wissen, welches der von ihr in der Beschwerdeschrift geschilderten Ereignisse die Verstaatlichung des Unternehmens darstellt. Sie ist offenbar der Auffassung, dass mit der Einleitung des Liquidationsverfahrens und der Bestellung eines Liquidators der entscheidende Schritt zur Verstaatlichung getan worden sei und damit die nachträgliche Überführung des Betriebsgrundstücks in Volkseigentum nicht in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 6 a VermG falle. Dieses Vorbringen führt nicht auf eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es liegt auf der Hand, dass die Veräußerung des Betriebsgrundstücks eines Unternehmens in Volkseigentum kein „Wegschwimmen” dieses Grundstücks im Sinne der Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. Urteil vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 54.96 – BVerwGE 104, 92) darstellt, wenn sie auf eine „per Anordnung des staatlichen Anteilseigners einseitig verfügte Liquidation” (vgl. S. 19 des verwaltungsgerichtlichen Urteils) zurückgeht, die ihrerseits an den Beschluss des Präsidiums des Ministerrats vom 9. Februar 1972 anknüpfte. Es handelt sich vielmehr um einen gestreckten Schädigungstatbestand gegen ein lebendes Unternehmen; die Dinge liegen hier nicht anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 18. Januar 1996 – BVerwG 7 C 45.94 – (Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 17) entschiedenen Fall.
3. Aus diesem Grunde liegt auch die von der Beschwerde behauptete Abweichung zu dem Urteil des Senats vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 54.96 – (a.a.O.) nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Neumann
Fundstellen