Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 26.11.2002; Aktenzeichen 1 D 36/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung die ihr die Antragstellerin beimisst.
Die Frage, “ob ein Regionalplan Ziele der Raumordnung i.S.d. § 3 Nr. 2 ROG auch in Form von ‘Soll-Zielen’ festlegen darf”, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision auf der Grundlage des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie ist, abstrakt betrachtet, freilich klärungsbedürftig. Sie ist, worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist, im Schrifttum stark umstritten. Es gibt Stimmen, die dafür plädieren, Vorschriften, die für den Regelfall eine Beachtenspflicht statuieren, für atypische Fälle aber eine Abweichung zulassen, Zielcharakter zuzusprechen. In diesem Zusammenhang werden den “harten” Zielen, die nur unter den erschwerten Bedingungen des § 11 ROG in einem Zielabweichungsverfahren zur Disposition stehen, die “weichen” Ziele gegenübergestellt, bei denen der Normgeber selbst den Verbindlichkeitsanspruch durch den Vorbehalt ergänzt, dass eine Abwägung möglich ist, sofern atypische Umstände dies rechtfertigen (vgl. z.B. Goppel, BayVBl 1998, 289, 292; Hendler, DVBl 2001, 1233, 1239, sowie in: Jarass ≪Hrsg., Raumordnungsgebiete, Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumordnung≫ Bd. 183, 88, 108 ff.; Spoerr, Festschrift Hoppe, 344, 352). Dieser Auffassung widersprechen Hoppe (vgl. DVBl 2001, 81, 88 ff. sowie BayVBl 2002, 129 ff.; Erbguth LKV 1994, 89, 92 und Runkel in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, Kommentar zum BauGB, § 1 Rn. 50), die darauf hinweisen, dass von einem abschließend abgewogenen Ziel keine Rede mehr sein kann, wenn die planerische Aussage nur für den Regelfall gilt und vom Zieladressaten ohne Einschaltung des Trägers der Landes- oder Regionalplanung durch eine Abweichungsentscheidung ersetzt werden kann. Nach dieser Ansicht bleibt der Zielcharakter einer Festlegung nur dann unberührt, wenn der Normgeber die Reichweite seiner Regelung in der Weise begrenzt, dass er die Tatbestände, die eine Ausnahme rechtfertigen, selbst eindeutig formuliert. In der Rechtsprechung ist die Frage, ob Planaussagen, die, in welcher Form auch immer, in ein Regel-Ausnahme-Gewand gekleidet sind (z.B. “Soll”- oder “In der Regel”-Formulierungen), Zielqualität aufweisen, noch nicht geklärt. Das OVG Lüneburg (Urteil vom 16. Juni 1982, NJW 1984, 1776) und der Bayerische VGH (Urteil vom 7. Juni 2000, BayVBl 2001, 175) haben sich zwar auf den Standpunkt gestellt, dass auch solche planerischen Vorgaben die Merkmale eines Ziels der Raumordnung aufweisen. Der beschließende Senat hat sich zu der Problematik aber noch nicht abschließend geäußert. Er hat die Revision in zwei Fällen zur “Aufhellung der Frage” zugelassen, “unter welchen Voraussetzungen Festlegungen, die ein Regel-Ausnahme-System begründen, Zielcharakter haben können” (BVerwG 4 CN 5.02 und BVerwG 4 CN 20.02).
Im anhängigen Rechtsstreit ist die Revision nicht ebenfalls zuzulassen. Denn die von der Beschwerde angesprochene Thematik wäre in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Das Normenkontrollgericht hat es dahingestellt gelassen, ob die im Regionalplan als Ziele der Raumordnung definierten Soll-Festlegungen Zielcharakter haben. Ob eine raumordnerische Vorgabe die Qualität eines Ziels hat, hängt nicht von der Bezeichnung ab (vgl. hierzu § 7 Abs. 1 Satz 3 ROG), sondern richtet sich nach dem materiellen Gehalt der Planaussage selbst. Erfüllt eine planerische Regelung die begrifflichen Voraussetzungen, die in § 3 Nr. 2 ROG umschrieben sind, so entsteht kraft der materiellen Aussage ein Ziel der Raumordnung unabhängig davon, ob dies dem Willen des Planungsträgers entspricht oder nicht. Ist den tatbestandlichen Vorgaben dieser Vorschrift nicht genügt, so ist die Planaussage nicht geeignet, die Wirkungen zu entfalten, die das Spezifikum eines Ziels ausmachen. Das bedeutet aber nicht, dass ihr keinerlei rechtliche Relevanz zukommt. Wie aus § 7 Abs. 1 ROG zu ersehen ist, stellen Zielfestlegungen nur eine der Erscheinungsformen der Erfordernisse der Raumordnung dar, die als Gegenstand zulässiger raumordnerischer Regelung in Betracht kommen. Von den Grundsätzen und den sonstigen Erfordernissen der Raumordnung heben sie sich nur durch die unterschiedliche Reichweite der Bindungswirkungen ab. Während Ziele von den Adressaten “beachtet” werden müssen, sind die Grundsätze und die sonstigen Erfordernisse der Raumordnung nach Maßgabe des § 4 ROG zu “berücksichtigen”.
Die Gültigkeit eines Regionalplans wird nicht allein dadurch in Frage gestellt, dass eine Planaussage geringere Bindungswirkungen erzeugt, als ihr der Planungsträger hat beilegen wollen. Davon ist das Normenkontrollgericht erkennbar ausgegangen. Es hat sich der Sache nach auf den Standpunkt gestellt, dass die im Regionalplan enthaltenen Soll-Ziele als Erfordernisse der Raumordnung unabhängig davon rechtlichen Bestand haben, ob sie eine strikte Beachtenspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 ROG auslösen oder nicht. Auf der Grundlage der angegriffenen Normenkontrollentscheidung bleibt freilich offen, wie weit die Bindungswirkung dieser Planaussagen auf der nachgeordneten Ebene der Planung oder der Vorhabenzulassung reicht. Die rechtlichen Bedenken, die die Antragstellerin unter Hinweis auf diese Ungewissheit äußert, greifen indes nicht durch. Das Normenkontrollgericht darf eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nur dann nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für nichtig oder nach § 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO für unwirksam erklären, wenn es zu der Überzeugung kommt, dass die Norm ungültig ist. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so ist der Normenkontrollantrag abzuweisen. Demgegenüber misst die Antragstellerin dem Normenkontrollverfahren eine Funktion bei, die ihm nicht zukommt. Es ist nicht die Aufgabe des Normenkontrollgerichts, über den Umfang der rechtlichen Bindungen einer als gültig erachteten Rechtsvorschrift gleichsam ein Gutachten zu erstatten.
2. Der geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor.
Das Normenkontrollgericht brauchte in der mündlichen Verhandlung nicht darauf aufmerksam zu machen, dass es erwog, die Frage nach der Bindungswirkung der im Regionalplan enthaltenen Soll-Ziele offenzulassen. Es musste nicht unter Hinweis auf die Möglichkeit, dass das Normenkontrollverfahren keine Gelegenheit bot, zur Klärung der Reichweite dieser Planaussagen beizutragen, darauf hinwirken, dass die Antragstellerin einen Hilfsantrag stellte, der auf das Ziel gerichtet war festzustellen, dass bestimmte Soll-Ziele ihr gegenüber keine Bindungswirkungen entfalten. Eine solche Anregung wäre nicht sachdienlich gewesen. Zwar können nach § 44 VwGO mehrere prozessuale Ansprüche gegen denselben Prozessgegner in einer Klage zusammen verfolgt werden. Voraussetzung hierfür aber ist, dass dasselbe Gericht zuständig ist. Über Normenkontrollanträge entscheidet nach § 47 Abs. 1 VwGO das Oberverwaltungsgericht. Dagegen wäre es dem von der Antragstellerin im Wege der Normenkontrolle angerufenen Normenkontrollgericht verwehrt gewesen, über einen Antrag zu entscheiden, der zum Gegenstand die Feststellung gehabt hätte, dass bestimmte Planaussagen im Regionalplan keine Bindungswirkungen erzeugen. Hierfür sachlich zuständig wäre nach § 45 VwGO vielmehr das Verwaltungsgericht gewesen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Paetow, Halama, Gatz
Fundstellen
BauR 2004, 285 |
SächsVBl. 2003, 192 |