Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des zuständigen Gerichts. Rechtsweg. Verwaltungsgericht. Zivilgericht. Landgericht. Kammer für Baulandsachen. Zuständigkeit. rechtswegübergreifender negativer Kompetenzkonflikt. Enteignung. Straßenbau. Wiederherstellung. Wegeverbindung. Kompetenzerweiterung. Sachzusammenhang
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikt bestimmt dasjenige oberste Bundesgericht, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angerufen wird, das zuständige Gericht (stRspr).
2. Ein Verweisungsbeschluss, mit dem das Verwaltungsgericht – neben anderen gegen einen Enteignungsbeschluss gerichteten Anträgen eines Enteignungsbetroffenen – auch dessen weiteres Begehren auf Wiederherstellung eines Fahrweges und Anbindung eines Fußweges wegen des nahen rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhangs mit dem Enteignungsverfahren gemäß § 217 Abs. 1 Satz 3 BauGB an das Landgericht (Kammer für Baulandsachen) verweist, entfaltet Bindungswirkung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
Normenkette
VwGO § 40 Abs. 1, § 53 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3; GVG § 17a Abs. 2 Sätze 1, 3; BauGB § 217 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Göttingen (Entscheidung vom 04.03.2008; Aktenzeichen 1 A 263/07) |
Tenor
Das Landgericht Hannover – Kammer für Baulandsachen – ist das zuständige Gericht für das beim Verwaltungsgericht Göttingen unter dem Aktenzeichen 1 A 263/07 geführte Verfahren.
Tatbestand
1. In entsprechender Anwendung von § 53 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung des vorliegenden negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem Verwaltungsgericht und dem Landgericht – Kammer für Baulandsachen – zuständig (vgl. Beschlüsse vom 5. März 1993 – BVerwG 11 ER 400.93 – Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 21 S. 17 = NJW 1993, 3087 und vom 1. März 2007 – BVerwG 5 AV 1.07 – NVwZ 2007, 845). Danach hat bei negativen rechtswegübergreifenden Kompetenzkonflikten dasjenige oberste Bundesgericht zu entscheiden, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird. Dies entspricht auch der Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes bei dieser Art von Kompetenzkonflikten (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2001 – X ARZ 69/01 – NJW 2001, 3631 ≪3632≫; BAG, Beschluss vom 13. Januar 2003 – 5 AS 7/02 – NJW 2003, 1068 ≪1069≫; BFH, Beschluss vom 26. Februar 2004 – VII B 341/03 – BFHE 204, 413 ≪415 f.≫; BSG, Beschluss vom 11. Oktober 1988 – 1 S 14/88 – MDR 1989, 189; Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl. 2007, Vorbem. zu §§ 17–17b GVG Rn. 9).
Entscheidungsgründe
2. Als zuständiges Gericht ist das Landgericht – Kammer für Baulandsachen – zu bestimmen. Dies folgt bereits aus der Bindungswirkung des zuerst ergangenen Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. August 2006 – 1 A 297/06 –. Dieser bindet das Landgericht gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich des Rechtswegs (vgl. Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann-Pitzner, VwGO, Bd. 1, Stand: 15. Erg.-Lfg. September 2007, § 53 Rn. 11). Die Voraussetzungen, unter denen die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses ausnahmsweise entfallen könnte, nämlich weil er an einem schweren (“extremen”) Rechtsverstoß leidet, völlig unhaltbar, abwegig oder rechtsmissbräuchlich ist, liegen hier nicht vor (vgl. dazu Beschluss vom 8. November 1994 – BVerwG 9 AV 1.94 – Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 13 S. 6 = NVwZ 1995, 372; BGH, Beschluss vom 13. November 2001 – X ARZ 266/01 – NJW-RR 2002, 713, jeweils m.w.N.). In dem erwähnten Verweisungsbeschluss wird ausweislich seines Tenors der seinerzeit durch den Schriftsatz des Klägers vom 15. Juli 2006 beim Verwaltungsgericht anhängig gemachte Rechtsstreit ohne irgendeine Einschränkung an das Landgericht – Kammer für Baulandsachen – verwiesen. In dem Schriftsatz vom 15. Juli 2006 hatte sich der Kläger gegen den in dem Enteignungsverfahren (Az.: R 2.1.3-11510/3-300, 674) ergangenen Beschluss des Beklagten zu 1 vom 31. Mai 2006 gewandt und u.a. geltend gemacht, dass der Beklagte zu 1 – entgegen der in dem Enteignungsbeschluss (S. 21, Ziff. V.1. b) vertretenen Auffassung – verpflichtet sei, einen näher bezeichneten Fahrweg wiederherzustellen und an einen Fußweg anzubinden (S. 2 des Schriftsatzes). Daher ist die dem Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts zugrunde liegende Auffassung jedenfalls nicht völlig unhaltbar, dass auch dieser Teilkomplex gemäß § 217 Abs. 1 Satz 3 BauGB in die Zuständigkeit des Landgerichts – Kammer für Baulandsachen – fiel. Die genannte Vorschrift enthält eine gesetzliche Kompetenzerweiterung kraft Sachzusammenhangs auch für die Verurteilung “zu einer sonstigen Leistung” über die klassischen Enteignungsfragen hinaus. Es ist nicht unhaltbar im o.a. Sinne, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch, den erwähnten Fahrweg wiederherzustellen und an einen Fußweg anzubinden, in einem nahen rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang mit dem Enteignungsverfahren steht (vgl. zu diesem Kriterium Kalb, in: Ernst/Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand: 72. Erg.-Lfg. Oktober 2003, § 217 Rn. 36 ff.; Schrödter/Stang, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 217 Rn. 7, jeweils m.w.N.). Aufgrund der Bindungswirkung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG war das Landgericht gehindert, diesen Teil des Streitgegenstandes durch den gegenläufigen Verweisungsbeschluss vom 11. Juli 2007 – 43 O 5/06 – an das Verwaltungsgericht (zurück) zu verweisen. Dass dieser (Rück-)Verweisungsbeschluss des Landgerichts unter einem anderen als demjenigen Aktenzeichen ergangen ist, unter dem das dorthin verwiesene Verfahren ursprünglich geführt wurde, ist unerheblich. Darauf hat bereits das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 4. März 2008 zutreffend hingewiesen. Hierauf wird Bezug genommen.
Unterschriften
Dr. Storost, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen
DÖV 2009, 132 |
VR 2008, 323 |
DVBl. 2008, 934 |