Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 02.07.2009; Aktenzeichen 2 S 507/09) |
Tenor
Dem Kläger wird hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist sowie der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 2. Juli 2009 wird aufgehoben, soweit es den Zeitraum der Gebührenbefreiung vom 1. März 2007 bis 31. Juli 2007 betrifft. Insoweit wird die Revision zugelassen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Gerichtsgebühren, die für die Zurückweisung der Beschwerde angefallen sind; im Übrigen ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei. Von den sonstigen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger zwölf Siebzehntel. Die Entscheidung über die restlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren insgesamt auf 289,51 €, für den erfolglos gebliebenen Teil der Beschwerde auf 204,36 € und für das Revisionsverfahren vorläufig auf 85,15 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
1. Der Kläger hat die Fristen für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. § 133 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 VwGO) zwar versäumt. Ihm ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO “ohne Verschulden” verhindert war, die Fristen einzuhalten. Aufgrund des Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht nämlich fest, dass der Kläger mittellos und somit nicht in der Lage war, die Kosten für die Beauftragung eines zum Auftreten vor dem Bundesverwaltungsgericht befugten Bevollmächtigten aufzubringen. Der Kläger hat darüber hinaus mit der rechtzeitigen Stellung eines ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeantrags alles getan, was von ihm innerhalb der Rechtsmittelfrist erwartet werden konnte. Die Wiedereinsetzungsfrist (§ 60 Abs. 2 VwGO) ist gewahrt, denn auf die Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom 2. März 2010 hat der Kläger den am 11. März 2010 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und zugleich die versäumten Rechtshandlungen nachgeholt.
Rz. 2
2. Die auf die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat in dem ausgesprochenen Umfang Erfolg. Sie kann zur Klärung der Frage beitragen, ob ein besonderer Härtefall zur Befreiung von der Rundfunkgebühr im Sinne von § 6 Abs. 3 RGebStV auch dann vorliegen kann, wenn der Rundfunkteilnehmer Arbeitslosengeld II einschließlich Leistungen nach § 22 SGB II erhält und der ihm gewährte Zuschlag nach § 24 SGB II zwecks Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten gepfändet wird.
Rz. 3
3. Die Nichtzulassungsbeschwerde war aber ungeachtet der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückzuweisen, soweit die streitgegenständliche Befreiung von der Rundfunkgebühr für die Zeit vor dem 1. März 2007 begehrt wurde. Die Nichtzulassungsbeschwerde betrifft den Rechtsstreit um eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für den Zeitraum von März 2006 bis Juli 2007. Der Umfang ihrer Zulassung hängt von der Auslegung revisiblen Rechts ab. Durch § 10 RGebStV in der Fassung des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrages, in Kraft getreten am 1. März 2007, wurde das Rundfunkgebührenrecht für revisibel erklärt. Dabei bezieht sich die Revisibilität aber erst auf das ab diesem Zeitpunkt geltende Recht (s. Beschluss vom 5. April 2007 – BVerwG 6 B 15.07 – Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 42). Dieses ist zwar für die Beurteilung eines Teils des Streitfalls schon maßgeblich. Allerdings erstreckt die gesetzlich erst ab dem 1. März 2007 begründete Revisibilität sich nicht auf den zwar auch im Streit befindlichen, aber vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraum (vgl. Urteil vom 28. April 2010 – BVerwG 6 C 6.09 – Rn. 11 ff.). Insoweit ist daher die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet.
Rz. 4
4. Soweit über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden war, beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 2 VwGO. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsteht eine Gerichtsgebühr nur, soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Die sonstigen Kosten des Beschwerdeverfahrens, namentlich die außergerichtlichen Kosten, waren verhältnismäßig zu teilen, und zwar in der Weise, dass der Kläger die Kosten im Maße seines Unterliegens trägt und die Entscheidung über die restlichen Kosten, die dem Anteil der erfolgreichen Beschwerde am gesamten Beschwerdeverfahren entsprechen, der Kostenentscheidung in der Hauptsache folgt (Beschlüsse vom 10. November 1980 – BVerwG 1 B 802.80 – Buchholz 310 § 155 VwGO Nr. 7 und vom 3. April 2006 – BVerwG 7 B 95.05 – juris Rn. 52).
Rz. 5
5. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG. Dabei wurde von einem Gebührenbetrag von 17,03 € im Monat und von einem insgesamt streitigen Zeitraum von 17 Monaten ausgegangen.
Rz. 6
Die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dabei wurde von einem Gebührenbetrag von 17,03 € im Monat und von einem insgesamt für das Revisionsverfahren noch zugelassenen streitigen Zeitraum von 5 Monaten ausgegangen.
Unterschriften
Neumann, Büge, Dr. Graulich
Fundstellen