Tenor
Das Anordnungsverfahren wird eingestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Anordnungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Anordnungsverfahren auf 15 000 DM festgesetzt.
Gründe
Das auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtete Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, nachdem die Beteiligten insoweit übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben haben. Nach § 161 Abs. 2 VwGO ist nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Billigem Ermessen im Sinne dieser Vorschrift entspricht es, die Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen.
Die vom Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 erhobene Anfechtungsklage hat nach § 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 21. Juli 1994 – BVerwG 4 VR 1.94 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 98) indes nicht, dass das Vollzugsinteresse des Vorhabenträgers bereits kraft Gesetzes höheres Gewicht beansprucht als das Interesse des Antragstellers, vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens vor vollendeten Tatsachen bewahrt zu werden. Der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage hat lediglich zur Folge, dass die Behörde von der ihr sonst nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO obliegenden Pflicht entbunden wird, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung anhand der konkreten Gegebenheiten besonders zu begründen. Macht der Betroffene, der sich im Klagewege gegen einen Planfeststellungsbeschluss zur Wehr setzt, von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO um vorläufigen Rechtsschutz nachzusuchen, so hat die Planungsbehörde im gerichtlichen Verfahren näher darzulegen, aus welcher Interessenposition sie für sich die Befugnis ableitet, mit der Ausführung des Planvorhabens zu beginnen, ohne den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten zu müssen.
Auf eine solche Interessenposition kann sich der Antragsgegner – jedenfalls derzeit – nicht stützen. Nach seinen eigenen Angaben im Schriftsatz vom 26. Juli 2001 sind im Vorgriff auf die eigentliche Vorhabenausführung für dieses Jahr lediglich drei Einzelmaßnahmen geplant, nämlich die Verlegung einer Erdgasleitung sowie die Errichtung von zwei Brückenbauwerken außerhalb des potentiellen FFH-Gebiets „Lichtenauer Hochland”. Mithin besteht ein über diese punktuellen Regelungen hinausgehender Entscheidungsbedarf in dem auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Verfahren derzeit nicht.
Das geht indes nicht zu Lasten des Antragstellers. Ergeht ein Planfeststellungsbeschluss, so kann ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe gestellt werden. Um seine Rechte zu wahren, durfte der Antragsteller es als angemessenes Mittel ansehen, innerhalb der Monatsfrist um vorläufigen Rechtsschutz nachzusuchen. Die Einsicht, von diesem Schritt ohne Rechtsverlust Abstand nehmen zu können, brauchte sich ihm nicht aufzudrängen. Denn wie dringlich die Ausführung des Vorhabens ist, das den Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses vom 5. April 2001 bildet, lag außerhalb seiner Erkenntnissphäre. Vielmehr hatte es die Planfeststellungsbehörde in der Hand, die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens innerhalb der Ein-Monats-Frist des § 5 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG entbehrlich zu machen. Es war ihr unbenommen, zum Ausdruck zu bringen, dass nicht beabsichtigt ist, das Planvorhaben als solches in absehbarer Zukunft ins Werk zu setzen. Das hierfür geeignete rechtliche Instrument bot ihr § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO. Danach kann die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Von der Aussetzungsbefugnis, die ihr nach dieser Regelung zusteht, kann sie mithin auch dann Gebrauch machen, wenn, wie hier, auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage kraft Bundesgesetzes entfällt. Die Aussetzung der Vollziehung ist nicht von einem Antrag abhängig. Sie ist auch von Amts wegen möglich.
Die Planungsbehörde wurde nicht durch ein bundesgesetzliches Verbot daran gehindert, die Vollziehung der von ihr getroffenen Planungsentscheidung – teilweise – auszusetzen. Ihr war es auch nicht verwehrt, mit Rücksicht darauf, dass ein sofortiger Baubeginn nicht ins Auge gefasst war, die Aussetzung der Vollziehung bereits im Planfeststellungsbeschluss vom 5. April 2001 anzuordnen. Denn § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO in der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung legt insoweit keine zeitliche Grenze fest. Anders als nach der Vorgängerregelung gehört die Einlegung eines Rechtsbehelfs in keiner der von ihm erfassten Konstellationen zu den Anwendungsvoraussetzungen. Die Aussetzungsbefugnis ist nur mehr an den Anlass des Verwaltungsakts geknüpft.
Unter welchen Voraussetzungen die Vollziehung ausgesetzt werden kann oder muss, regelt der Gesetzgeber nur für die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll in diesem Falle die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ansonsten gibt der Gesetzgeber keinen bestimmten Maßstab vor. Zwar mag es auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO vielfach der gesetzlichen Risikoverteilung entsprechen, sich an der Interessenbewertung zu orientieren, die dieser Vorschrift zu Grunde liegt. Das schließt die Berücksichtigung anderer Kriterien jedoch nicht aus. Insbesondere in den Fällen, in denen der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO einem Fristerfordernis unterliegt, lässt sich eine mit dem Verwaltungsakt verbundene Aussetzungsentscheidung auf der Grundlage des § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO als Mittel nutzen, um Betroffenen Schritte zur Erlangung eines vorläufigen Rechtsschutzes zu ersparen, der sich als unnötig erweist, solange feststeht, dass die Behörde eine sofortige Vollziehung, zu der sie der Gesetzgeber berechtigt, grundsätzlich aber nicht verpflichtet, aus welchen Gründen immer weder beabsichtigt noch auch nur ernsthaft in Erwägung zieht.
Durch eine Aussetzung der Vollziehung erlegt sich die Behörde keine Bindungen auf, die es ihr für die Zukunft erschweren, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr der Gesetzgeber mit dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung zubilligt. Freilich wirkt die Aussetzung nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO, vorbehaltlich einer Befristung, grundsätzlich bis zu dem Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts oder dem in § 80 b VwGO bestimmten Zeitpunkt. Die zuständige Behörde kann indes, soweit keine anderweitigen rechtlichen Bindungen bestehen, die Aussetzungsentscheidung ändern oder aufheben. Allerdings findet sich in § 80 Abs. 4 VwGO keine dem § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO entsprechende Regelung. Das bedeutet aber allenfalls, dass die Aussetzungsentscheidung nicht im Sinne dieser Vorschrift jederzeit geändert oder aufgehoben werden darf. Zu einer Neubeurteilung berechtigen indes allemal veränderte Umstände. Eine neue Sachlage, die die Behörde zum Anlass für eine Änderung oder eine Aufhebung der Aussetzung nehmen darf, ist jedenfalls auch dann gegeben, wenn das tatsächliche oder rechtliche Hindernis wegfällt, das im Zeitpunkt der Entscheidung einer sofortigen Vollziehung im Wege stand. Macht die Planungsbehörde von ihrem Recht Gebrauch, die Aussetzung der Vollziehung aufzuheben, so eröffnet § 5 Abs. 2 Satz 3 VerkPBG die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von einem Monat einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu stellen.
Als der vom Antragsteller angefochtene Planfeststellungsbeschluss am 5. April 2001 erging, war absehbar, dass die eigentlichen Bauarbeiten jedenfalls in dem potentiellen FFH-Gebiet „Lichtenauer Hochland” nicht unmittelbar bevorstanden. In dieser Situation hätte sich der Planfeststellungsbehörde der Rückgriff auf § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO aufdrängen müssen. Wäre die Vollziehung unter Ausschluss der als unaufschiebbar eingestuften Maßnahmen ausgeschlossen worden, so hätte sich ein auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung schlechthin gerichteter Antrag jedenfalls im derzeitigen Stadium des Verfahrens von vornherein erübrigt. Dies lässt es im Sinne des § 161 Abs. 2 VwGO billig erscheinen, mit den Kosten, die sich hätten vermeiden lassen, den Antragsgegner zu belasten.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 20 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Halama
Fundstellen