Verfahrensgang

VG Berlin (Aktenzeichen 9 A 415.97)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 300 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehende klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es bei der Beschwerde der Klägerinnen.

Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig,

„ob der für eine Anwendung des § 1 Abs. 8 a VermG notwendige Zurechnungszusammenhang („auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage”) im Falle der Enteignung des Vermögens einer Person gemäß Konzernverordnung auch dann noch gegeben ist, wenn diese Person in keiner der Listen der Konzernverordnung namentlich Erwähnung gefunden hat.”

Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens. Denn ihre Beantwortung ergibt sich ohne weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass der Restitutionsausschluss nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG keine bestimmte Form der Enteignung voraussetzt. Eine Enteignung im Sinne des Vermögensgesetzes ist immer dann anzunehmen, wenn der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist. Da der Enteignungsbegriff des Vermögensgesetzes an dem Geltungsanspruch der staatlichen Herrschaftsordnung anknüpft und damit primär durch den faktischen Eigentumszugriff gekennzeichnet ist, kommt es nicht darauf an, ob der Vermögensverlust den damals geltenden Rechtsvorschriften entsprach oder hiernach wirksam war (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 1996 – BVerwG 7 B 294.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 97 m.w.N.). In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass Enteignungen auf der Grundlage der KonzernVO und der darin enthaltenen Liste C auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt ist; es hat im Einzelnen dargelegt, dass deren Zweck entsprechend der Zugriff auf die Grundstücke unter Vernachlässigung der Person des Eigentümers im Vordergrund stand, wie sich aus der Anmerkung am Ende der Liste C ergibt. Der in § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG vorausgesetzte Zurechnungszusammenhang zur Besatzungsmacht ist bei einer Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage jedenfalls dann gewahrt, wenn die Maßnahmen dem generellen oder im Einzelfall geäußerten Willen der Besatzungsmacht entsprachen oder von ihr jedenfalls stillschweigend geduldet wurden. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Rechtsvorgänger der Klägerinnen in allen Fassungen der Liste C aufgeführt waren und dass auch kein Enteignungsverbot seitens der Besatzungsmacht vorgelegen hat. Dieser Zurechnungszusammenhang wird nicht etwa dadurch unterbrochen, dass in der KonzernVO keine Differenzierung nach einzelnen Miteigentumsanteilen bezüglich der von § 1 erfassten Enteignungen von Grundstückseigentümern von Wohnblöcken enthalten wäre. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass die zum Restitutionsausschluss führende Verantwortung der Sowjetunion nicht notwendigerweise voraussetzt, dass diese die Enteignungen im Einzelfall geprüft und gebilligt hat. Vielmehr reicht es zur Anwendung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG aus, dass die Besatzungsmacht mit den Enteignungsmaßnahmen deutscher Stellen generell einverstanden war. Dementsprechend ist auch die von den zuständigen deutschen Stellen entwickelte Enteignungspraxis zuzurechnen, da der sowjetischen Besatzungsmacht in ihrem Herrschaftsbereich die oberste Hoheitsgewalt zukam. Diese Zurechnung gilt selbst dann, wenn die deutschen Stellen die mit dem Einverständnis der Besatzungsmacht geschaffenen Enteignungsgrundlagen exzessiv ausgelegt oder willkürlich angewendet haben (BVerfGE 84, 90, 115; Urteil vom 13. Februar 1995 – BVerwG 7 C 53.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 38). Eine solche exzessive Auslegung läge dann vor, wenn man dem Standpunkt der Beschwerde näher treten wollte, die für eine wirksame Enteignung nach der KonzernVO eine namentliche Nennung von weiteren Miteigentümern der von der KonzernVO erfassten Enteignungsgrundstücke verlangt.

Die weiterhin von der Beschwerde für klärungsbedürftig gehaltene Frage,

„ob die Vorschriften der Konzernverordnung, insbesondere die Liste C, überhaupt auslegungsfähig sind und wenn ja, nach welchen Auslegungsgrundsätzen, ferner, ob einer juristisch möglichen Auslegung der Konzernverordnung überhaupt eine Bedeutung im Rahmen der Anwendung des § 1 Abs. 8 a VermG zukommt”,

wird sich angesichts der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung nicht stellen. Ihre Auslegung durch das Tatsachengericht ist zum einen nicht revisibel, und zum anderen orientiert sich die vom Verwaltungsgericht gefundene Auslegung an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Restitutionsausschluss des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG. Auf die von der Beschwerde zitierte Rechtsprechung des Kammergerichts (Urteil vom 7. Mai 1997 – 24 U 8774/96 – ZOV 1997, 338 f.) kommt es schon deshalb nicht an, weil sich diese Entscheidung nur zur Auslegung der in der Liste C enthaltenen Klammersätze verhält, in denen der rechtsgeschäftliche Vertreter des enteigneten Eigentümers aufgeführt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 13 und 14 GKG; dabei hat der Senat den Bodenrichtwert von ca. 900 DM/m² für das im Beschwerdeverfahren allein noch streitige Grundstück (2193 m²) zugrunde gelegt und berücksichtigt, dass nur ein Miteigentumsanteil von 15/100 geltend gemacht wird.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Sailer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI650256

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