Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 30.11.2009; Aktenzeichen 1 L 41/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. November 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Der Kläger stand als Ministerialrat (Besoldungsgruppe A 16) im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt. Nach Vollendung des 65. Lebensjahres wurde er mit Ablauf des Monats September 2009 in den Ruhestand versetzt. Mit Urteil vom 11. März 2009 hat das Verwaltungsgericht die zu Gunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung des Beklagten vom 12. März 2008 sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens eines Referatsleiters unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Den weitergehenden Antrag des Klägers, den Beklagten zu verurteilen, ihm diesen Referatsleiterposten zu übertragen, hat das Verwaltungsgericht dagegen abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat nur der Beklagte Berufung eingelegt. Nach Eintritt des Klägers in den Ruhestand hat das Oberverwaltungsgericht die Klage des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung vom 12. März 2008 sowie des Widerspruchsbescheids abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass die Klage bereits unzulässig sei, weil dem Kläger das erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Die Erhebung einer Klage auf Schadensersatz habe der Kläger offen gelassen. Auch wäre eine solche Klage offensichtlich aussichtslos. Aus einem wegen des Verdachts der Untreue eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren folge für den Kläger ebenfalls kein Feststellungsinteresse. Der Kläger wäre von diesem Verfahren nicht betroffen, weil die vermeintliche Untreuehandlung zum Nachteil des Landes und nicht des Klägers erfolgt wäre. Der Kläger erhalte die Schadensersatzzahlungen aufgrund eines rechtskräftigen Urteils. Auch aus dem Gesichtspunkt der Rehabilitation folge kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Fortbestehende Nachwirkungen der Auswahlentscheidung beim Kläger, denen durch eine gerichtliche Entscheidung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme wirksam begegnet werden könnte, seien nicht ersichtlich. Die Klage sei auch unbegründet, weil die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen rechtmäßig gewesen sei und den Kläger deshalb nicht in seinem Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt habe. Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Rz. 3
2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Rz. 4
Der Kläger nennt als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage, ob ein Dienstherr einen durch die Entscheidung des Kabinetts bestellten Referatsleiter und vom Ministerpräsidenten zum Ministerialrat ernannten Beamten ohne Rechtsgrundlage von dieser Funktion entbinden sowie diesem eine Tätigkeit zuweisen könne, die nicht amtsangemessen sei. Ferner soll geklärt werden, ob der Dienstherr berechtigt sei, den mit A 16, B 2 oder B 3 bewerteten Dienstposten eines Referatsleiters mit einem dienstjüngeren Regierungsdirektor (A 15) zu besetzen, wenn ein zuvor vom Dienstposten des Referatsleiters entbundener Ministerialrat vorhanden sei und auf dem Dienstposten eingesetzt werden könne. Schließlich wird als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage genannt, ob ein Beamter von einem Auswahlgespräch ausgeschlossen werden könne, wenn er die Verweigerung seiner Teilnahme an diesem Gespräch damit zu begründen vermöge, er müsse sich nicht um die Stelle bewerben, sondern habe insoweit einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung.
Rz. 5
Es wird von der Beschwerde aber nicht berücksichtigt, dass das Berufungsgericht die Abweisung der Klage selbstständig tragend auf die Erwägung gestützt hat, diese sei mangels Feststellungsinteresse bereits unzulässig. Hinsichtlich dieser den Beschluss tragenden Begründung wird kein Zulassungsgrund geltend gemacht. In Bezug auf das berechtigte Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide beschränkt sich die Beschwerde auf einen Angriff gegen die einzelfallbezogene Würdigung des Berufungsgerichts, legt aber keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Bei einer mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Begründung bedarf es zur Zulässigkeit der Beschwerde in Bezug auf jede dieser Begründungen eines geltend gemachten und vorliegenden Zulassungsgrundes (Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 und vom 19. Oktober 2010 – BVerwG 9 B 18.10 – juris Rn. 3,). Im Übrigen steht der Zulassung der Revision hinsichtlich der Frage, ob der Beklagte verpflichtet war, den Dienstposten des Referatsleiters auf den Kläger zu übertragen, entgegen, dass das Verwaltungsgericht die Klage insoweit abgewiesen hat und das Urteil insoweit rechtskräftig geworden ist. Denn nur der Beklagte hat das Urteil des Verwaltungsgerichts angegriffen.
Rz. 6
3. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der vom Kläger behaupteten Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.
Rz. 7
Der Kläger entnimmt dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2008 (– BVerwG 2 C 126.07 – BVerwGE 132, 40 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 99) den Rechtssatz, der Dienstherr müsse den Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung erfüllen, sobald der Beamte diesen geltend mache, und könne den Beamten nicht darauf verweisen, er müsse sich auf freie Stellen bewerben. Mit seiner Behauptung, das Berufungsgericht habe in seinem Beschluss diesem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen, wird wiederum die Begründetheit der Feststellungsklage angesprochen. Wie dargelegt, ist die Abweisung der Klage aber selbstständig tragend auf das Fehlen des Feststellungsinteresses des Klägers gestützt worden.
Rz. 8
Im Übrigen liegt die vom Kläger behauptete Abweichung vom tragenden Rechtssatz des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2008 (– BVerwG 2 C 126.07 – a.a.O.) auch nicht vor. Denn das Berufungsgericht ist in seinem Beschluss nicht davon ausgegangen, ein Beamter könne, sofern er nicht amtsangemessen beschäftigt werde, von seinem Dienstherrn nicht die Verschaffung einer solchen Beschäftigung beanspruchen, sondern müsse sich hinsichtlich einer geeigneten, freien Stelle einem Auswahlverfahren stellen. Die Beschwerde unterstellt insoweit ohne weiteres, dass der Kläger seit der Entbindung von dem Dienstposten des Referatsleiters im August 2004 nicht amtsangemessen beschäftigt worden sei. Dies hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt.
Rz. 9
4. Auch die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
Rz. 10
Der Kläger sieht seine Verfahrensrechte als verletzt an, weil er keine Möglichkeit gehabt habe, seinen Standpunkt in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen. Ungeachtet des Umstands, dass – etwaige – Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens nur dann relevant sind, wenn sie in der Berufungsinstanz fortwirken (Beschluss vom 24. August 1995 – BVerwG 3 B 60.95 – AgrarR 1996, 35), ist das Vorbringen des Klägers hinsichtlich des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht unrichtig. Für den Kläger bestand die Möglichkeit, seinen Rechtsstandpunkt, insbesondere hinsichtlich der Frage der Vollständigkeit der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorzutragen und das Gericht auch von der Notwendigkeit der Beiziehung weiterer Verwaltungsakten zu überzeugen. Das Verwaltungsgericht hatte den Kläger durch seine Verfügung vom 3. März 2009 auf seine damalige Einschätzung hingewiesen, für eine Entscheidung über die Klage des Klägers keine weiteren Verwaltungsvorgänge zu benötigen.
Rz. 11
Die Beschwerde macht als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den Kläger nicht ordnungsgemäß zu einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO angehört, weil es auf bisher im Verfahren nicht erörterte Gesichtspunkte nicht hingewiesen habe. Mit diesem Vortrag ist ein für den angefochtenen Beschluss erheblicher Verfahrensmangel nicht hinreichend dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Beschwerde verkennt den Umfang der Anhörungsverpflichtung nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO. § 130a VwGO ermöglicht unter den dort genannten Voraussetzungen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Deshalb muss die Anhörung erkennen lassen, dass ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden soll und ob das Gericht die Berufung für begründet oder unbegründet hält (Urteil vom 21. März 2000 – BVerwG 9 C 39.99 – BVerwGE 111, 69 ≪73 f.≫ = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 49 S. 34). Gleichzeitig muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Beteiligten zu dem beabsichtigten Verfahren äußern können (vgl. Urteil vom 21. August 1981 – BVerwG 4 C 6.81 – Buchholz 312 EntlG Nr. 21 S. 6). Die – vor der Schlussberatung nur vorläufigen – Gründe für die in Betracht gezogene Sachentscheidung müssen jedoch in der Anhörungsmitteilung nicht angegeben werden (Beschluss vom 13. Dezember 1983 – BVerwG 9 B 1387.82 – Buchholz 312 EntlG Nr. 34). Die Belehrung des Berufungsgerichts genügt diesen Anforderungen. In seinem Schreiben vom 28. September 2009 ist es über die gesetzliche Verpflichtung sogar hinausgegangen. Denn es hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die – wegen des Eintritts des Klägers in den Ruhestand – geänderte Klage mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresse unzulässig und zudem auch unbegründet sein dürfte. Eine mit dem Recht auf rechtliches Gehör unvereinbare Überraschungsentscheidung (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫) liegt deshalb nicht vor.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären. Dieser hat keinen Antrag gestellt und hat sich damit nicht dem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Herbert, Thomsen, Dr. Hartung
Fundstellen