Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitwirkung des Personalrats beim Bundesnachrichtendienst. Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen
Leitsatz (amtlich)
Der Erlass der Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen durch den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes unterliegt der Mitwirkung des Personalrats der Zentrale nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG.
Normenkette
BPersVG §§ 78, 86
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Dienstvorschrift über die Abgabe von Schuldenerklärungen vom 8. April 2005 der Mitwirkung des Antragstellers unterliegt.
Tatbestand
I
Unter dem 19. Oktober 1976 erließ der Beteiligte – nach Beteiligung des Antragstellers – eine Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen. Unter dem 8. April 2005 fasste er die Dienstvorschrift neu; sie lautet jetzt wie folgt:
“Auch bei Bediensteten des Bundesnachrichtendienstes ist Überschuldung ein potentielles Sicherheitsrisiko im Hinblick auf § 5 SÜG, die frühestmöglich abzuwenden, in jedem Fall aber zu eröffnen ist.
1 Aus diesem Grund hat jeder Mitarbeiter unaufgefordert und unverzüglich eine Erklärung über seine Schulden abzugeben, wenn
– er für die Tilgung finanzieller Verpflichtungen einschließlich Immobilienschulden mehr als die Hälfte seines monatlichen Nettoeinkommens aufwenden muss
oder
– die Gesamthöhe seiner finanziellen Verpflichtungen sein dreifaches Monatsnettoeinkommen und gleichzeitig die Hälfte seines Privatvermögens (z.B. Erspartes, Wertpapiere – nicht aber der Hausrat) übersteigt.
2.1 Als Schulden im vorstehenden Sinne gelten auch die Schulden des Ehe- bzw. Lebenspartners, wenn der Bedienstete als Mitschuldner zur Tilgung verpflichtet ist.
2.2 Zum Nettoeinkommen zählen sämtliche Einkünfte einschließlich solcher aus Miete und Verpachtung, Kapitalvermögen usw. sowie die Einkünfte des Ehe- bzw. Lebenspartners.
2.3 Zum Privatvermögen zählt das persönliche Eigentum einschließlich Immobilien und das des Ehe-/Lebenspartners. Es ist mit dem realisierbaren Verkehrswert anzusetzen.
Eine detaillierte Aufzählung einzelner Vermögenswerte ist nicht erforderlich.
3 Unabhängig von der Höhe der konkret bestehenden finanziellen Verpflichtungen ist regelmäßig in folgenden Fällen unaufgefordert und unverzüglich eine schriftliche Schuldenerklärung abzugeben:
3.1 Anlässlich der Versetzung zum bzw. Einstellung in den BND
3.2 Vor einer Verwendung im Ausland, die länger als drei Monate dauert.
3.3 Bei Durchführung einer Zwangsvollstreckung oder Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (früher Offenbarungseid).
3.4 In sonstigen Fällen auf Anforderung durch das Referat ‘Grundsatz und personelle Sicherheitsangelegenheiten’.
4 Für die Abgabe einer Schuldenerklärung ist ausschließlich das Formblatt gemäß Anlage 1 zu verwenden. Die Erklärung ist vollständig und wahrheitsgetreu abzugeben.
Die Schuldenerklärung ist in verschlossenem Umschlag an das Referat ‘Grundsatz und personelle Sicherheitsangelegenheiten’ zu senden.
Dieses entscheidet über das weitere Verfahren.
5 Die Nichtbeachtung der vorstehenden Bestimmungen führt zu disziplinaren/arbeitsrechtlichen und sicherheitlichen Maßnahmen.
6 Über diese Dienstvorschrift sind alle Bediensteten bei Eintritt in den BND und bei der jährlichen Geheimschutzunterrichtung zu belehren.
7 Diese Dienstvorschrift tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Die Bezugsverfügung wird hiermit aufgehoben.”
Mit Schreiben vom 17. August 2005 beanstandete der Antragsteller, dass ihm die Neufassung der Dienstvorschrift nicht zur Mitwirkung vorgelegt worden sei. Letztmals mit Schreiben vom 20. Juli 2006 verneinte der Beteiligte das Mitwirkungsrecht im Wesentlichen mit der Begründung, bei der Dienstvorschrift gehe es ausschließlich um die Wahrnehmung des Amtsauftrages, ohne dass spezifische, im Beschäftigungsverhältnis angelegte Interessen der Angehörigen des Bundesnachrichtendienstes berührt würden.
Am 11. April 2007 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Er trägt vor: Die nach dem demokratischen Prinzip zu beachtende Schutzzweckgrenze hindere die Beteiligung des Personalrats im vorliegenden Falle nicht. Denn die Abforderung von Schuldenerklärungen berühre nicht allein die außenwirksame Tätigkeit gegenüber Dritten. Vielmehr handele es sich umgekehrt um einen rein dienstinternen Vorgang. Die dabei etwa zu beachtende Verantwortungsgrenze sei schon deswegen gewahrt, weil im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes die Beteiligung des Personalrats über ein Mitwirkungsrecht nicht hinausgehen dürfe. Den Belangen der Eigensicherung und des Geheimschutzes im Bundesnachrichtendienst sei durch die Sonderregelungen über die Behandlung von Verschlusssachen hinreichend Rechnung getragen. Nach alledem unterliege die Dienstvorschrift über die Abgabe von Schuldenerklärungen der Mitwirkung beim Inhalt von Personalfragebogen, bei Regelung der Ordnung in der Dienststelle sowie bei Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen für innerdienstliche Angelegenheiten.
Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass die Dienstvorschrift über die Abgabe von Schuldenerklärungen vom 8. April 2005 seiner Mitwirkung unterliegt.
Der Beteiligte beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor: Die Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen konkretisiere eine der Pflichten zur Erfüllung der dem Bundesnachrichtendienst zugeordneten Aufgabe der Eigensicherung. Sie habe ihren Ursprung nicht im Beschäftigungsverhältnis, sondern im Schutzbedürfnis des Bundesnachrichtendienstes vor “Angriffen von außen” aufgrund seiner besonderen Aufgabenstellung. Sie bewege sich im Kernbereich der Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes; dieser Kernbereich müsse von einer personalvertretungsrechtlichen Beteiligung freigestellt sein, um die Entscheidung der verantwortlichen Stelle unbeeinflusst zu lassen. Ferner konkretisiere die Dienstvorschrift in Anwendung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes die Voraussetzungen, unter denen jemandem eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übertragen werden könne. Die ausgefüllte Schuldenerklärung sei dem durch personalvertretungsrechtliche Beteiligung begleiteten Direktionsrecht des Dienststellenleiters entzogen. Bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, die nach Auswertung der Schuldenerklärung möglich sei, habe das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen. Unter diesen Umständen bestehe kein Raum für eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung.
Entscheidungsgründe
II
Der im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nach § 83 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 86 BPersVG i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1, § 80 Abs. 2 Satz 1, § 81 Abs. 1 ArbGG und § 256 Abs. 1 ZPO zulässige Antrag ist begründet. Dem nach § 86 Nr. 8 Satz 2 BPersVG zur Beteiligung berufenen Antragsteller steht das Recht zu, beim Erlass der Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen mitzuwirken.
Dieses Mitwirkungsrecht ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG. Danach wirkt der Personalrat mit bei Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen einer Dienststelle für die innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten der Beschäftigten ihres Geschäftsbereiches, wenn nicht nach § 94 des Bundesbeamtengesetzes die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften bei der Vorbereitung zu beteiligen sind.
1. Die Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen ist eine Verwaltungsanordnung des Bundesnachrichtendienstes. Der Begriff “Verwaltungsanordnung” beschreibt in seiner personalvertretungsrechtlichen Bedeutung jede Regelung, welche die Dienststelle in Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Rechte als Dienstherr oder Arbeitgeber gegenüber allen ihren Beschäftigten, jedenfalls aber gegenüber einer unbestimmten Anzahl ihrer Beschäftigten trifft, ohne dass es auf ihre Form ankommt (vgl. Beschluss vom 19. Mai 2003 – BVerwG 6 P 16.02 – Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 19 S. 6 m.w.N.). Dass der Abteilungsleiter 8 (Geheimschutzbeauftragter) die Dienstvorschrift erlassen hat, steht nicht entgegen. Denn er hat für die Dienststelle Bundesnachrichtendienst und unter der Verantwortung ihres Leiters, des Beteiligten, gehandelt. Adressaten der Dienstvorschrift sind alle Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes. Mit dem Erlass der Dienstvorschrift hat der Beteiligte die Befugnisse der Bundesrepublik Deutschland als Dienstherrin und Arbeitgeberin in Anspruch genommen. Denn durch die Dienstvorschrift werden ausschließlich die “Bediensteten des Bundesnachrichtendienstes” bzw. “jeder Mitarbeiter” verpflichtet. Nach Nr. 5 der Dienstvorschrift führt die Nichtbeachtung ihrer Bestimmungen “zu disziplinaren/arbeitsrechtlichen und sicherheitlichen Maßnahmen”.
2. Die Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen betrifft die innerdienstlichen Angelegenheiten der Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes.
a) § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG stellt innerdienstliche, soziale und persönliche Angelegenheiten nebeneinander. Diese Aufzählung nimmt Bezug auf die Einteilung der Mitbestimmungstatbestände in §§ 75, 76 BPersVG. Unter persönliche Angelegenheiten fallen alle Angelegenheiten, welche den Personalangelegenheiten der Arbeitnehmer und Beamten nach § 75 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 BPersVG vergleichbar sind, also alle Maßnahmen, welche den einzelnen Beschäftigten unmittelbar an seinem Beschäftigungsverhältnis berühren. Unter sozialen Angelegenheiten sind Maßnahmen zu verstehen, welche den in § 75 Abs. 2 Satz 1 BPersVG genannten Angelegenheiten entsprechen. Demgegenüber handelt es sich bei den innerdienstlichen Angelegenheiten um einen Auffang- und Oberbegriff. Aufgefangen werden alle Angelegenheiten, die nicht als Personalangelegenheiten oder soziale Angelegenheiten qualifiziert werden können und den Angelegenheiten in den Mitbestimmungskatalogen nach § 75 Abs. 3 und § 76 Abs. 2 BPersVG vergleichbar sind. Zugleich ist “innerdienstliche Angelegenheit” ein Oberbegriff, welcher allen Beteiligungstatbeständen in den Katalogen nach §§ 75 bis 79 BPersVG zugrunde liegt. Es handelt sich durchgängig um Entscheidungen im internen Bereich von Regierung und Verwaltung, durch welche die Beschäftigten in ihren spezifischen Interessen als Beamte und Arbeitnehmer berührt werden (vgl. Beschluss vom 19. Mai 2003 a.a.O. S. 4 und 6).
b) Entgegen der Annahme des Beteiligten stimmt das einfachrechtliche Verständnis vom Begriff der innerdienstlichen Angelegenheit mit dem verfassungsrechtlichen Verständnis überein. Die Kataloge der §§ 75 bis 79 BPersVG beschränken die Beteiligung des Personalrats auf Angelegenheiten, welche spezifische Beschäftigteninteressen berühren; Maßnahmen ohne innerdienstlichen Bezug sind beteiligungsfrei. Andererseits war dem Gesetzgeber bewusst, dass es innerdienstliche Angelegenheiten gibt, die wegen Betroffenheit der Regierungsverantwortung und ihrer Bedeutung für die Erfüllung der Amtsaufgaben der Letztentscheidung der der Volksvertretung verantwortlichen Stelle nicht entzogen werden dürfen. Er hat dem dadurch Rechnung getragen, dass er bei einem Teil der Angelegenheiten die Mitbestimmung eingeschränkt (§ 69 Abs. 4 Satz 3, § 76 BPersVG) oder schwächere Beteiligungsformen festgelegt hat (§§ 72, 78, 79 BPersVG). Mit diesem Regelungskonzept hat der Gesetzgeber – bei Defiziten im Detail – jedenfalls im Grundsatz den Anforderungen des demokratischen Prinzips Rechnung getragen (vgl. Beschluss vom 30. Juni 2005 – BVerwG 6 P 9.04 – BVerwGE 124, 34 ≪45≫ = Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 106 S. 46 f.).
Diese gehen unter dem Gesichtspunkt der Schutzzweckgrenze zunächst dahin, dass sich die Beteiligung des Personalrats nur auf innerdienstliche Maßnahmen erstrecken und nur soweit gehen darf, als die spezifischen im Beschäftigungsverhältnis angelegten Interessen der Angehörigen der Dienststelle sie rechtfertigen. Dabei wird der Charakter als innerdienstliche Maßnahme durch den Zusammenhang mit der Erledigung der Amtsaufgabe nicht in Frage gestellt. Für innerdienstliche Maßnahmen ist nicht untypisch, dass durch sie behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Amtsauftrages geschaffen werden. Hat eine innerdienstliche Maßnahme erhebliche Auswirkungen auf die Erledigung des Amtsauftrages, so ist dem nicht durch Ausschluss jeglicher Beteiligung, sondern durch Beachtung der Verantwortungsgrenze Rechnung zu tragen. Diese besagt, dass die Angelegenheit nicht der Letztentscheidungsbefugnis der der Volksvertretung verantwortlichen Stelle entzogen werden darf (vgl. Beschlüsse vom 19. Mai 2003 a.a.O. S. 4 und vom 18. Mai 2004 – BVerwG 6 P 13.03 – BVerwGE 121, 38 ≪49 f.≫ = Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr. 17 S. 5 sowie Urteil vom 21. März 2007 – BVerwG 6 P 4.06 – BVerwGE 128, 212 = Buchholz 251.8 § 78 RhPPersVG Nr. 1 Rn. 43 ff., jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 – BVerfGE 93, 37 ≪68, 70≫).
c) Nach dem vorbezeichneten Maßstab ist die Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen eine innerdienstliche Angelegenheit. Durch sie werden die spezifischen Interessen der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes berührt. Diese werden durch die Dienstvorschrift verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen bzw. aus gegebenem Anlass ihre privaten Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen. Dass mit der Dienstvorschrift Befugnisse des Eigenschutzes nach § 2 Abs. 1 BND-Gesetz wahrgenommen und unter Umständen Maßnahmen nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz vorbereitet werden, nimmt ihr nicht den beschriebenen innerdienstlichen Bezug. Der Bedeutung des Eigenschutzes für die Erfüllung des Amtsauftrages ist dadurch Rechnung getragen, dass das Beteiligungsrecht nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG auf ein Mitwirkungsrecht begrenzt ist. Dies bedeutet, dass in dem Falle, dass der Antragsteller seine Einwände gegen die vom Beteiligten beabsichtigte Maßnahme aufrechterhält, der Chef des Bundeskanzleramtes endgültig entscheidet (§ 72 Abs. 4, § 86 Nr. 8 Satz 3 BPersVG). Die Verantwortungsgrenze ist damit hinreichend beachtet.
Die Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen verliert ihren innerdienstlichen Charakter nicht dadurch, dass vergleichbare Dienstvorschriften auch für das im Bundesnachrichtendienst beschäftigte Fremdpersonal angewandt werden. Vielmehr gilt umgekehrt, dass sich die Beteiligung des Personalrats auch auf Personen ohne Beschäftigteneigenschaft auswirken kann, welche in die Dienststelle eingegliedert sind (vgl. die Fallgruppen im Urteil vom 21. März 2007 a.a.O. Rn. 11).
3. Das Mitwirkungsrecht des Antragstellers nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG ist nicht mit Blick auf die Beteiligung von Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften nach § 94 des Bundesbeamtengesetzes ausgeschlossen. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
4. Der somit gegebene Mitwirkungstatbestand nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG entfällt entgegen der Annahme des Beteiligten nicht etwa mit Blick auf die Regelung in § 86 Nr. 9 BPersVG, wonach an die Stelle der Mitbestimmung im Bereich des Bundesnachrichtendienstes die Mitwirkung des Personalrats tritt. Der Beteiligte will daraus herleiten, dass für Beteiligungsrechte, die schon nach den für die Personalvertretungen im Bundesdienst sonst geltenden Bestimmungen lediglich als Mitwirkungsrechte vorgesehen sind, im Bereich des Bundesnachrichtendienstes kein Raum ist. Der Wortlaut der Bestimmung gibt für die Ansicht des Beteiligten nichts her. Er besagt vielmehr lediglich, dass die Mitbestimmungsrechte nach §§ 75, 76 BPersVG auf Mitwirkungsrechte herabgestuft werden. Weder die bereichsspezifischen Sonderbestimmungen in § 86 BPersVG, welche den Sicherheitsbedürfnissen des Bundesnachrichtendienstes in allen wesentlichen Erscheinungsformen der Personalratstätigkeit Rechnung tragen, noch die dazugehörige Gesetzgebungsgeschichte, in welcher eine tendenziell beteiligungsfreundlichere Rechtsentwicklung zum Ausdruck kommt (vgl. Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. Februar 1997, BGBl I S. 322, und dazu BTDrucks 13/5057 S. 67 zu Art. 11 Abs. 2; Art. 9 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 9. Juli 2001, BGBl I S. 1510 und dazu BTDrucks 14/5529 S. 64 f. zu Art. 10 a.F. – Art. 9 n.F.) liefern für die vom Beteiligten behauptete Einschränkung irgendeinen Anhalt.
Solches ergibt sich auch nicht aus dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG). Dessen Bestimmungen, welche die Sicherheitsüberprüfung von Personen in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit regeln, können zwar in ihren Rechtsfolgen Auswirkungen haben auf die Personalratstätigkeit beim Bundesnachrichtendienst (vgl. insbesondere § 86 Nr. 2 und 10 BPersVG). Auch mag der Rechtsgedanke in § 14 Abs. 3 Satz 2 SÜG, wonach im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen hat, die Anwendung und Auslegung personalvertretungsrechtlicher Bestimmungen im Bereich des Bundesnachrichtendienstes im Einzelfall steuern (vgl. Beschluss vom 26. April 2000 – BVerwG 6 P 2.00 – Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 3 S. 6 f.). Im vorliegenden Fall jedoch, in welchem der Beteiligte eine von ihm zu erlassende Dienstvorschrift noch nicht einmal als Verschlusssache des von § 86 Nr. 10, § 93 Abs. 1 Satz 1 BPersVG erfassten Geheimhaltungsgrades eingestuft hat, besteht kein Anlass, über die in § 86 BPersVG vorgesehenen Einschränkungen der Personalratstätigkeit hinauszugehen.
Der vom Beteiligten in diesem Zusammenhang angesprochene, aus § 75 Abs. 3 und § 76 Abs. 2 Satz 1 BPersVG herzuleitende Gesetzesvorrang kommt nicht zum Tragen. Eine die Beteiligung des Personalrats ausschließende gesetzliche Regelung besteht dann, wenn darin ein Sachverhalt unmittelbar geregelt ist, es also zum Vollzug keines Ausführungsaktes bedarf. Eine solche Regelung besitzt Ausschließlichkeitscharakter, weil sie vollständig, umfassend und erschöpfend ist. Wenn jedoch aufgrund einer gesetzlichen Regelung die Ausgestaltung der Einzelmaßnahmen dem Dienststellenleiter überlassen ist, unterliegt dessen Entscheidung – auch bei rein normvollziehenden Maßnahmen ohne Ermessensspielraum – der Richtigkeitskontrolle des Personalrats (vgl. Beschluss vom 18. Mai 2004 a.a.O. S. 41 bzw. S. 2 f.). Für dessen Beteiligung ist erst recht Raum, wenn dem Dienststellenleiter bei der Ausführung von Gesetzen Gestaltungsspielraum zukommt. So liegt es hier. Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz belässt dem Beteiligten hinsichtlich der Art und Weise, wie er die Sicherheitsbelange seiner Dienststelle mit Blick auf das potenzielle Sicherheitsrisiko einer Überschuldung von Mitarbeitern am besten schützt, einen weiten Gestaltungsspielraum. Daran knüpft die Mitwirkung des Personalrats nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG an.
5. Der Antragsteller macht weitere Mitwirkungsrechte geltend. Diese leitet er aus speziellen Mitbestimmungstatbeständen her, und zwar unter den Aspekten “Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten” (§ 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG), “Inhalt von Personalfragebogen für Arbeitnehmer und Beamte” (§ 75 Abs. 3 Nr. 8, § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BPersVG) sowie “Inhalten von Fragebögen für Soldaten” (§ 24 Abs. 6 Nr. 1 SBG). Diese Mitwirkungsrechte sind weder anstelle noch neben der Mitwirkung aus § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG zuzusprechen.
a) Allerdings verdrängen im Bereich der gewöhnlichen Bundesverwaltung die stärkeren Mitbestimmungsrechte das schwächere Mitwirkungsrecht bei der Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG. Letzteres kommt nur dort zum Tragen, wo eine Verwaltungsanordnung von speziellen Mitbestimmungsrechten nicht oder nur teilweise erfasst wird (vgl. Beschluss vom 19. Mai 2003 a.a.O. S. 6 f.; ebenso zum Landesrecht: Beschlüsse vom 24. April 2002 – BVerwG 6 P 3.01 – BVerwGE 116, 216 ≪218 f.≫ = Buchholz 251.4 § 81 HmbPersVG Nr. 2 S. 2 f., vom 1. September 2004 – BVerwG 6 P 3.04 – Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 13 S. 4 ff. und vom 10. Januar 2006 – BVerwG 6 P 10.04 – Buchholz 251.0 § 84 BaWü PersVG Nr. 1 Rn. 10). Im vorliegenden Fall liegt es aber wegen § 86 Nr. 9 BPersVG anders. Danach sind die Beteiligungsrechte des Personalrats im Bereich des Bundesnachrichtendienstes ohnehin auf ein Mitwirkungsrecht begrenzt. Hier verlieren die speziellen Mitbestimmungstatbestände im Verhältnis zu § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG ihre sonst gegebene Trennschärfe. Jedenfalls gilt dies für die oben genannten, vom Antragsteller geltend gemachten Beteiligungsrechte. Sie gestatten dem Antragsteller keine Einwendungen, die er nicht auch bei Wahrnehmung seines Mitwirkungsrechts nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG vorbringen kann. Inhaltlich erstreckt sich die Beteiligung des Antragstellers beim Erlass der Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen im Wesentlichen darauf, ob die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes gewahrt bleiben. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Antragsteller dazu im Rahmen seiner Mitwirkung nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG umfassend vorträgt. Eines Rückgriffs auf die genannten Mitbestimmungstatbestände bedarf es dazu nicht.
b) Allerdings vermag die Mitwirkung nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG weitere, aus speziellen Mitbestimmungstatbeständen hergeleitete Beteiligungsrechte nicht zu verdrängen, soweit diese speziellen Beteiligungstatbestände sich als Gruppenangelegenheit darstellen. In einer solchen Angelegenheit sind nach gemeinsamer Beratung nur die Gruppenvertreter im Personalrat zur Beschlussfassung berufen (§ 38 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Kann ein bestimmtes Beteiligungsrecht nur als Gruppenangelegenheit wahrgenommen werden, so hat es eigenständige Bedeutung gegenüber dem Mitwirkungsrecht nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG, welches vom Personalrat – wie im vorliegenden Fall – als gemeinsame Angelegenheit im Sinne von § 38 Abs. 1 BPersVG verfolgt werden kann. Dies kommt jedoch hier nicht zum Tragen, weil der Erlass der Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen eine gemeinsame Angelegenheit ist.
aa) Freilich wird in der Kommentarliteratur zum Bundespersonalvertretungsgesetz die Auffassung vertreten, dass die Mitbestimmung beim Inhalt von Personalfragebogen für Arbeitnehmer nach § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG einerseits und die Mitbestimmung beim Inhalt von Personalfragebogen für Beamte nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BPersVG andererseits Gruppenangelegenheiten sind, und zwar auch dann, wenn der Dienststellenleiter beabsichtigt, einen für beide Gruppen inhaltsgleichen Fragebogen zu entwickeln (vgl. Faber, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 38 Rn. 15 und 22; Rehak, ebd., § 76 Rn. 90; Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 5. Auflage 2004, § 38 Rn. 7 f.; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Bd. V, K § 38 Rn. 6 und 10 f., K § 75 Rn. 97a sowie K § 76 Rn. 40; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 10. Auflage 2004, § 75 Rn. 144, § 76 Rn. 25). Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Nach der Senatsrechtsprechung liegt eine gemeinsame Angelegenheit vor, wenn die vom Dienststellenleiter beabsichtigte Maßnahme die Interessen aller in der Dienststelle vertretenen Gruppen unmittelbar berührt (vgl. Beschlüsse vom 21. Dezember 1984 – BVerwG 6 P 35.82 – Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 35 S. 31, vom 29. Oktober 2002 – BVerwG 6 P 5.02 – Buchholz 252 § 2 SBG Nr. 4 S. 33 und vom 21. Dezember 2006 – BVerwG 6 PB 17.06 – Buchholz 251.91 § 39 SächsPersVG Nr. 1 Rn. 16). Die Abgrenzung erfolgt daher nicht norm-, sondern maßnahmebezogen. Sie beurteilt sich nach dem sachlichen Gehalt der vom Dienststellenleiter beabsichtigten Maßnahme (vgl. Beschluss vom 10. April 1984 – BVerwG 6 P 10.82 – Buchholz 238.38 § 36 RPPersVG Nr. 1 S. 2). Unterschiedliche Mitbestimmungstatbestände hindern die Behandlung als gemeinsame Angelegenheit nicht, solange diese Tatbestände Schnittmengen aufweisen, welche eine gruppenübergreifende Maßnahme und Beteiligung erlauben. Insofern gilt nichts anderes als für die materiellen Normen, welche den Inhalt der Mitbestimmung steuern. Nach einhelliger Auffassung ist die arbeitszeitbezogene Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG häufig oder typischerweise eine gemeinsame Angelegenheit, obwohl das zugrundeliegende Arbeitszeitrecht – bei Beamten Gesetz und Verordnung, bei Arbeitnehmern Tarifvertrag – unterschiedlicher Natur ist.
bb) Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem unterschiedlichen Mitbestimmungsniveau nach § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG einerseits und nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BPersVG andererseits. Es trifft zwar zu, dass die Mitbestimmung im Bereich der Arbeitnehmer zu einer verbindlichen Entscheidung der Einigungsstelle führt, während diese im Bereich der Beamten lediglich eine Empfehlung an die oberste Dienstbehörde ausspricht, welche zur endgültigen Entscheidung berufen ist (§ 69 Abs. 4 Satz 3 und 4, § 71 Abs. 4 Satz 2 BPersVG). Diese mögliche Differenzierung auf der letzten personalvertretungsrechtlichen Entscheidungsebene ändert nichts daran, dass die Maßnahme vom Dienststellenleiter als gruppenübergreifende geplant und durchgesetzt werden kann. Eine mögliche gruppenspezifische Lösung am Ende des Mitbestimmungsverfahrens gebietet nicht, die Angelegenheit von Anfang an als Gruppenangelegenheit zu behandeln, zumal in vielen Fällen beide Partner der Dienststellenverfassung eine gemeinsame Lösung anstreben.
Abgesehen davon greift der Gedanke des unterschiedlichen Beteiligungsniveaus hier schon deswegen nicht durch, weil § 86 Nr. 9 BPersVG die Beteiligung einheitlich auf Mitwirkung festschreibt.
cc) Nach diesem Maßstab ist der Erlass der Dienstvorschrift zur Abgabe von Schuldenerklärungen eine gemeinsame Angelegenheit. Denn die Dienstvorschrift richtet sich an jeden Mitarbeiter und damit unterschiedslos an die Angehörigen aller drei in der Dienststelle vertretenen Gruppen (Arbeitnehmer, Beamte, Soldaten).
Unterschriften
Dr. Hahn, Büge, Dr. Graulich, Vormeier, Dr. Bier
Fundstellen
PersV 2008, 342 |
ZfPR 2009, 10 |