Verfahrensgang
VG Dessau (Urteil vom 22.03.2001; Aktenzeichen 2 A 1237/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 22. März 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 090 EUR festgesetzt.
Gründe
Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) lassen sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Zu Unrecht hält der Kläger die von ihm aufgeworfenen Fragen in diesem Sinne für zulassungseröffnend.
Der Kläger macht als Erbe die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung seiner Eltern geltend, um daraus Rückübertragungsansprüche an einem landwirtschaftlichen Betrieb herleiten zu können. Seine entsprechenden Anträge nach dem Vermögensgesetz sind bestandskräftig abgelehnt worden.
Nach Ansicht des Klägers hängt die Entscheidung des Rechtsstreits im Rehabilitierungsverfahren von einer Reihe von Rechtsfragen ab, die das Verhältnis des Vermögensgesetzes zum verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz im hier vorliegenden Fall einer Enteignung auf „besatzungshoheitlicher Grundlage”, die in den Jahren bis zur Gründung der DDR abgeschlossen worden ist, betreffen.
Zur Beantwortung dieser Fragen bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil die diesbezügliche Rechtslage durch die schon vorliegende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als hinreichend geklärt erscheint. Der Senat hat zuletzt in dem Beschluss vom 11. April 2002 – BVerwG 3 B 16.01 – zusammenfassend zu der vom Kläger aufgezeigten Problematik ausgeführt:
„Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwRehaG der gemäß § 12 VwRehaG zuständigen (Rehabilitierungs-) Behörde die Aufgabe übertragen, nach Eingang eines Antrags auf Aufhebung einer rechtsstaatswidrigen Verwaltungsentscheidung zunächst darüber zu befinden, ob auf die jeweils in Rede stehende Maßnahme überhaupt das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz Anwendung findet. Das ist nicht der Fall, wenn entweder die Voraussetzungen des Satzes 2 oder die des Satzes 3 des § 1 Abs. 1 VwRehaG erfüllt sind. Dementsprechend hat der Senat im Urteil vom 23. August 2001 (BVerwG 3 C 39.00 – VIZ 2002, 25) in Auslegung einzig des § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG erkannt, eine allein als zielgerichteter Zugriff auf einen Vermögensgegenstand und nicht als Nebenfolge eines grob rechtsstaatswidrigen Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre zu beurteilende hoheitliche Maßnahme der DDR-Behörden werde mit der Folge im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG vom Vermögensgesetz erfasst, dass eine Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausgeschlossen ist.
Der Beschwerdeführer geht davon aus, dass die Enteignungsmaßnahmen im Zuge der Bodenreform vor allem auf die politische Verfolgung der Betroffenen zielten und deshalb nicht vom Vermögensgesetz erfasst werden. Das Bundesverfassungsgericht neigt ebenfalls dieser Auffassung zu (vgl. Beschluss vom 9. Januar 2001 – BVerfG 1 BvL 6.00 u.a. – VIZ 2001, 228, 230). Doch mag das auf sich beruhen. Letztlich kommt es hierauf nicht entscheidend an. Sollte nämlich eine solche Enteignungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG vom Vermögensgesetz erfasst werden, scheiterte eine Rückgabe an § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG. Sollte dagegen nicht schon § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG eine Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausschließen, würde ein solcher Anwendungsausschluss durch § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG begründet.
In Zusammenhang der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Senat hierzu in seinem Urteil vom 21. Februar 2002 – BVerwG 3 C 16.01 – im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Durch die Verweisung in § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG auf § 1 Abs. 8 VermG wird die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes u.a. für ‚Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage’ (Buchstabe a) ausgeschlossen. Hierunter fallen – jedenfalls auch – Enteignungsmaßnahmen, welche die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG erfüllen. § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG stellt – wie gesagt – nicht etwa nur klar, dass zu den nach § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG vom Vermögensgesetz erfassten und daher vom Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz ausgenommenen Fallgruppen auch jene des § 1 Abs. 8 VermG gehören. Einer solchen Bestimmung hätte es nicht bedurft. Die Vorschrift bringt vielmehr zum Ausdruck, dass Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage – abgesehen von der noch zu erörternden Fallgruppe des § 1 Abs. 7 VermG – unter keinen Umständen rückgängig zu machen sind, gleichgültig, welchem der hier in Rede stehenden Gesetze sie ohne diese Ausschlussklausel unterfallen würden. Die Tatsache, dass es sich bei der vermögensrechtlichen Restitution und der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung nebst vermögensrechtlichen Folgeansprüchen um zwei getrennte Sach- und Normbereiche handelt, steht der angeführten Gemeinsamkeit nicht entgegen.
Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes bestätigt. In der Regierungsbegründung zu § 1 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs heißt es u.a. (BTDrucks 12/4994, S. 23):
‚Damit werden im Wesentlichen zwei große Enteignungsaktionen aus dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes und der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung ausgeschlossen: Die entschädigungslosen Enteignungen im Bereich der Industrie zugunsten der Länder der ehemaligen SBZ bzw. im Rahmen der so genannten demokratischen Bodenreform. Diese Rechtslage ist entscheidend auf die Haltung der Sowjetunion zurückzuführen, nach der die unter ihrer Besatzungshoheit (1945 – 1949) durchgeführten Enteignungsmaßnahmen völkerrechtlich nicht zur Disposition der beiden deutschen Staaten stünden und als solche unangetastet bleiben müssten. Dies war auch im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zu beachten.’
Dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz liegt also die Vorstellung zugrunde, dass die beiden Enteignungsaktionen Verfolgungsunrecht darstellten und daher ohne eine spezielle Ausschlussklausel nach dem neuen Gesetz zu rehabilitieren waren (vgl. Wasmuth, BIZ 2002, 134 ≪140 f.≫).
Durch den Schriftsatz der Beschwerde vom 3. April 2002 sieht sich der Senat zu folgender zusätzlicher Bemerkung veranlasst: Die Gesetzesmaterialien belegen den Willen des Gesetzgebers, Enteignungen im Zuge der Bodenreform vom Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes auszunehmen, in völliger Eindeutigkeit. Die gesetzgebenden Körperschaften haben die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG auf Vorschlag der Bundesregierung und auf der Grundlage der von ihr hier zu erarbeitenden Begründung unverändert beschlossen. Ziel und Absicht dieser Regelung lassen sich somit allein aus der schriftlichen Begründung des Regierungsentwurfs ermitteln. Selbst wenn sich einzelne Beamte, die an der Abfassung der Begründung beteiligt waren – wie die Beschwerde behauptet – hiervon später distanziert haben sollten, würde dies den Willen des historischen Gesetzgebers nicht umzustoßen oder auch nur zu relativieren vermögen. Der Senat schließt sich insoweit der namentlich von Wasmuth (VIZ 2002, 134 ≪141≫) mit folgenden Worten vertretenen Ansicht an: ‚Wollten die Verwaltungsgerichte wegen ihres Verfolgungscharakters auch für die verwaltungsrechtlichen Vermögensschädigungen der Boden- und Wirtschaftsreform eine Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes annehmen und damit die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG leerlaufen lassen, stünde eine solche Entscheidungspraxis im offenen Widerspruch zum erklärten Willen des Gesetzgebers, der wegen seiner Eindeutigkeit auch nicht mit den Mitteln der Rechtsfortbildung ausgehebelt werden kann.’
Dem Beschwerdeführer hilft es auch nicht, dass die vorstehend erörterte Ausschlussregelung Ansprüche nach § 1 Abs. 7 VermG (u.a.) ‚unberührt’ lässt (§ 1 Abs. 8 Buchstabe a Halbsatz 2 VermG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG). Diese Klausel ermöglicht zwar die Rückgabe auch solcher Vermögenswerte, die auf besatzungsrechtlicher oder -hoheitlicher Grundlage entzogen worden waren, setzt aber die Aufhebung der Wegnahmeentscheidung nach anderen Vorschriften voraus. Eine solche kommt aber nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz aufgrund der Ausschlussregelung gerade nicht in Betracht. Kann hier aber eine Aufhebung nicht erfolgen, so kann sich auch die Verweisung in § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG nur auf den uneingeschränkten Ausschlusstatbestand beziehen, also auf § 1 Abs. 8 Buchstabe a Halbsatz 1 VermG. Eine Rehabilitierung der hier in Rede stehenden Fallgruppen nach den Regeln des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ist danach bereits dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen nach eindeutig ausgeschlossen (vgl. Beschluss vom 8. April 1998 – BVerwG 7 B 7.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 149, S. 452).
Die vorstehenden Ausführungen schließen die Feststellung ein, dass zu den Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage auch jene zu zählen sind, die im Zuge der Bodenreform erfolgt sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. April 1991 – BVerfG 1 BvR 1170, 1174, 1175/90 – BVerfGE 84, 90, 114). Auch, und gerade für sie hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG in Wiederholung der Regelung in Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 einen Anspruch eines Geschädigten auf Rückübertragung eines enteigneten Vermögenswertes ausschließt (vgl. zusammenfassend Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 28.94 – BVerwGE 99, 268, 269). Nichts anderes gilt im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG. Die Vereinbarungen zwischen den beiden deutschen Regierungen lassen nicht den geringsten Zweifel zu, dass sich die von Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung erfassten, nicht mehr rückgängig zu machenden Enteignungen vor allem auf die Vermögensentschädigungen im Rahmen der Bodenreform beziehen (Wasmuth, VIZ 1999, 633 ≪639≫). Der Anspruchsausschluss hängt – wie bereits ausgeführt – nicht davon ab, ob Ansprüche im Gefolge einer Bodenreformenteignung dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes oder des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zuzuordnen sind. Der Gesetzgeber hat sich nämlich dafür entschieden, Entschädigungs- bzw. Rehabilitierungsleistungen insoweit nicht nach Maßgabe eines dieser beiden Gesetze zu gewähren.”
Daran hält der Senat fest. Die Beschwerdebegründung einschließlich der Ausführungen im Schriftsatz vom 7. Mai 2002 enthalten keine Argumente, die dem Senat nicht bereits bei den früheren Entscheidungen bekannt waren und von ihm berücksichtigt worden sind.
2. Die von dem Kläger hilfsweise erhobenen Divergenzrügen nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO greifen nicht durch. Zwar ist richtig, dass ihre Zulässigkeit nicht schon deshalb zu verneinen ist, weil die die Rechtsfragen klarstellenden Entscheidungen des Senats nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangen sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar § 132 Nr. 17). Darauf kommt es aber nicht an, denn die Rügen genügten von vornherein nicht den an ihre ordnungsgemäße Geltendmachung zu stellenden Anforderungen.
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18); für behauptete Abweichungen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes gilt Entsprechendes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1994 – BVerwG 11 B 116.93 – Buchholz 442.16 § 15 b StVZO Nr. 22). Das Aufzeigen fehlerhafter oder unterbliebener Anwendung von Rechtssätzen aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1996 (VIZ 1996, 325 ≪331≫), dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. November 1999 (NJW 2000, 413 ≪416≫) und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 1996 (VIZ 1996, 706 ≪707≫) genügt dieser Anforderung nicht. Von weiteren Ausführungen hierzu sieht der Senat unter Hinweis auf § 133 Abs. 5 Satz 2 (2. Halbsatz) VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel
Fundstellen