Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehinderte. unentgeltliche Beförderung. Fahrgeldausfälle. Erstattung im Nahverkehr. Schwerbehindertengesetz. Erstattung von Fahrgeldausfällen
Leitsatz (amtlich)
Die Regelungen des § 62 Abs. 1, 5 SchwbG über die Erstattung von Fahrgeldausfällen wegen der unentgeltlichen Beförderung von Schwerbehinderten begegnen keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln.
Normenkette
SchwbG § 62 Abs. 1, 5; PBefG § 45a Abs. 2
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.08.2002; Aktenzeichen 7 A 10394/02) |
VG Koblenz (Entscheidung vom 05.12.2001; Aktenzeichen 5 K 1049/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. August 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 879,50 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde kann nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen werden. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, „ob die Erstattungsregelung in § 62 Abs. 1 und 5 SchwbG (jetzt: § 148 Abs. 1 und 5 SGB IX) mit dem Grundrecht des befördernden Unternehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG auch dann vereinbar ist, wenn (kumulativ) – der nach Maßgabe von § 62 Abs. 5 SchwbG (jetzt: § 148 Abs. 5 SGB IX) zu gewährende Erstattungsbetrag pro Kopf den ansonsten erzielten Mindestfahrpreis tatsächlich erheblich unterschreitet, und – ein innerbetrieblicher Restausgleich daran scheitert, dass das befördernde Unternehmen außer schwerbehinderten Menschen im Wesentlichen nur noch Schüler befördert, von denen aufgrund § 45 a PBefG nur abgesenkte Beförderungsentgelte gefordert werden können, und – die Fahrgastnachfrage der schwerbehinderten Menschen so groß ist, dass das befördernde Unternehmen den rentabilitätsmindernden Auswirkungen der Schwerbehindertenbeförderung auch durch Reduzierung seines verkehrlichen Angebots nicht begegnen kann”, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Einer Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung steht allerdings nicht schon entgegen, dass es sich bei der als verfassungswidrig angegriffenen Bestimmung um auslaufendes Recht handelt, denn die aufgeworfene Frage stellt sich in gleicher Weise bei der Nachfolgebestimmung des § 62 SchwbG in § 148 SGB IX (vgl. Beschlüsse vom 9. September 1988 – BVerwG 4 B 37.88 – Buchholz 406.13 ROG Nr. 2, vom 20. Juli 1994 – BVerwG 8 B 92.94 –, vom 28. Oktober 1994 – BVerwG 8 B 159.94 – und vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9).
Der Senat stellt bei seiner Entscheidung auch nicht auf den Gesichtspunkt ab, dass eine Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden kann, wenn das Berufungsgericht eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Rechtsfrage in dem erstrebten Revisionsverfahren erheblich sein würde, vielmehr lediglich die Möglichkeit besteht, dass sie nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht aufgrund weiterer Sachverhaltsaufklärung entscheidungserheblich werden kann (BVerwG, Beschluss vom 5. September 1996 – BVerwG 9 B 387.96 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 Nr. 12 ≪im Anschluss an Buchholz 310 § 132 VwGO Nrn. 76 und 309≫); unter diesem Gesichtspunkt bestehen hier deshalb zumindest Bedenken, weil die von dem Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen bestimmte tatsächliche Voraussetzungen enthalten, die von den nicht mit Sach- oder Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die das Bundesverwaltungsgericht im Falle einer Zulassung der Revision gebunden wäre (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht getragen werden. Dies bedarf hier jedoch keiner weiteren Darlegung, weil der Senat auf diesen Gesichtspunkt nicht abstellt.
Der Senat lässt auch offen, ob in den Fällen, in denen sich – wie hier – die grundsätzliche Bedeutung allein aus der behaupteten Verfassungswidrigkeit einer Norm des Bundesrechts ergeben soll, die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sich allein auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zu den als Kontrollmaßstab herangezogenen Regelungen des Grundgesetzes – hier also Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 GG – zu beziehen hat (so für die Verfassungsgemäßheit irrevisiblen Landesrechts BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2000 – BVerwG 6 BN 2.99 – Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 334) – woran es hier fehlt –, oder ob bei revisiblen Normen des Bundesrechts zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung die bloße Behauptung der Verfassungwidrigkeit genügt. Denn die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage bedarf keiner Prüfung in einem Revisionsverfahren, weil auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens und der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 62 SchwbG bestehen (zum Prüfungsmaßstab s. BVerwG, Beschluss vom 29. September 1998 – BVerwG 5 B 82.97 – Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 18).
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 68, 155 ≪170≫) ist geklärt, dass die Indienstnahme Privater zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe als eine verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenkliche Berufsausübungsregelung zu beurteilen ist, deren Zulässigkeit an Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG zu messen ist. Eine solche Berufsausübungsregelung muss auch Ungleichheiten berücksichtigen, die typischerweise innerhalb des Berufs bestehen, dessen Ausübung geregelt wird. Durch eine insgesamt verfassungsgemäße Berufsausübungsregelung kann Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein, wenn innerhalb der betroffenen Berufsgruppe nicht nur einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle, sondern bestimmte, wenn auch zahlenmäßig begrenzte Gruppen typischer Fälle ohne zureichende sachliche Gründe wesentlich stärker als andere belastet werden (BVerfG, a.a.O., S. 173).
Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung auf dieser Grundlage die Erstattungsregelung in § 60 Abs. 1 und 4 des Schwerbehindertengesetzes 1979 mit der Maßgabe als mit dem Grundgesetz vereinbar erkannt, dass auch für die bis zum 31. März 1984 geltende Erstattungsregelung eine ergänzende Regelung für solche Härtefälle, in denen die betroffenen Verkehrsunternehmen in außergewöhnlichem Umfang schwerbehinderte Fahrgäste ohne finanziellen Ausgleich befördern mussten und dadurch erhebliche Fahrgeldeinbußen zu verzeichnen hatten, vorzusehen gewesen wäre, wie sie der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. April 1984 mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1532) durch Einfügung eines § 60 Abs. 5 SchwbG geschaffen hatte, dessen Wortlaut § 62 Abs. 5 SchwbG in der im Berufungsverfahren anzuwendenden Fassung entspricht. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt (a.a.O., S. 171 f.), dass die Beförderungspflicht und ihre Verknüpfung mit einer pauschalen Erstattung der Fahrgeldausfälle als Berufsausübungsregelung den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügt und eine Erfassung und Anrechnung der tatsächlichen Fahrgeldausfälle von Verfassungs wegen nicht geboten ist, der Gesetzgeber sich vielmehr auf eine typisierende Abgeltung der Fahrgeldeinbußen beschränken kann, wie sie § 62 Abs. 5 SchwbG zur Berücksichtigung eines überdurchschnittlichen Anteils unentgeltlich zu befördernder, schwerbehinderter Fahrgäste vorsieht. Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber auch bei einem überdurchschnittlichen Anteil unentgeltlich zu befördernder Fahrgäste nicht verpflichtet ist, dem Verkehrsunternehmer den vollen Fahrpreisausfall auf der Grundlage einer fiktiven Beförderung unter Nutzung eines Einzelfahrscheines zu erstatten.
Die Berechnungsformel für den Härteausgleich nach § 62 Abs. 5 SchwbG stellt sicher, dass sich bei der Berechnung der Erstattung des Fahrgeldausfalles ein überdurchschnittlich hoher Anteil an unentgeltlich zu befördernden Schwerbehinderten unmittelbar auf die absolute Höhe des Erstattungsanspruchs auswirkt: Je höher der Anteil der wegen Schwerbehinderung unentgeltlich zu befördernden Fahrgäste an der Gesamtzahl der Fahrgäste ist, desto höher fällt hiernach die Erstattungsleistung aus. Nach der vom Berufungsgericht bezeichneten Formel zur Berechnung des zu erstattenden Fahrgeldausfalles, die im Einklang mit § 62 Abs. 5 SchwbG auf das Verhältnis zwischen den unentgeltlich beförderten Fahrgästen und den sonstigen Fahrgästen abstellt, besteht insoweit ein linearer Zusammenhang. Für die verfassungsrechtliche Prüfung keine andere Beurteilung ergäbe sich bei einer Berechnung, nach der bei wachsendem Anteil unentgeltlich zu befördernder Schwerbehinderter zwar der absolute Erstattungsbetrag stiege, indes der relative Erstattungsbetrag (Erstattungsbetrag je unentgeltlich beförderter schwerbehinderter Person) sänke. Ein relativ sinkender Erstattungsbetrag je befördertem Schwerbehinderten bei wachsendem Anteil schwerbehinderter Personen am Gesamtfahrgastaufkommen begründete für sich allein noch keine ernsthaften verfassungsrechtlichen Zweifel. Wegen des im öffentlichen Personennahverkehr hohen Anteils der Fixkosten (Personal, Transportmittel) an den Gestehungskosten und der hieraus folgenden Abhängigkeit der relativen Beförderungskosten (je Fahrgast) von der Auslastung kann in diesem Bereich nicht durchweg von gleich bleibenden (absoluten) Aufwendungen je befördertem Fahrgast ausgegangen werden.
Die nach Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG zu stellenden Anforderungen an die Höhe und den Berechnungsmodus der Erstattungsleistung im Rahmen der Härteklausel des § 62 Abs. 5 SchwbG sind dieselben wie für die Erstattungsregelung in § 62 Abs. 5 SchwbG. Die im ganzen auch aus der Sicht der Klägerin verfassungsrechtlich unbedenklichen Regelungen zur Höhe und zum Berechnungsmodus wären daher nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur zu beanstanden, wenn innerhalb der betroffenen Berufsgruppe nicht nur einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle, sondern bestimmte, wenn auch zahlenmäßig begrenzte Gruppen typischer Fälle ohne zureichende sachliche Gründe wesentlich stärker als andere belastet würden. Soweit eine solche Gruppe typischer Fälle – abgesehen von der gemeinsamen Besonderheit, dass in außergewöhnlichem Umfang schwerbehinderte Fahrgäste unentgeltlich befördert werden mussten – erst durch das Hinzutreten weiterer Besonderheiten entsteht, käme eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG nur in Betracht, wenn diesen weitere, zusätzlich belastenden Umständen nicht anderweitig Rechnung getragen werden könnte und der Gesetzgeber daher gehalten wäre, dieser Mehrbelastung gerade durch eine – wie auch immer berechnete – Erhöhung der Erstattungsleistungen nach § 62 SchwbG Rechnung zu tragen. Dass dies vorwiegend der Fall sein könnte, lässt sich nicht feststellen.
Es ist schon nicht ersichtlich, dass die kumulierten Besonderheiten, aus deren Zusammentreffen die Beschwerde die verfassungsrechtlichen Bedenken herleitet (Unterschreitung des ansonsten erzielten Mindestfahrpreises durch die Pauschale, hoher Anteil der Schülerbeförderung und hohe Nachfrage nach Verkehrsleistungen gerade durch schwerbehinderte Menschen, die einer Reduktion des Verkehrsangebotes zur Rentabilitätssteigerung entgegenstehen), nicht nur einen aus dem Rahmen fallenden Sonderfall, sondern eine bestimmte, wenn auch zahlenmäßig begrenzte Gruppe typischer Fälle betreffen, die den Gesetzgeber von Verfassungs wegen zu einer weiteren Differenzierung hätten veranlassen müssen. Das Beschwerdevorbringen verhält sich zwar zu der besonderen Fahrgastsituation in reinen Kurstädten, nicht aber zu dem zusätzlichen Faktor „hoher Schüleranteil” und den unzureichenden Reaktionsmöglichkeiten des Verkehrsunternehmers bei der Gestaltung des Verkehrsangebotes.
Hinsichtlich der geltend gemachten Besonderheit eines hohen Anteils an Personen, die als Schüler im Rahmen des Ausbildungsverkehrs befördert werden, weist der Kläger im Ansatz zutreffend darauf hin, dass die ihrerseits nicht auf einen vollständigen Kostenausgleich gerichteten Ausgleichszahlungen nach § 45 a PBefG nicht den Fahrgeldeinnahmen nach § 62 Abs. 2 SchwbG unterfallen; dies wirkt sich bei einem hohen Anteil von Personen, die im Ausbildungsverkehr zu befördern sind, rechnerisch mindernd auf die Höhe der Erstattungsleistung nach § 62 SchwbG aus, und erschwert es dem Verkehrsunternehmer, der ihm grundsätzlich zumutbaren Aufgabe (BVerwGE 69, 104, 107) nachzukommen, den rentabilitätsmindernden Auswirkungen der ihm auferlegten öffentlichen Last der Fahrpreisermäßigung im Ausbildungsverkehr durch „interne Subventionierung” zu begegnen. Dies begründet indes noch keinen ernsthaften verfassungsrechtlichen Zweifel an der Erstattungsregelung des § 62 SchwbG insgesamt oder an der Nichtberücksichtigung der Ausgleichszahlungen nach § 45 a PBefG in § 62 Abs. 2 SchwbG. Das Personenbeförderungsrecht eröffnet nämlich Gestaltungsmöglichkeiten, welche dem im Bereich des Ausbildungsverkehrs möglichen Zielkonflikt zwischen Eigenwirtschaftlichkeit und öffentlichem Interesse, soweit es die Wechselwirkungen zwischen dem Ausbildungsverkehr und der unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Personen betrifft, innerhalb des Ausbildungsverkehrs Rechnung tragen.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 1987 – BVerwG 7 B 30.87 – Buchholz 442.01 § 45 a PBefG Nr. 1) ist geklärt, dass aufgrund der durch Gesetz vom 24. August 1976 (BGBl I S. 2439) eingeführten Regelung des § 45 a PBefG der Verkehrsunternehmer für die aus sozialpolitischen Gründen erwünschte Verbilligung der Beförderungsentgelte im Ausbildungsverkehr teilweise einen Ausgleich durch die öffentliche Hand erhalten soll, aber nur unter der Voraussetzung, dass er seiner Obliegenheit zu eigenwirtschaftlichem Verhalten nachkommt. Um eine übermäßige öffentliche Subventionierung des Ausbildungsverkehrs zu vermeiden, hält § 45 a Abs. 1 Nr. 2 PBefG den Unternehmer an, durch einen Antrag auf Anpassung der Tarife an die Ertrags- und Kostenlage selbst dafür Sorge zu tragen, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen betriebswirtschaftlichen und sozialpolitischen Erfordernissen hergestellt werden kann. Ist ihm dies bei der Tarifbildung außerhalb des Ausbildungsverkehrs wegen der Marktverhältnisse (unter Berücksichtigung einer verkehrspolitisch unerwünschten Abdrängung eines Teiles der Fahrgäste zum Individualverkehr) nicht möglich, etwa weil er sein Tarifniveau zum Ausgleich der Mindereinnahmen aus dem Ausbildungsverkehr bereits auf eine Höhe gebracht hat, die eine Überlastung der Fahrgäste erkennbar gemacht hat, ist bei der Tarifbildung eine Abschmelzung der Vergünstigungen im Ausbildungsverkehr bis dahin möglich, dass vom Verkehrsunternehmer eine Schülerermäßigung, die noch ins Gewicht fällt, nicht mehr verlangt werden kann (BVerwGE 69, 104 ≪108≫).
Die hiernach personenbeförderungsrechtlich eröffneten Reaktionsmöglichkeiten des Verkehrsunternehmers gegenüber rentabilitätsmindernden Auswirkungen des Ausbildungsverkehrs schließen es aus, zur Vermeidung einer gleichheitswidrigen Überlastung einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Veränderung der Erstattungsregelungen des § 62 SchwbG – sei es der Härteklausel des § 62 Abs. 5 SchwbG, sei es der Legaldefinition der Fahrgeldeinnahmen nach § 62 Abs. 2 SchwbG – anzunehmen. Dass der Gesetzgeber die erhöhte Belastung aus dem Zusammentreffen eines hohen Anteils unentgeltlich zu befördernder Schwerbehinderter und eines hohen Anteils des Ausbildungsverkehrs durch eine Berücksichtigung der Ausgleichszahlung nach § 45 a PBefG in § 62 Abs. 2 SchwbG hätte mildern können, wäre für die verfassungsrechtliche Beurteilung nur erheblich, wenn der Gesetzgeber diesen Weg – zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes in § 62 Abs. 2 SchwbG – hätte beschreiten müssen. Dies ist nicht zu erkennen.
Die mit der Beschwerde weiter geltend gemachte Besonderheit, dass wegen der hohen Beförderungsnachfrage den rentabilitätsmindernden Auswirkungen der unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen nicht durch eine Reduktion des Beförderungsangebotes begegnet werden könne, begründet ebenfalls keine ernsthaften verfassungsrechtlichen Zweifel der Erstattungsregelung des § 62 Abs. 1, 2 oder 5 SchwbG. §§ 60 ff. SchwbG regeln allein die unentgeltliche Nutzung eines vorhandenen Verkehrsangebotes durch schwerbehinderte Personen und die dem Verkehrsunternehmer hierfür zu gewährende Erstattung, nicht jedoch Art oder Umfang des vorzuhaltenden Verkehrsangebotes selbst. Dieses bestimmt sich nach der erteilten Genehmigung (§§ 13, 13 a PBefG i.V.m. der an die Genehmigung anknüpfenden Betriebspflicht des § 21 PBefG), bei der die Befriedigung öffentlicher Verkehrsinteressen im Vordergrund steht (§ 8 Abs. 3, § 13 Abs. 2, § 21 Abs. 3 PBefG); die Belange schwerbehinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung sind dabei nach § 8 Abs. 3 Satz 3 PBefG im Rahmen des vom Aufgabenträger aufzustellenden Nahverkehrsplanes mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs eine möglichst weitgehende Barrierefreiheit zu schaffen, beziehen sich also nicht auf Vorgaben für die Art und den Umfang des Verkehrsangebotes selbst. Der Ausgleich zwischen den öffentlichen Verkehrsinteressen und dem anerkannten Interesse des Verkehrsunternehmers an einem wirtschaftlichen Betrieb hat dabei nach den Bestimmungen des Personenbeförderungsrechts, u.a. bei der Zustimmung der zuständigen Behörde zu den Beförderungsentgelten (§ 39 Abs. 2 PBefG), zu erfolgen. Das Personenbeförderungsrecht enthält dabei auch Vorkehrungen, um einer wirtschaftlichen Überlastung des Verkehrsunternehmers durch ihm auferlegte Betriebs-, Beförderungs- oder Tarifpflichten zu begegnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
Haufe-Index 924082 |
NDV-RD 2003, 73 |
ZfSH/SGB 2003, 412 |
br 2003, 158 |
DVBl. 2003, 1010 |