Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 24.07.2009; Aktenzeichen 7 D 2/09.NE) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf sämtliche Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Rz. 3
a) Die Beschwerde hält (sinngemäß) für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
ob es mit dem planerischen Abwägungsgebot vereinbar ist, in einem verkehrsbelasteten Gebiet, in dem die einschlägigen Grenzwerte schon im Bestand nahezu erreicht und die Orientierungswerte der DIN 18005 um mehr als 10 dB(A) überschritten werden, eine Nutzung zu planen, die zu zusätzlichen, nicht sicher prognostizierbaren Lärmbelastungen führt, wenn die Lärm verursachende Nutzung ohne Nachteile für die Öffentlichkeit auch an anderer Stelle ausgeführt werden könnte.
Rz. 4
Diese Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Die Behauptung der Beschwerde, die Lärm verursachende Nutzung (durch das Vorhaben der Beigeladenen) könne ohne Nachteile für die Öffentlichkeit auch an anderer Stelle ausgeführt werden, findet in den tatsächlichen Feststellungen des Normenkontrollgerichts keine Stütze. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass sich in dem von der Änderungsplanung erfassten Bereich ein brachliegendes Anwesen befinde, dessen rückwärtige Grundstücksbereiche “untergenutzt” seien; diese Erwägungen trügen das Konzept der Antragsgegnerin, den Bebauungsplan zu ändern, der in seiner Ursprungsfassung zwar ebenfalls eine Aufwertung des Änderungsbereichs habe bewirken sollen, jedoch – offenbar mangels entsprechender Investitionsbereitschaft – keine Umsetzung erfahren habe; die Antragsgegnerin habe daher die Interessen der Beigeladenen auf Vereinbarkeit mit ihrem städtebaulichen Handlungskonzept prüfen und in die Planänderung aufnehmen dürfen, um so ihrer Zielsetzung näher zu kommen, den Änderungsbereich einer entsprechenden Nutzungsentwicklung zuzuführen (UA S. 23 f.). Das Normenkontrollgericht hat damit Gründe benannt, die der Behauptung des Antragstellers widersprechen. Aber auch unabhängig davon ist die aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass Lärmbelästigungen nicht erst dann abwägungsbeachtlich sind, wenn sie als schädliche Umwelteinwirkungen zu qualifizieren sind oder gar die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung überschreiten (Beschluss vom 8. Juni 2004 – BVerwG 4 BN 19.04 – BRS 67 Nr. 19). Die Werte der DIN 18005-1 “Schallschutz im Städtebau” können zur Bestimmung der zumutbaren Lärmbelastung eines Wohngebiets im Rahmen einer gerechten Abwägung lediglich als Orientierungshilfe herangezogen werden; je weiter die Orientierungswerte der DIN 18005 überschritten werden, desto gewichtiger müssen allerdings die für die Planung sprechenden städtebaulichen Gründe sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern (Urteil vom 22. März 2007 – BVerwG 4 CN 2.06 – BVerwGE 128, 238 Rn. 15). Welche öffentlichen Belange und privaten Interessen konkret in die Abwägung einzustellen sind und welches Gewicht den miteinander konkurrierenden Belangen hierbei beizumessen ist, bleibt eine Frage des Einzelfalls, die sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung entzieht.
Rz. 5
Die Beschwerde möchte in diesem Zusammenhang noch klären lassen,
ob der (Lärm-) Konflikt durch einen städtebaulichen Vertrag gelöst werden kann, der nachts eine zusätzliche Lärmbelastung möglicherweise ausschließt, obwohl es sich nicht um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan handelt.
Rz. 6
Sie macht geltend, das Oberverwaltungsgericht verkenne, dass der städtebauliche Vertrag nur den Investor, nicht jedoch einen anderen Bauinteressenten binde. Soweit das Gericht den Rat der Antragsgegnerin für den Fall eines Investorwechsels für verpflichtet halte zu erwägen, ob aus städtebaulichen Gründen eine Planänderung in Betracht zu ziehen sei, könne dies nicht richtig sein, weil ein Bebauungsplan, der abwägungsfehlerfrei erlassen worden sei, vor seiner Realisierung nicht noch einmal überdacht und gegebenenfalls eingeschränkt werden müsse. Insoweit übersieht die Beschwerde, dass das Oberverwaltungsgericht den Einwand, es könne eine Nachfolgenutzung in Betracht zu ziehen sein, die auch nächtlichen Verkehr auslöse, aus zwei selbstständig tragenden Gründen zurückgewiesen hat. Es hat in erster Linie darauf abgestellt, dass eine Nachfolgenutzung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht im Raum gestanden habe; eine abwägungserhebliche Veränderung aufgrund einer Nachfolgenutzung sei für den Rat weder vorhersehbar noch prognostizierbar gewesen. “Darüber hinaus” würde die Antragsgegnerin gegebenenfalls zu erwägen haben, ob sie an dem Bebauungsplan unverändert festhielte oder aus städtebaulichen Gründen eine Bebauungsplanänderung in Betracht zu ziehen wäre (UA S. 28). In Bezug auf die erste, selbstständig tragende Erwägung zeigt die Beschwerde einen Grund für die Zulassung der Revision nicht auf. Schon aus diesem Grund kann ihre Rüge keinen Erfolg haben.
Rz. 7
b) Rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf sieht die Beschwerde schließlich hinsichtlich der Frage,
welche Anforderungen an eine – etwa im Wege eines Pflanzgebots durchsetzbare – Anpflanzung zu stellen sind, damit sie als ausreichende Berücksichtigung denkmalschutzrechtlicher Belange im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB bewertet werden kann.
Rz. 8
Die Beantwortung dieser Frage hängt ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Grundsatzrüge kann hierauf nicht mit Erfolg gestützt werden.
Rz. 9
2. Zur Zulassung der Revision führen auch die geltend gemachten Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht.
Rz. 10
a) Die Beschwerde macht einen Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend, weil das Oberverwaltungsgericht den vom Antragsteller im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu 1 zu der Frage, ob die Umplanung die in der Ursprungsfassung des Bebauungsplans vorgesehene Entlastung der Königstraße durch eine geänderte Verkehrsführung verhindere, als unerheblich abgelehnt habe. Ein Verfahrensfehler ist insoweit schon nicht schlüssig vorgetragen. Die Frage, ob im vorinstanzlichen Verfahren gegen die Pflicht zur Sachverhaltsermittlung verstoßen worden ist, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt des Gerichts der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt rechtlich verfehlt sein sollte (Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 m.w.N.). Insoweit räumt die Beschwerde selbst ein, dass die in der Ursprungsfassung des Bebauungsplans vorgesehene Verkehrsführung nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht abwägungsrelevant gewesen sei. Das Normenkontrollgericht hat sich nämlich auf den Standpunkt gestellt, dass die geplante Verkehrsführung nicht verwirklicht worden und eine Verkehrsminderung dementsprechend auch gar nicht eingetreten sei, weshalb die Antragsgegnerin abwägungsfehlerfrei von der derzeitigen tatsächlichen Verkehrsbelastung der Königstraße ausgegangen sei (UA S. 29). Ausgehend von diesem – mit Grundsatz- oder Divergenzrügen nicht angegriffenen – Rechtsstandpunkt war der Beweisantrag zu 1 des Antragstellers nicht entscheidungserheblich und konnte deshalb ohne Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO abgelehnt werden.
Rz. 11
b) Gleiches gilt, soweit die Beschwerde geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe durch die Ablehnung der Beweisanträge zu 2 Unterpunkte a und b zur behaupteten Fehlerhaftigkeit der Verkehrslärmprognose gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen. Auch insoweit räumt die Beschwerde ein, dass der Beweisantrag nach der Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht entscheidungserheblich war. Das Oberverwaltungsgericht hat sich insoweit auf den Standpunkt gestellt, die seitens des Antragstellers behaupteten und unter Beweis gestellten Fehler des Verkehrslärmgutachtens, die sich angeblich daraus ergäben, dass die angegebenen Berechnungsergebnisse nicht überprüfbar seien, seien für die Entscheidung des Rats der Antragsgegnerin nicht von Belang gewesen und deshalb auch nicht entscheidungserheblich; selbst wenn das Gutachten nachbesserungsbedürftig sei, sei nicht ansatzweise erkennbar, dass sich ein etwaiger Mangel auf die Entscheidung des Rats ausgewirkt haben könnte (UA S. 30); schon gar nicht könne davon die Rede sein, dass eine fehlerhafte Begutachtung im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB offensichtlich und auf das Ergebnis der Abwägung von Einfluss gewesen wäre (UA S. 31 f.).
Rz. 12
c) Soweit sich die Beschwerde schließlich dagegen wendet, dass auch der Beweisantrag zu 2 Unterpunkt c mangels Entscheidungserheblichkeit abgelehnt wurde, ist ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz ebenfalls nicht ersichtlich. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beweisantrag dahin ausgelegt, dass er auf die Behauptung ziele, die Abwägung sei deshalb rechtsfehlerhaft, weil ihr ein Gutachten zugrunde gelegen habe, das hinsichtlich des Discountmarktes der Beigeladenen von einem zu niedrigen Verkehrsaufkommen ausgehe. Es hat aber keinen Anhaltspunkt dafür gesehen, dass ein größeres als das vom Rat der Antragsgegnerin berücksichtigte Verkehrsaufkommen zu einer erheblichen Erhöhung der Lärmbelastung führen könne. Als rechtlich erheblich hat es eine Pegelerhöhung um mehr als 1 dB(A) oder auf über 70 dB(A) angesehen. Demgegenüber würde – so das Oberverwaltungsgericht – selbst die vom Antragsteller für den geplanten Discounter auf der Grundlage der Parkplatzstudie des Bayerischen Landesamtes für Umwelt genannte Zahl von 1 792 zusätzlichen Kfz/Tag zu einer Erhöhung der Schallimmission von lediglich 0,259 dB(A) führen (UA S. 32 f.). Nach diesen Maßstäben konnte das Oberverwaltungsgericht den Beweisantrag ebenfalls ohne Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ablehnen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man zugunsten der Beschwerde unterstellt, dass tatsächlich von einer Erhöhung um 0,7 dB(A) auszugehen sei. Weitere Lärm erhöhende Umstände und Zweifel an der Korrektheit der Verkehrslärmprognose insgesamt hat die Beschwerde zwar behauptet, aber nicht substantiiert dargetan.
Rz. 13
3. Die behauptete Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 14
Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht sei bei der Ablehnung des Beweisantrags zu 2 Unterpunkt c von dem Rechtssatz ausgegangen, auch bei Vorliegen nur urkundlich in den Prozess eingeführter Gutachten trotz eines dahingehenden Beweisantrags nicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet zu sein, womit es von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. November 1993 – 2 BvR 594/93 – juris Rn. 22) abweiche. Tatsächlich hat das Oberverwaltungsgericht den Beweisantrag aber nicht aus den vom Antragsteller unterstellten Gründen, sondern – wie dargelegt – wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit abgelehnt. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz ist deshalb schon nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargetan.
Rz. 15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Philipp, Petz
Fundstellen
Haufe-Index 2309318 |
BauR 2010, 1180 |
ZfBR 2010, 690 |
BBB 2010, 61 |