Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.07.2011; Aktenzeichen 10 A 10132/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 481,17 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
Die Klägerin, eine Ruhestandsbundesbeamtin, erhält seit 2008 die amtsunabhängige Mindestversorgung, ursprünglich zuzüglich des Kindererziehungszuschlages. Nach der Einfügung des § 50a Abs. 7 Satz 2 in das Beamtenversorgungsgesetz durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid, mit dem sie den Anspruch auf Zahlung des Kindererziehungszuschlags zum 1. Januar 2010 aberkannte. Während das Verwaltungsgericht der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben hat, weil es in der Vorschrift einen Verstoß gegen das in Art. 157 Abs. 1 AEUV verankerte Gebot der Entgeltgleichheit von Mann und Frau sah, blieb die Klage in der Berufungsinstanz erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Im Hinblick auf den Charakter des amtsunabhängigen Mindestruhegehalts als “Grundsicherung” könne die Neuregelung weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen. Abzustellen sei nicht auf die Neuregelung, sondern auf das Mindestruhegehalt. Dieses benachteilige die Klägerin nicht, sondern sei zu ihrem Vorteil, da sie als Mindestruhegehalt mehr erhalte, als ihr als erdientes Ruhegehalt einschließlich des Kindererziehungszuschlags zustünde.
Rz. 3
1. Die Beschwerde rügt eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zu dem Urteil des Senats vom 23. Juni 2005 – BVerwG 2 C 25.04 – (BVerwGE 124, 19 ff. = Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 4). Diese kann aber bereits deshalb nicht vorliegen, weil die beiden Entscheidungen nicht dieselbe Rechtsnorm betreffen. Das angegriffene Berufungsurteil befasst sich mit dem amtsunabhängigen Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG. Demgegenüber verhält sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum amtsbezogenen Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG; Ausführungen zum Kindererziehungszuschlag oder gar zur seinerzeit noch nicht geltenden Vorschrift des § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG enthält das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls nicht.
Rz. 4
Im Übrigen sei angemerkt, dass das Berufungsgericht entgegen der Beschwerdebegründung sich nicht dazu verhält, ob die Mindestversorgung “erdient” ist, auch wenn es daneben mehrfach die Bezeichnung “erdientes Ruhegehalt” verwendet. Damit will es lediglich begrifflich das auf der Grundlage des Ruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 1 BeamtVG errechnete Ruhegehalt von der auf der Grundlage des § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG errechneten Mindestversorgung unterscheiden, ohne daran zugleich eine inhaltliche Aussage anzuknüpfen, dass das Mindestruhegehalt nicht erdient sei. Ebenso hat dies der Senat in dem angeführten Urteil vom 23. Juni 2005 getan.
Rz. 5
2. Die Beschwerde sieht als grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfragen an,
ob die Gewährung der Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG grundsätzlich die Gewährung eines Kindererziehungszuschlages gemäß § 50a BeamtVG ausschließe,
und hieran anschließend,
ob sich hieran etwas durch den neu eingefügten § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG geändert habe oder diese Vorschrift gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße oder wegen Art. 157 Abs. 1 und 2 AEUV unangewendet bleiben müsse.
Rz. 6
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine – von der Beschwerde zu bezeichnende – grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung setzt voraus, dass die Beschwerde eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass die Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 – BVerwG 2 B 2.11 – NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 ≪insoweit in Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 9 nicht abgedruckt≫). Daran fehlt es.
Rz. 7
Hinsichtlich der ersten von der Beschwerde aufgeworfenen Frage folgt dies bereits daraus, dass sie sich aufgrund der Vorschrift des § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG nicht mehr stellt. Danach ist die Erhöhung um einen Kindererziehungszuschlag nach Absatz 1 der Vorschrift auf das Mindestruhegehalt nicht anzuwenden. Ob dies – wie mit dem ersten Halbsatz der zweiten Frage thematisiert wird – vor der Gesetzesänderung anders war (so OVG Münster, Urteil vom 12. Februar 2013 – 3 A 2192/10 – juris Rn. 28 ff. m.w.N), ist nicht entscheidungserheblich, da es vorliegend nur um die Rechtslage nach der Gesetzesänderung geht; die von der Beschwerde angeführten Entscheidungen der Instanzgerichte zur früheren Rechtslage sind unbehelflich.
Rz. 8
Hinsichtlich der weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit des § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG und dessen Unionsrechtskonformität genügt die Beschwerde nicht dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 VwGO.
Rz. 9
Das Berufungsgericht hat auf den Charakter des Mindestruhegehalts als Grundsicherung abgestellt, die pauschalierend und generalisierend sei und unabhängig von der jeweiligen Erwerbsbiographie gewährt werde. Dementsprechend gelte für das Mindestruhegehalt ein anderes Berechnungsmodell als für das “erdiente” Ruhegehalt; es werde nicht um den Kindererziehungszuschlag gekürzt.
Rz. 10
Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Sie behauptet, für die durch § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG bewirkte Ungleichbehandlung zwischen Empfängern “erdienter” Ruhegehaltsbezüge und denjenigen der Mindestversorgung gebe es angesichts der bestandssichernden Funktion der Kindererziehung sowohl für das Rentensystem als auch für die Beamtenversorgung keinen sachlichen Grund. Sie bezieht sich damit auf die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 12. März 1996 – 1 BvR 609/90 u.a – (BVerfGE 94, 241 ≪262 f.≫), der sich mit der Ungleichbehandlung von Kindererziehungszeiten im damaligen Rentenversicherungsrecht befasst. Das beitragsfinanzierte Rentenversicherungssystem unterscheidet sich aber grundlegend vom System der Beamtenversorgung, das aufgrund des Alimentationsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 5 GG als Vollversorgung konzipiert ist; insbesondere ist dem Rentenversicherungsrecht eine Mindestversorgung fremd (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 24. November 2011 – BVerwG 2 C 57.09 – BVerwGE 141, 210 = Buchholz 11 Art. 64 GG Nr. 1 Rn. 35 f. m.w.N.). Die Beschwerde hätte dementsprechend darlegen müssen, warum diese Argumentation auf die dem Rentenversicherungsrecht fremde beamtenrechtliche Mindestversorgung übertragbar sein soll und warum das vom Berufungsgericht angeführte andere Berechnungsmodell nicht eine Differenzierung bei der Gewährung des Kindererziehungszuschlags beim “erdienten” Ruhegehalt einerseits und der Mindestversorgung andererseits tragender sachlicher Grund sein kann.
Rz. 11
Soweit die Beschwerde meint, der durch § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG bewirkte Fortfall des Kindererziehungszuschlags betreffe überwiegend Frauen, sodass eine mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliege, setzt sie sich ebenfalls nicht mit der Argumentation des Berufungsgerichts auseinander. Dies stellt gerade nicht die Vorschrift des § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG inmitten seiner Ausführungen, sondern vielmehr die Mindestversorgung, die nicht nach den jeweiligen “Erwerbsbiographien” unterscheide und daher Männer und Frauen gleich behandle. Dass mehr Frauen als Männer eine Mindestversorgung erhalten, ist nicht festgestellt und wird von der Beschwerde auch nicht dargelegt.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht für das Beschwerdeverfahren auf § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Domgörgen, Thomsen, Dr. Kenntner
Fundstellen