Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 26.09.2018; Aktenzeichen 3d A 1455/16.O) |
VG Münster (Entscheidung vom 23.05.2016; Aktenzeichen 13 K 2633/15.O) |
Gründe
Rz. 1
1. Der im Jahr 1951 geborene Beklagte war beamteter Lehrer an einer Gemeinschaftshauptschule in Nordrhein-Westfalen, bevor er mit Ablauf des 31. Juli 2015 auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt wurde. Anlässlich einer Durchsuchung seiner Wohnung im Oktober 2013 wurden auf seinem Computer 59 kinderpornografische Bilddateien sowie 19 kinderpornografische Videodateien gefunden, die im Zeitraum von Oktober 2010 bis Oktober 2013 auf dem Rechner gespeichert worden waren. Die Bild- und Videodateien zeigen unter 14 Jahre alte Jungen und Mädchen u.a. beim Geschlechts- und Oralverkehr mit erwachsenen Männern. Nachdem der Beklagte zur Hauptverhandlung im Strafverfahren im März 2015 nicht erschien, erließ das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen im April 2015 rechtskräftig gewordenen Strafbefehl, wonach der Beklagte wegen Erwerbs kinderpornografischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt wurde.
Rz. 2
Im April 2015 leitete der Kläger gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein und erhob im Dezember 2015 Disziplinarklage. Hinsichtlich der Tatvorwürfe bezog er sich auf die Feststellungen in dem gegen den Beklagten ergangenen Strafbefehl, die der Entscheidung ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden könnten.
Rz. 3
Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt: Der Beklagte habe durch Besitzverschaffung und Besitz an 59 kinderpornografischen Bild- und 19 kinderpornografischen Videodateien ein schwerwiegendes einheitliches außerdienstliches Dienstvergehen begangen. Als noch im Dienst befindlicher Beamter hätte er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müssen. Daher sei ihm das Ruhegehalt abzuerkennen. Der Besitz kinderpornografischer Schriften sei mit den berechtigten Erwartungen an die charakterliche Eignung eines Lehrers unvereinbar. Mit Blick auf den von 2004 bis zum 26. Januar 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe habe sich die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme für den außerdienstlichen Besitz kinderpornografischer Schriften bei Lehrern angesichts der besonderen Dienstpflichten dieser Beamten an der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu orientieren. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis komme dabei in Betracht, wenn das strafbare Verhalten aufgrund der Tatumstände, insbesondere der Anzahl und des Inhalts des Materials, als besonders verwerflich einzustufen sei und dem Beamten keine entlastenden Umstände von erheblichem Gewicht zugute kämen. Eine solche besondere Verwerflichkeit der Tat ohne erheblich entlastende Umstände sei hier festzustellen. Disziplinarisch bedeutsam sei bereits, dass sich der Beklagte als Lehrer des - wenngleich außerdienstlichen - Besitzes an kinderpornografischen Schriften schuldig gemacht habe und die Tat damit einen besonders engen Dienstbezug aufweise. Dem bei einem Lehrer besonders engen Dienstbezug werde bei der Strafbemessung im Strafverfahren nicht Rechnung getragen. Schon dies lege nahe, bei der disziplinaren Maßnahmebemessung, die gerade der Vertrauenseinbuße in die ordnungsgemäße Erfüllung dienstlicher Aufgaben Rechnung zu tragen habe, eine im Strafverfahren verhängte maßvolle Strafe nur mit Zurückhaltung als Indiz für ein geringeres Gewicht des Dienstvergehens zu werten. Hinzu komme, dass das Dienstvergehen des Beklagten aufgrund des konkreten Inhalts der sichergestellten kinderpornografischen Dateien als besonders verwerflich einzustufen sei. Den Beklagten belasteten auch die Anzahl der Dateien und der Tatzeitraum; bei 59 Bild- und 19 Videodateien, insgesamt also 78 kinderpornografischen Dateien, handele es sich bereits um eine durchaus erhebliche Anzahl.
Rz. 4
2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 67 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Rz. 5
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Ein Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 9).
Rz. 6
Die beiden von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
Rz. 7
a) Soweit die Beschwerde der Sache nach die Frage aufwirft,
ob dann, wenn der konkret festgestellte Besitz kinderpornografischer Schriften keine Anhaltspunkte für eine Einordnung als besonders schweren Fall bietet, die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme stets ausgeschlossen ist, also unabhängig von der Berufsgruppe und damit auch bei Lehrern,
würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Berufungsgericht ist gerade von einer besonderen Verwerflichkeit der Tat (aufgrund des Inhalts und der Anzahl der Dateien) ausgegangen. Soweit die Frage in verallgemeinerungsfähiger Form zu beantworten ist, ist sie im Übrigen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
Rz. 8
Der Senat geht zum einen davon aus, dass Straf- und Disziplinarrecht unterschiedliche Zwecke verfolgen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Das Strafrecht ist vom Vergeltungsprinzip mit dem Ziel der individuellen Sühne durch ein Unwerturteil über gemeinschaftswidriges Verhalten und strafrechtliche Sanktionen geprägt. Demgegenüber ist es ausschließlich Zweck des Disziplinarverfahrens, das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicherzustellen. Bei einer außerdienstlich begangenen Straftat kann zur Festlegung der Schwere des begangenen Dienstvergehens, die richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, zwar indiziell auf die vom Strafgericht konkret ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteile vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 21 und 26 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Aber selbst dann, wenn von den Strafgerichten bei einem außerdienstlich begangenen Dienstvergehen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden ist, kommt im Rahmen der den Disziplinargerichten obliegenden Bemessungsentscheidung die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis dann in Betracht, wenn disziplinarrechtlich bedeutsame Umstände vorliegen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 38; Beschlüsse vom 5. Juli 2016 - 2 B 24.16 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 38 Rn. 13 und vom 27. Dezember 2017 - 2 B 18.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 54 Rn. 9).
Rz. 9
Der Senat hat darüber hinausgehend entschieden, dass sogar ein außerdienstliches Dienstvergehen, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme zwar nicht im Regelfall, wohl aber im Ausnahmefall rechtfertigen kann; ob dies im konkreten Disziplinarverfahren gegeben ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist einer Beantwortung in verallgemeinerungsfähiger Form nicht zugänglich (BVerwG, Beschluss vom 4. April 2019 - 2 B 32.18 - juris Rn. 12 ff.).
Rz. 10
Nach der Rechtsprechung des Senats ist im Rahmen der disziplinarrechtlichen Maßnahmebemessung bei außerdienstlichen Dienstvergehen, insbesondere von Lehrern und Polizeibeamten, von folgenden Grundsätzen auszugehen (vgl. zuletzt: BVerwG, Beschluss vom 4. April 2019 - 2 B 32.18 - juris Rn. 13 ff.):
Rz. 11
Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet. Gleichwohl dürfen Dienstherr und Öffentlichkeit Pflichtverletzungen von Beamten nicht "hilflos ausgeliefert" sein. Es muss Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn geben. Deshalb stellt das Disziplinarrecht Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle eines Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1973 - 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 ≪66≫, vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21, vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 26).
Rz. 12
Seit 1967 (vgl. das Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 20. Juli 1967, BGBl I S. 725) reicht bei außerdienstlichen Verfehlungen nicht bereits die Pflichtverletzung selbst zur Annahme eines Dienstvergehens aus, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch eine Straftat begangen worden ist (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 14). Hinzutreten müssen vielmehr weitere, auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände. Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die Integrität der Amtsführung und damit in die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, kann das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einschränken (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 ≪254≫). Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten mehr als von jedem anderen Bürger (BT-Drs. 16/7076, S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027, S. 34 zum BeamtStG; vgl. hierzu auch BVerwG, Urteile vom 30. August 2000 - 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 ≪26≫, vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 24 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 26). Soweit außerdienstliches Verhalten disziplinarrechtlich zu ahnden ist, muss der außerdienstliche Charakter auch bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden. Jedenfalls statusberührende Disziplinarmaßnahmen kommen deshalb nur bei schwerwiegenden Verfehlungen in Betracht (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 39).
Rz. 13
Nach § 13 Abs. 1 BDG und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze der Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren gelten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 ≪257≫). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 ≪258 f.≫).
Rz. 14
Dabei gewährleistet grundsätzlich die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22 und - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.
Rz. 15
Allerdings bedürfen zum einen Delikte mit einer möglichen Variationsbreite der Begehungsformen einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens - nach oben wie nach unten - unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände offen sein (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 32 und Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 21). Ein wie auch immer gearteter Schematismus verbietet sich hier in besonderer Weise (BVerwG, Beschluss vom 5. März 2014 - 2 B 111.13 - juris Rn. 13).
Rz. 16
Zum anderen ist bei Lehrern - ebenso wie bei Polizisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 39) - zu beachten, dass sie eine besondere Stellung innehaben. Ein Lehrer ist nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Kinder verpflichtet. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder fördern und schützen. Zudem muss der Lehrer in seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Wertordnung glaubhaft vermitteln (BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 17). Außerdienstliches Verhalten kann bei diesen Beamten angesichts der mit dem Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung zu einem mittelbaren Amtsbezug und damit auch zur Disziplinarwürdigkeit entsprechender Verfehlungen führen. Verstöße gegen die vorgenannten Anforderungen können bei einem Lehrer namentlich bereits dann die Dienstausübung berühren und damit einen Amtsbezug begründen, wenn zu befürchten ist, dass der Lehrer ihretwegen auf Vorbehalte der Eltern der von ihm unterrichteten Kinder stößt und deswegen nicht mehr die Autorität und das Vertrauen genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist. Insoweit genügt die bloße Eignung für einen solchen Ansehens- und Vertrauensverlust, ohne dass dieser konkret eingetreten sein muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 15; Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 - 2 B 29.10 - NVwZ-RR 2011, 413 Rn. 6 und vom 4. April 2019 - 2 B 32.18 - juris Rn. 18). Die mit § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG und § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG beabsichtigte Begrenzungswirkung für die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Pflichtenverstöße kommt bei Beamten mit einer solchen Aufgaben- und Vertrauensstellung nur eingeschränkt zum Tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 39).
Rz. 17
Wenn nach den Maßgaben des § 13 BDG bzw. der entsprechenden Bestimmung des Landesdisziplinargesetzes der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist auf die Höchstmaßnahme zu erkennen. Ein solcher endgültiger Vertrauensverlust kann ausnahmsweise auch bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen gegeben sein. Dies gilt selbst bei einem Dienstvergehen, das - anders als im vorliegenden Fall - keinen Straftatbestand erfüllt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 25.14 - DokBer 2015, 323 Rn. 29).
Rz. 18
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wiegt bei Lehrern der außerdienstliche Besitz kinderpornografischen Materials besonders schwer, weil hier stets ein enger dienstlicher Bezug gegeben ist. Ein derartiges Verhalten gibt begründeten Anlass zu Zweifeln an der Eignung für den Lehrerberuf. Ein Lehrer, der sich nach § 184b Abs. 4 StGB strafbar gemacht hat, bietet keine Gewähr, dass er die ihm dienstlich obliegenden Erziehungsaufgaben mit der erforderlichen Autorität erfüllen kann. Daraus hat der Senat den Schluss gezogen, dass der Orientierungsrahmen für den außerdienstlichen Besitz kinderpornografischen Materials bei Lehrern bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis reicht. Demnach kommt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht, wenn das strafbare Verhalten aufgrund der Tatumstände, insbesondere der Anzahl und des Inhalts des Materials, als besonders verwerflich einzustufen ist und dem Beamten keine entlastenden Umstände von erheblichem Gewicht zugute kommen (BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 11 m.w.N.). Somit ist geklärt, dass die Anzahl und der Inhalt des Materials eine besondere Verwerflichkeit begründen können, die die Höchstmaßnahme rechtfertigen kann. Ob im konkreten Fall entlastende Umstände vorliegen, die eine mildere Maßnahme rechtfertigen, ist eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall und kann nicht in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden (BVerwG, Beschluss vom 16. März 2017 - 2 B 42.16 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 40 Rn. 13).
Rz. 19
Die Beschwerde zeigt keinen über diese Rechtsprechung hinausgehenden Klärungsbedarf auf. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus einer von der Beschwerde angeführten judikativen Praxis, wonach in Fällen beamteter Lehrer realiter eine Regelmaßnahme - nämlich die Höchstmaßnahme - existiere. Es ist und bleibt Aufgabe des Disziplinargerichts, im Rahmen der Maßnahmebemessung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Orientierungsrahmen eine sorgfältige einzelfallbezogene Abwägung aller zugunsten und zulasten des Beamten sprechenden Gesichtspunkte vorzunehmen.
Rz. 20
b) Die Frage,
ob es sich bei 79 kinderpornografischen Schriften hinsichtlich der Anzahl der Schriften um einen besonders verwerflichen Fall handelt und ab welcher Zahl eine besonders verwerfliche Anzahl von kinderpornografischen Schriften grundsätzlich vorliegt,
würde sich so in einem Revisionsverfahren nicht stellen und ist nicht in verallgemeinerungsfähiger Form zu beantworten. Sie rechtfertigt deshalb nicht die Zulassung der Revision.
Rz. 21
Aus der vorstehend (Rn. 18) zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich, dass es für die Beurteilung der besonderen Verwerflichkeit des strafbaren Verhaltens auf die Tatumstände ankommt, zu denen insbesondere Anzahl und Inhalt des Materials gehören. Dies bedeutet aber nicht, dass mit Blick auf jeden dieser beiden Aspekte (Anzahl und Inhalt) jeweils eine besondere Verwerflichkeit erforderlich ist und nur bei kumulativer Erfüllung beider Aspekte eine die disziplinare Höchstmaßnahme rechtfertigende besondere Verwerflichkeit des strafbaren Verhaltens vorliegt. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die beide Aspekte, die gleichsam in einem Verhältnis kommunizierender Röhren zueinander stehen, in den Blick zu nehmen und zu würdigen hat. Eine die disziplinare Höchstmaßnahme rechtfertigende besondere Verwerflichkeit kann daher auch dann vorliegen, wenn bei nicht sehr großer Anzahl ein besonders schwerwiegender Inhalt oder bei nicht sehr schwerwiegendem Inhalt eine große Anzahl kinder- und jugendpornografischer Schriften, Bild- und Videodateien in Rede steht. Die Frage, ab welcher Anzahl oder ab welchem Inhalt eine besondere Verwerflichkeit anzunehmen ist, kann deshalb nicht allgemein beantwortet werden; es kommt stets auf eine Gesamtbetrachtung von Anzahl und Inhalt im konkreten Einzelfall an.
Rz. 22
3. Soweit die Beschwerde - ohne einen Zulassungsgrund zu benennen - die Verletzung von Bundesrecht durch einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Verbot der Doppelbestrafung rügt, weil das Verhalten des Beklagten nicht nur strafrechtlich, sondern auch disziplinarrechtlich sanktioniert worden ist, hat sie damit ebenfalls keinen Erfolg.
Rz. 23
Die Beschwerde erkennt selbst, dass ihre Rechtsansicht, wonach das Disziplinarrecht insgesamt gegen das Schuldprinzip verstößt, im Gegensatz zur ständigen und vom Bundesverfassungsgericht gebilligten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht. Die von der Beschwerde zitierte abweichende Literaturauffassung zeigt keinen neuen Klärungsbedarf auf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 2019 - 2 B 25.18 - juris Rn. 27).
Rz. 24
Soweit die Beschwerde meint, der Umstand, dass das Berufungsgericht keine "kritische Würdigung" des Verhältnisses von Strafrecht und Disziplinarrecht vorgenommen habe, führe zu einem Fehler bei der Maßnahmebemessung, zeigt sie auch keinen Verfahrensfehler auf.
Rz. 25
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden.
Fundstellen
Dokument-Index HI13724204 |