Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Urteil vom 10.12.2001; Aktenzeichen 1 D 203/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 10. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 36 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht.
1. Für rechtgrundsätzlich bedeutsam hält die Beschwerde die Frage, ob sich die zur Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme berechtigenden Gründe des Wohls der Allgemeinheit gemäß § 165 Abs. 3 Nr. 2 BauGB aus den im förmlichen Festsetzungsbeschluss aufgeführten Zielen ergeben müssen. Zur Klärung dieser Frage bedarf es keines Revisionsverfahrens. Zum einen bedarf keiner Klärung, dass die Ziele und Zwecke (§ 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) erkennbar sein müssen und nicht im Widerspruch zu den Gründen des Wohls der Allgemeinheit (§ 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB) stehen dürfen. Andererseits entspricht es allgemeiner Auffassung, dass die Entwicklungssatzung keiner förmlichen Begründung bedarf (vgl. z.B. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl. 2002, § 165 Rn. 29; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 165 Rn. 121).
Die Frage ist darüber hinaus auch nicht entscheidungserheblich. Mit ihr macht die Beschwerde unter Bezugnahme auf die Drucksache 14/691 S sinngemäß geltend, nach der Beschlussvorlage sei im Zeitpunkt des Erlasses des Entwicklungsgesetzes auch die Schaffung von Gewerbeflächen Ziel der Entwicklungsmaßnahme gewesen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Normenkontrollgerichts trifft dies jedoch nicht zu. Das Normenkontrollgericht legt im Einzelnen dar, aus der gleichzeitig beschlossenen Drucksache 14/790 S ergebe sich, dass der Ortsgesetzgeber mit seinem zweiten Beschluss eine Zielkorrektur gegenüber den Vorstellungen der mit der Satzungsvorbereitung befassten Administration vorgenommen habe. Es nimmt also an, dass beide Beschlüsse als Einheit zu sehen seien und dass der “förmliche Festlegungsbeschluss” deshalb von Anfang an durch den zweiten Beschluss korrigiert worden sei (vgl. UA S. 23, S. 33 f.). Hiervon muss das Beschwerdegericht ausgehen (§ 137 Abs. 2 VwGO). Es ist weder ersichtlich noch aus dem Beschwerdevortrag zu erkennen, weshalb eine solche Interpretation nicht möglich und zulässig sein sollte. Selbst wenn man sie für zweifelhaft halten wollte – wofür nichts spricht –, so geht es jedenfalls allein um die Auslegung und rechtliche Zuordnung der beiden in derselben Sitzung der Stadtbürgerschaft gefassten Beschlüsse; zu einer Grundsatzfrage führt das Vorbringen der Beschwerde nicht.
Damit erledigen sich die weiteren zum Problem des fehlenden Bedarfs an Gewerbeflächen aufgeworfenen Fragen (Beschwerdebegründung S. 5). Sie beruhen auf einem Verständnis des Sachverhalts, von dem das Normenkontrollgericht nicht ausgegangen ist.
2. Das Normenkontrollgericht billigt, dass die Antragsgegnerin von einem rechnerischen Wohnflächenüberhang von 60 % der gesamten Wohnnachfrage und von einem erhöhten Bedarf an Einfamilienhäusern von 40 % ausgegangen ist. Hieran knüpft die Beschwerde mit ihrer Frage an, ob es ein mit dem Instrument des städtebaulichen Entwicklungsrechts erreichbares Ziel darstelle, innerstädtisch über den rechnerischen Bedarf hinausgehende Flächen für den Wohnbedarf bereitzustellen, um das natürliche Preisgefälle zwischen städtischem und ländlichem Bauland zu verringern und so den innerstädtischen Neubaumarkt im Wege einer “angebotsorientierten” Planung attraktiver zu machen. Grundsätzliche Bedeutung habe auch, ob es den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Konkretisierung der Gemeinwohlbelange entspreche, wenn in einer Prognose zur Ermittlung des erhöhten Wohnbedarfs allein auf der Grundlage von nicht näher belegten “Erfahrungswerten” eine “At-traktivitätsreserve” (hier: 60 %) eingestellt werde. Auch diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Wenn es das Ziel einer Gemeinde ist, die planerischen Voraussetzungen für eine bestimmte Anzahl von Wohneinheiten zu schaffen, so ist es sachgerecht, den Flächenbedarf nicht nach der rein theoretisch erforderlichen Fläche zu errechnen, sondern eine Flächengröße zu wählen, die tatsächlich geeignet ist, die angestrebte Anzahl von Wohneinheiten aufzunehmen. Um welchen Prozentsatz die theoretisch erforderliche Fläche zu vergrößern ist, um das Planungsziel erreichen zu können, ist dagegen keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage. Das Normenkontrollgericht hat gebilligt, dass die Antragsgegnerin “aus der Beobachtung der bisherigen Praxis der Realisierung planerisch vorgehaltener Baumöglichkeiten” einen Zuschlag von 40 % für erforderlich gehalten hat (UA S. 28). Ob dies richtig ist, lässt sich möglicherweise mit Hilfe eines Sachverständigen, nicht jedoch durch eine Rechtskontrolle am Maßstab des Baugesetzbuchs oder des Grundgesetzes überprüfen. Die weiteren in den Fragen angesprochenen Probleme haben keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie – wenn auch in abstrahierender Form – nur auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falls abstellen.
Zur Zulassung der Revision nötigt auch nicht die Frage, ob es dem Gemeinwohlerfordernis des § 165 Abs. 3 Nr. 2 BauGB genügt, wenn ein erhöhter Bedarf nicht für den Wohnbedarf insgesamt belegt ist, sondern nur für einzelne Formen des Wohnens (hier: Einfamilienhäuser). Dabei kann offen bleiben, ob sich die Frage überhaupt allgemeingültig für sämtliche Arten und Unterarten des Wohnens beantworten lässt. Die Form des Wohnens in einem Einfamilienhaus unterscheidet sich von der des Wohnens in einem Mehrfamilienhaus jedenfalls so stark, dass für beide Formen in der Bevölkerung ein unterschiedlicher Bedarf bestehen kann und sich auch ermitteln lässt. Das hier vom Normenkontrollgericht festgestellte strukturelle Angebotsdefizit bezieht sich vornehmlich auf Einfamilienhäuser (vgl. UA S. 24, 27). Dieser Bedarf kann nicht durch die Bereitstellung von Bauland für Mehrfamilienhäuser befriedigt werden. Könnte dem Gemeinwohlerfordernis mit der Bereitstellung von Bauland für Einfamilienhäuser nicht genügt werden, so wäre die Entwicklungssatzung im Ergebnis nur zur Abwehr von drohender Obdachlosigkeit geeignet. Eine solche Auslegung entspricht nicht dem Zweck der §§ 165 ff. BauGB und wird auch durch Art. 14 GG nicht gefordert.
Die Fragen, ob es zulässig sei, mit dem Instrument der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme einem auf vielen Gründen basierenden negativen Saldo der Bevölkerungsentwicklung entgegenzuwirken, und ob es den Anforderungen an eine angemessene und methodisch einwandfreie Prognose des erhöhten Wohnbedarfs im Sinne des § 165 Abs. 3 Nr. 2 BauGB entspreche, bei der rechnerischen Bedarfsermittlung entgegen der tatsächlichen Bevölkerungsentwicklung Zielvorstellungen zugrunde zu legen, die wesentlich gerade durch das Mittel des Entwicklungsrechts erreicht werden sollen, sind nicht entscheidungserheblich, weil sie von tatsächlichen Verhältnissen ausgehen, die das Normenkontrollgericht so nicht festgestellt hat. Das Normenkontrollgericht geht entscheidungstragend davon aus, dass der erhöhte Bedarf an Einfamilienhäusern darauf beruht, dass insbesondere Familien mit Kindern und Haushalte mit mittlerem bis höherem Einkommen im Stadtgebiet kein ihren Vorstellungen entsprechendes Wohnungsangebot finden (UA S. 27). Es stellt auch nicht fest, dass die Antragsgegnerin ihrer Bedarfsermittlung Zielvorstellungen zugrunde gelegt habe, die der tatsächlichen Bevölkerungsentwicklung entgegenständen. Vielmehr stützt es seine Prognose auf den dokumentierten Wanderungsverlust in den Jahren 1995 bis 2000 (UA S. 26) und auf die Erwartung, dass sich die Abwanderungstendenz wegen besonders geburtenstarker Jahrgänge zumindest bis 2010 verstärken werde (UA S. 27).
3. Auch die im Zusammenhang mit dem geplanten Landschaftspark “Osterholzer Feldmark” aufgeworfenen Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Zum Teil sind sie bereits durch die den Beteiligten bekannten Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Januar 2001 – BVerwG 4 BN 72.00 – (ZfBR 2001, 276) und der 3. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2002 – 1 BvR 390/01 – (NVwZ 2003, 71) geklärt. Im Übrigen kommt ihnen keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Dass Gemeinbedarfseinrichtungen im Sinne des § 165 Abs. 3 Nr. 2 BauGB nicht nur solche Einrichtungen sein können, die den geplanten Wohn- und Arbeitsstätten, sondern auch einem größeren Bevölkerungskreis und damit auch – wie die Beschwerde formuliert – der Naherholung sonstiger Gebiete dienen, hat der beschließende Senat bereits in dem Beschluss vom 30. Januar 2001 (a.a.O.) näher dargelegt. Auch das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) hat im Grundsatz keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, mit den Mitteln der Entwicklungssatzung der Unterversorgung eines ganzen Stadtteils mit öffentlichen Parkflächen zu begegnen. Das Bundesverfassungsgericht bejaht ferner ausdrücklich die städtebauliche Gestaltungskompetenz der Antragsgegnerin, für den Bremer Osten einen Naherholungsbereich zu schaffen.
Dagegen fehlt zwar bisher eine höchstrichterliche Antwort auf die Frage, ob der Umstand, dass nur einzelne Teile eines förmlich im Wege des § 165 Abs. 3 Nr. 2 BauGB festgesetzten Landschaftsparks für die Bevölkerung frei zugänglich sind, einer Gesamteinstufung als Gemeinbedarfseinrichtung entgegensteht. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die freie Zugänglichkeit sämtlicher Teile eines Landschaftsparks nicht Voraussetzung für die Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs sein kann. Entscheidend ist vielmehr, ob die Flächen trotz privater Nutzung auch einem eigenständigen öffentlichen Interesse dienen (vgl. auch BVerfG, a.a.O.). Hierfür mögen auch Art und Maß der allgemeinen Zugänglichkeit Entscheidungskriterien sein können. Letztlich kommt es jedoch auf die Umstände des Einzelfalls an. Das Beschwerdevorbringen zeigt insoweit keine über den vorliegenden Fall hinausgehende Fragestellung auf.
Der erkennende Senat verkennt nicht, dass das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) die Entscheidung des Normenkontrollgerichts im Parallelverfahren 1 D 472/99 (= BVerwG 4 BN 72.00) im Hinblick auf dessen Ausführungen zur konkreten Gemeinwohldienlichkeit des Landschaftsparks beanstandet hat. Abgesehen davon, dass die Ausführungen des Normenkontrollgerichts hierzu in den beiden Entscheidungen nicht identisch sind, bezieht sich die Kritik des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht auf die – hier mit den erwähnten Rügen nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO markierte – materielle Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts. Beanstandet wird vielmehr, dass die getroffenen Feststellungen zur Gemeinwohldienlichkeit nicht ausreichten. Das Bundesverfassungsgericht vermisst im Parallelverfahren eine ausreichende gerichtliche Bedarfsprüfung und eine Prüfung, ob die konkrete Verwirklichung der Enteignungsziele dem Gemeinwohlerfordernis entspricht. Insoweit enthält die vorliegende Beschwerde jedoch keinen substantiierten, den Anforderungen des Darlegungsgebots des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Vortrag. Der Senat sieht sich deshalb auch in Kenntnis des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts, dessen Kritik möglicherweise auch für die hier angegriffene Entscheidung zumindest teilweise zutreffen mag, nicht in der Lage, die Revision zuzulassen. Er weist darauf hin, dass das Normenkontrollgericht inzwischen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts nach eingehender Beweisaufnahme mit Urteil vom 21. März 2003 – 1 D 273/02 – den Normenkontrollantrag im Parallelverfahren erneut als unbegründet abgewiesen hat. Der beschließende Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 17. Dezember 2003 – BVerwG 4 BN 54.03 – zurückgewiesen.
4. Die Frage, ob die Finanzierbarkeit der Entwicklungsmaßnahme ein im Rahmen der Entscheidung für den Einsatz des Instruments des städtebaulichen Entwicklungsrechts berücksichtigungsfähiger Belang ist, oder ob die Möglichkeit der “Entwicklungsgewinnabschöpfung” nur Folge des Einsatzes des Entwicklungsrechts ist, wäre nur dann entscheidungserheblich, wenn die Finanzierbarkeit der Entwicklungsmaßnahme tatsächlich ein relevantes Argument für die Antragsgegnerin gewesen wäre, den städtebaulichen Entwicklungsbereich festzulegen. Nach dem Inhalt der angegriffenen Entscheidung ist dies aber nicht der Fall. Zwar führt das Normenkontrollgericht aus, von Bedeutung sei auch, dass die Finanzierbarkeit der Entwicklung ohne den Einsatz des besonderen städtebaulichen Instrumentariums nicht mehr zu gewährleisten wäre (UA S. 36). Gemeint ist damit jedoch nur, wie die folgenden Sätze der Begründung zeigen, dass der “Aspekt der Finanzierbarkeit neben anderen die Entwicklungsmaßnahme rechtfertigenden Erfordernissen” berücksichtigt werden dürfe. Die Gemeinde müsse vom Einsatz der Instrumente des besonderen Städtebaurechts nicht deshalb absehen, “weil die schon anderweitig gerechtfertigten Entwicklungsziele andernfalls auch wegen Nichtfinanzierbarkeit verfehlt würden”. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 1998 – BVerwG 4 CN 2.97 – (BVerwGE 107, 123 ≪125 f.≫), auf das sich das Normenkontrollgericht ausdrücklich stützt, und weichen auch nicht von der Auffassung Krautzbergers (in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl. 2002, § 165 Rn. 17) ab. Eine entscheidungserhebliche rechtsgrundsätzliche Frage enthält die Beschwerde hierzu nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 sowie § 73 Abs. 1 Satz 2 GKG fest.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Lemmel, Dr. Jannasch
Fundstellen