Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 9 S 96/99)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Juli 1999 wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist(§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) begründet worden ist.

Das angefochtene Urteil wurde den Prozeßbevollmächtigten der Kläger ausweislich ihrer Empfangsbestätigung vom 30. August 1999 am 4. August 1999 zugestellt (zur Wirksamkeit eines nachträglichen Empfangsbekenntnisses vgl. BFH, Beschluß vom 23. Juni 1971 – I B 12/71BFHE 102, 457; BGH, Urteil vom 14. Juni 1961 – IV ZR 56/61 – BGHZ 35, 236; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 56 Rn. 40). Die Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, über die die Kläger in dem Urteil des Berufungsgerichts ordnungsgemäß belehrt worden waren, lief danach am 4. Oktober 1999 ab. Die Beschwerdebegründung ging verspätet am 6. Oktober 1999 beim Berufungsgericht ein.

Den Klägern kann die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO nicht gewährt werden, da nicht – wie diese Vorschrift es voraussetzt – glaubhaft gemacht ist, daß ihre Prozeßbevollmächtigten ohne Verschulden gehindert waren, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten. Deren Verschulden müssen sich die Kläger zurechnen lassen (§ 173 VwGO in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO).

Die Prozeßbevollmächtigten der Kläger haben hierzu vorgetragen, die Beschwerdebegründungsfrist sei offenbar versehentlich beginnend mit dem Ablauf der Beschwerdefrist berechnet worden. Beschwerdefrist und Beschwerdebegründungsfrist seien von der auf ihre generelle Zuverlässigkeit überprüften, erfahrenen Rechtsanwaltsfachangestellten B.-T. im Fristenkalender eingetragen worden. Außerdem seien die Fristen, wie üblich, auf dem Deckblatt der zugestellten Entscheidung vermerkt. Frau B.-T. sei bisher noch nie ein Fehler bei einer Fristberechnung unterlaufen. Ein Anlaß, die Fristen durch den bearbeitenden Prozeßbevollmächtigten zu überprüfen, habe daher nicht bestanden.

Damit haben die Prozeßbevollmächtigten der Kläger nicht glaubhaft gemacht, daß sie kein Verschulden an der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist trifft. Die Berechnung der Beschwerdebegründungsfrist muß der Rechtsanwalt im allgemeinen selbst vornehmen und darf sie grundsätzlich auch nicht gut ausgebildetem und überwachtem Büropersonal übertragen (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Beschluß vom 6. Juni 1997 – BVerwG 4 B 85.97 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 209; Beschluß vom 15. August 1994 – BVerwG 11 B 68.94 – a.a.O. Nr. 189; Beschluß vom 10. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 125.91 – a.a.O. Nr. 174). Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, daß die Prozeßbevollmächtigten der Kläger besonders häufig Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht betreuen oder daß sie jedenfalls durch geeignete allgemeine Anweisungen Vorkehrungen getroffen hätten, um eine zuverlässige Fristberechnung sicherzustellen und Fristversäumnisse zu vermeiden (vgl. hierzu Beschluß vom 10. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 125.91 – a.a.O.) und sie möglicherweise deshalb die Rechtsanwaltsfachangestellte Frau B.-T. mit der Berechnung der Beschwerdebegründungsfrist hätten betrauen dürfen.

Die Beschwerde hätte im übrigen auch in der Sache keinen Erfolg.

Soweit die Beschwerde die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) im Hinblick auf die Frage begehrt, „welche Beibringungslast … den Antragsteller im Verfahren nach § 51 VwVfG” trifft (Beschwerdebegründung S. 4), bezeichnet sie nicht, wie § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO es verlangt, eine konkrete Rechtsfrage. In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Auch die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Grundsatzfragen wären in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Das Berufungsgericht hat entgegen der Darstellung der Beschwerde kein grobes Verschulden im Sinne des § 51 Abs. 2 VwVfG in dem „Unterlassen der Zusendung von Schriftstücken durch nahe Familienangehörige” und auch nicht darin gesehen, daß „der Betroffene trotz ständigen Bemühens nicht in der Lage ist, Schriftstücke aus seinem Heimatstaat, den er aufgrund politischer Verfolgung nicht betreten darf, beizubringen” (Beschwerdebegründung S. 4). Feststellungen zu einem „Unterlassen” der Familienangehörigen der Kläger oder ihrem „ständigen Bemühen” hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es hat den Folgeantrag der Kläger vielmehr deshalb als unzulässig angesehen, weil der Kläger zu 1 nach seinen eigenen Angaben schon seit Februar 1995 positive Kenntnisse davon gehabt habe, daß der Sondergerichtshof Oran ihn in Abwesenheit verurteilt habe, er diese Tatsache mithin bereits im ersten Folgeantragsverfahren hätte angeben müssen (UA S. 6 f.). Auch die erst im zweiten Folgeantragsverfahren vorgelegten beiden Urkunden – die Benachrichtigung von der öffentlichen Niederlegung des in Abwesenheit ergangenen Strafurteils und der Strafregisterauszug oder inhaltsgleiche ältere Ausfertigungen hiervon – haben sich nach Auffassung des Berufungsgerichts schon während des ersten Folgeantragsverfahrens in den Händen der Eltern des Klägers zu 1 befunden, ohne daß er widerspruchsfreie Gründe für eine ausreichende Entschuldigung der verspäteten Vorlage dieser Urkunden hätte angeben können (UA S. 7 f.). Deswegen wird sich schließlich auch die vierte als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob „der Betroffene im Rahmen eines Asylverfahrens oder Asylfolgeverfahrens verpflichtet (ist), ständig über von ihm noch erwartete Dokumente zu informieren, um die Rechtsposition nach § 51 VwVfG nicht zu verlieren” (Beschwerdebegründung S. 4), nicht in einem Revisionsverfahren stellen. Die drei letztgenannten Fragen haben im übrigen auch deshalb keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie lediglich den vom Berufungsgericht entschiedenen Einzelfall betreffen und keinen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf aufzeigen.

Unabhängig hiervon könnten die von der Beschwerde vorgebrachten Gründe auch deshalb nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache führen, weil das Berufungsgericht den Asylfolgeantrag der Kläger nicht nur wegen des verspäteten Vorbringens der neuen Beweismittel als unzulässig angesehen, sondern ihm auch deshalb nicht stattgegeben hat, weil es die nunmehr vorgelegten Urkunden für „offenkundige Fälschungen” hielt (UA S. 8 f.). Hiergegen bringt die Beschwerde keinen eigenen Revisionszulassungsgrund vor.

Schon wegen dieser Doppelbegründung kann schließlich auch die Aufklärungsrüge keinen Erfolg haben, da sie sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts allein insoweit wendet, als es die Vorlage der neuen Beweismittel für verspätet hält. Im übrigen genügt die Verfahrensrüge der Beschwerde weder den Darlegungsanforderungen an eine Aufklärungsrüge noch denen der Rüge eines Verstoßes gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs wegen einer unterlassenen Beweiserhebung (zu diesen Anforderungen vgl. BVerwG, Beschluß vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997 S. 3328). Von einer weiteren Begründung sieht der Senat insoweit ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Hund, Richter, Dr. Eichberger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI567340

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge