Entscheidungsstichwort (Thema)
Beigeladener. Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gewerbetreibender. Gewerbeuntersagung. Insolvenzverfahren. Insolvenzverwalter. Sprungrevision. Zustimmung
Leitsatz (amtlich)
Im Gewerbeuntersagungsrechtsstreit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, über deren Vermögen während des Anfechtungsprozesses das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, muss der beigeladene Insolvenzverwalter zur wirksamen Einlegung einer zugelassenen Sprungrevision die Zustimmungen des Beklagten und der klagenden Gesellschaft der Revisionsschrift beifügen.
Die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision wird nicht ordnungsgemäß nachgewiesen, wenn der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist lediglich eine anwaltlich beglaubigte Ablichtung der Zustimmungserklärung vorlegt (wie Beschluss vom 25. August 2005 – BVerwG 6 C 20.04 – NJW 2005, 3367).
Normenkette
GewO §§ 12, 35; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 4, § 66 Abs. 1; InsO §§ 1, 21, 35 Abs. 1, § 80 Abs. 1, § 157 S. 1, § 259 Abs. 1, § 260; VwGO § 134 Abs. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 4. Oktober 2005 wird verworfen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 15 000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil, mit dem es die Klage der Klägerin gegen eine Gewerbeuntersagungsverfügung des Beklagten als unbegründet abgewiesen hat, die Sprungrevision zugelassen. Das Urteil ist dem beigeladenen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klägerin mit ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungen über den Antrag auf Zulassung der Berufung und die Einlegung der Revision versehen am 20. Oktober 2005 zugestellt worden.
Mit Telefax vom 15. November 2005 haben die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen Revision eingelegt und den Originalschriftsatz vom 15. November 2005 am 16. November 2005 bei dem Verwaltungsgericht eingereicht. Dabei haben sie ein Schreiben des Herrn S., des Geschäftsführers der Klägerin, mit dessen Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision in (unbeglaubigter) Kopie als Anlage beigefügt. Mit Telefax vom 21. November 2005 haben die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen die nunmehr von ihnen beglaubigte Ablichtung des genannten Schreibens des Herrn S. als Telefax dem Verwaltungsgericht übermittelt. Der Originalschriftsatz vom 21. November 2005 ist am 22. November 2005 bei dem Verwaltungsgericht eingegangen. Ihm war die von den Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen beglaubigte Ablichtung der Zustimmungserklärung des Herrn S. beigefügt worden. Das Original dieser Erklärung ist erst mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2005 an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unzulässig und daher gemäß § 144 Abs. 1 VwGO durch Beschluss zu verwerfen.
Gemäß § 134 Abs. 1 VwGO steht den Beteiligten gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Kläger und der Beklagte der Einlegung der Sprungrevision schriftlich zustimmen und wenn sie von dem Verwaltungsgericht im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Die Zustimmung zu der Einlegung der Sprungrevision ist, wenn die Revision wie hier im Urteil zugelassen ist, der Revisionsschrift beizufügen. Erforderlich ist bei einem Rechtsmittel eines der Hauptbeteiligten die Zustimmung des Rechtsmittelgegners. Legt wie hier ein Beigeladener die Sprungrevision ein, so ist, wie aus dem eindeutigen Wortlaut des § 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgt, die Zustimmung beider Hauptbeteiligter erforderlich (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 134 Rn. 15; Pietzner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 134 Rn. 12; Schmidt in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl. 2000, § 134 Rn. 5; vgl. auch BTDrucks 11/7030 S. 34).
Den dargestellten Anforderungen ist nicht entsprochen worden. Der Revisionsschrift ist nämlich nicht eine schriftliche Zustimmung der Klägerin zur Einlegung der Revision beigefügt worden, sondern innerhalb der am 21. November 2005 abgelaufenen Revisionsfrist lediglich eine unbeglaubigte Ablichtung und eine anwaltlich beglaubigte Ablichtung der Zustimmungserklärung als Telefax.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 25. August 2005 – BVerwG 6 C 20.04 – NJW 2005, 3367) ist die Sprungrevision nicht formgerecht eingelegt, wenn der Revisionsschrift lediglich eine unbeglaubigte Ablichtung der Zustimmungserklärung beigefügt ist. Vielmehr muss der Rechtsmittelführer zum Nachweis der Zustimmung des Rechtsmittelgegners, für die kein Vertretungszwang gilt (Beschluss vom 27. März 1990 – BVerwG 6 P 34.87 – Buchholz 250 § 77 BPersVG Nr. 10 = DVBl 1990, 873), grundsätzlich das Original der Zustimmungserklärung beim Gericht einreichen. Die Vorlage einer Abschrift oder einer Ablichtung kann nur dann der Vorlage des Originals gleichgestellt werden, wenn sie in ihrem Beweiswert der Vorlage des Originals entspricht. Es muss gewährleistet sein, dass die vorgelegte Abschrift oder die Ablichtung mit dem Original übereinstimmt. Das ist nur dann der Fall, wenn eine dazu ermächtigte Stelle (z.B. Gericht oder Notar) die Übereinstimmung der Abschrift oder der Ablichtung mit dem Original beglaubigt hat; der Beglaubigungsvermerk des Anwalts reicht nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 1984, – IZR 102/83 – BGHZ 92, 76; Beschluss des Senats vom 25. August 2005, a.a.O., m.w.N.). Die während der Revisionsfrist eingereichte unbeglaubigte Ablichtung und die per Telefax vorgelegte anwaltlich beglaubigte Ablichtung genügen diesen Anforderungen nicht. Das Original der Zustimmungserklärung ist erst nach Ablauf der Revisionsfrist und damit verspätet vorgelegt worden.
Die Beifügung der Zustimmungserklärung der Klägerin war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und der nachfolgenden Aufnahme des Prozesses durch den beigeladenen Insolvenzverwalter aus dem Prozess ausgeschieden und der Beigeladene an ihre Stelle getreten wäre (§ 173 VwGO i.V.m. § 240 ZPO).
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Gemäß § 35 InsO ist Insolvenzmasse das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehörende und das während des Verfahrens erlangte Vermögen. Der Insolvenzverwalter wird durch seine Bestellung nicht Organ der Gesellschaft. Vielmehr ist er als Inhaber eines privaten Amtes und Rechtspflegeorgan anzusehen (Urteil vom 13. Mai 2005 – BVerwG 6 C 4.04 – Buchholz 451.66 WpHG Nr. 1 = DVBl 2005, 1268). Er vertritt nicht den Schuldner, sondern hat in Bezug auf die Insolvenzmasse ein Amt inne, kraft dessen er über die Insolvenzmasse verfügt.
Die gewerbliche Betätigung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht grundsätzlich beendet, sondern nur nach Maßgabe der Insolvenzordnung beschränkt. Gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG wird die Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Im Falle der Auflösung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt keine Liquidation, wie aus § 66 Abs. 1 GmbHG folgt, sondern eine Abwicklung nach der Insolvenzordnung. Diese hat nach § 1 InsO das Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger, zwingt aber nicht zur Beendigung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Das Insolvenzverfahren kann zur vorläufigen Fortführung des Unternehmens des Schuldners führen, wie aus § 157 Satz 1 InsO folgt, oder auch nach Bestätigung eines Insolvenzplanes aufgehoben werden mit der Folge, dass der Schuldner gemäß § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO wieder das Recht zur freien Verfügung über die Insolvenzmasse erhält. Die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöste Gesellschaft mit beschränkter Haftung bleibt danach mit den insolvenzrechtlichen Einschränkungen Gewerbetreibende, so dass sich ein verwaltungsgerichtliches Verfahren, in dem die Gesellschaft – wie hier die Klägerin – die Aufhebung einer auf ihre Unzuverlässigkeit gestützten Gewerbeuntersagungsverfügung verlangt, nicht mit ihrer insolvenzbedingten Auflösung erledigt. Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus im Anschluss an die Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (NVwZ 2003, 626) zutreffend dargelegt, dass eine solche Verfügung nicht unmittelbar die Insolvenzmasse betrifft, sondern sich gegen die Gesellschaft wegen eines in ihrer Person gegebenen Unzuverlässigkeitsgrundes richtet und dass darum der Prozess nicht vom Insolvenzverwalter, sondern von der Gesellschaft selbst weiterzuführen ist.
Diese Annahme wird durch die Vorschrift des § 12 GewO bestätigt. Danach finden Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist, ermöglichen, während eines Insolvenzverfahrens, während der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO angeordnet sind, und während der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplanes (§ 260 InsO) keine Anwendung in Bezug auf das Gewerbe, das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde. Dieser Regelung liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass der Schuldner auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Gewerbetreibender bleibt und dass ihm deshalb während dieses Verfahrens wegen finanzieller Unzuverlässigkeit persönlich die Fortsetzung seiner Gewerbetätigkeit untersagt werden könnte, wenn dies nicht nach § 12 GewO im Interesse der Erhaltung des Gewerbebetriebs unzulässig wäre. Dementsprechend ist der Schuldner auch selbst zur Abwehr einer gleichwohl ergehenden Gewerbeuntersagungsverfügung berechtigt.
Auf die vom Beigeladenen aufgeworfene Frage, ob es ein insolvenzfreies Vermögen des Schuldners geben kann, kommt es für die Beurteilung der verfahrensrechtlichen Folgen des Insolvenzverfahrens nicht an. Sieht die Insolvenzordnung, wie ausgeführt, Fallgestaltungen vor, in denen der Schuldner sein Unternehmen fortführt, so würde selbst die Annahme des Fehlens insolvenzfreien Vermögens (dagegen aber Urteil vom 23. September 2004 – BVerwG 7 C 22.03 – BVerwGE 122, 75 = Buchholz 451.222 § 4 BBodSchG Nr. 3) nicht dazu führen, dass der Schuldner nicht als Gewerbetreibender anzusehen ist.
Hat das Verwaltungsgericht somit den beigeladenen Insolvenzverwalter zu Recht nicht als Hauptbeteiligten anstelle der Klägerin behandelt, so bedurfte dieser zur wirksamen Einlegung der Sprungrevision gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Zustimmung beider Hauptbeteiligten, also sowohl der Klägerin als auch des Beklagten. Da die Abwehr der umstrittenen Gewerbeuntersagungsverfügung, wie dargelegt, nicht in den Aufgabenkreis des Insolvenzverwalters fällt, hat er bei der Einlegung seines Rechtsmittels die Klägerin auch nicht wirksam vertreten. Abgesehen davon ist der Insolvenzverwalter, wie gleichfalls bereits erwähnt, nicht Vertreter des Schuldners, sondern Inhaber eines Amtes, das ihn zum Handeln im eigenen Namen berechtigt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Graulich
Fundstellen
Haufe-Index 1491981 |
EWiR 2006, 277 |
StuB 2006, 606 |
ZIP 2006, 530 |
GewArch 2006, 387 |
VR 2006, 215 |
ZVI 2006, 214 |
ZVI 2006, 49 |