Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 13.04.2011; Aktenzeichen 5 A 2049/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. April 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 71 833,26 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Gebühren für amtliche veterinär- und hygienerechtliche Untersuchungen, die in den Jahren 1991 bis 1998 in seinem Schlachtbetrieb vorgenommen wurden. Ursprünglich beliefen sich die durch den Landkreis Darmstadt-Dieburg (Staatliches Amt für Lebensmittelüberwachung, Tierschutz und Veterinärwesen) festgesetzten Gebühren auf 1 281 892,21 DM. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2002 hob das Regierungspräsidium Darmstadt die streitigen Gebührenbescheide insoweit auf, als sie einen Betrag von 759 828,88 DM überstiegen. Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 5. Oktober 2006 die angefochtenen Bescheide in der Fassung des Widerspruchsbescheides aufgehoben, soweit sie Gebühren über den europarechtlichen Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 308 500,04 € festsetzten. Nachdem der Beklagte im Berufungsverfahren die Gebührenfestsetzung in Höhe von 8 164,04 € aufgehoben hatte, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat das Verfahren hinsichtlich des erledigten Teils eingestellt; im Übrigen hat er auf die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 13. April 2011 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide fänden ihre Rechtsgrundlage im Veterinärkontroll-Kostengesetz vom 3. November 1998 (GVBl I S. 414) und in der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Frauen, Arbeit und Sozialordnung (VwKostO-MFAS) i.d.F. vom 26. August 1999 (GVBl I S. 398) i.V.m. dem Kostenverzeichnis. Die Gebührenregelungen des Landesrechts seien mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Soweit es die in den Jahren 1994 bis 1998 vorgenommenen amtlichen Untersuchungen betreffe, ließen sich die in der Verwaltungskostenordnung festgelegten Gebührensätze auf Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73/EWG vom 29. Januar 1985 (ABl EG Nr. L 32 S. 14) i.d.F. der Richtlinien 93/118/EG vom 22. Dezember 1993 (ABl EG Nr. L 340 S. 15) und 96/43/EG vom 26. Juni 1996 (ABl EG Nr. L 162 S. 1) stützen. Danach könnten die Mitgliedstaaten zur Deckung höherer Untersuchungskosten von den gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Pauschalbeträgen abweichen und eine Gebühr erheben, die die tatsächlichen Kosten decke. Die Regelung erlaube einem Mitgliedstaat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch, Gebührensätze festzusetzen, die nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere innerhalb einer Tierart gestaffelt seien. Für den Untersuchungszeitraum 1991 bis 1993 gelte nichts anderes. Wie aus Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 85/73/EWG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG vom 15. Juni 1988 (ABl EG Nr. L 194 S. 24) hervorgehe, hätten bereits damals die Pauschalbeträge auf den Stand der tatsächlichen Untersuchungskosten angehoben werden können. Hinsichtlich der Erhöhungsmöglichkeiten bestehe inhaltlich kein Unterschied zu den späteren Nachfolgeregelungen der Richtlinien 93/118/EG und 96/43/EG. Die vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geäußerten Bedenken (Urteil vom 16. September 2009 – 17 A 2539/03 – KStZ 2009, 238) würden nicht geteilt. Den Gebührensätzen der zulässig rückwirkend in Kraft gesetzten Verwaltungskostenordnung liege auch eine Kalkulation zugrunde, die die tatsächlich angefallenen, abgeltungsfähigen Kosten nachvollziehbar einstelle.
Rz. 2
Die gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil gerichtete Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.
Rz. 3
1. Der Rechtssache kommt auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Der Kläger möchte – zusammengefasst – geklärt wissen, unter welchen Voraussetzungen eine Gebührenerhebung nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinien 93/118/EG und 96/43/EG sowie nach Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Nr. 2 des Anhangs der Entscheidung 88/408/EWG zulässig ist. Er vertritt die These, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seinen Entscheidungen vom 19. März 2009 (– Rs. C-270/07 –, Slg. 2009, I-1983, und – Rs. C-309/07 –, Slg. 2009, I-2077) ein “Realkostengebot und Pauschalierungsverbot” angenommen habe, dem eine Gebührenerhebung nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie nur dann gerecht werde, wenn ihr eine “betriebsbezogene Einzelabrechnung” der tatsächlich angefallenen Kosten zugrunde liege; kein einziges Kostenelement dürfe dabei die Form einer Pauschale annehmen. Zudem meint er, dass eine Gebührenerhebung auf der Grundlage prognostisch festgelegter Gebührensätze für abgeschlossene Rechnungsperioden unstatthaft sei. Diese Auffassung kleidet die Beschwerde in verschiedene Fragen.
Rz. 4
a) Die These des Klägers trifft indes nicht zu. Der Europäische Gerichtshof hat in den besagten Entscheidungen (noch einmal) betont, dass die Erhebung einer die Pauschalgebühr übersteigenden spezifischen Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie unter der einzigen Voraussetzung steht, dass die Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet (– Rs. C-309/07 –, a.a.O. Rn. 20); sie darf ferner nicht die Form eines Pauschalbetrages annehmen (– Rs. C-309/07 –, a.a.O. Rn. 21 und – Rs. C-270/07 –, a.a.O. Rn. 30 ff.). Das letztgenannte Kriterium, auf das sich der Kläger maßgeblich stützt, diente dem Europäischen Gerichtshof ersichtlich nur zur Abgrenzung der spezifischen Gebühr von den EG-Pauschalbeträgen sowie von einer durch Anhebung der Pauschalbeträge gebildeten Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie. Er sah sich zu dieser Klarstellung durch Ausführungen der Kommission veranlasst, die seiner Rechtsprechung meinte entnehmen zu können, dass eine Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie die Form eines Pauschalbetrages annehmen müsse. Dem ist der Europäische Gerichtshof mit den erwähnten Ausführungen entgegengetreten. Vor dem Hintergrund des Streitgegenstandes jener Verfahren, der jeweils den Ansatz für Kosten bestimmter Fleischuntersuchungen betraf, ist damit ersichtlich nur gemeint, dass eine solche Gebühr nicht wie die EG-Pauschalbeträge unbeschadet des konkreten Untersuchungsumfangs (also pauschal) erhoben werden darf, sondern Kostenanteile für bestimmte Fleischuntersuchungen nur dann in die Gebühr einfließen dürfen, wenn sie tatsächlich angefallen sind.
Rz. 5
Diese Vorgabe ändert aber nichts daran, dass es sich um eine “Gebühr” handelt, deren Höhe auf der Grundlage einer Kostenkalkulation ermittelt wird und nicht etwa durch eine nachträgliche Kostenabrechnung jedes Einzelfalls. Die Vorstellungen des Klägers sind mit der gemeinschaftsrechtlich und nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Möglichkeit der Kostendeckung im Wege der Gebührenerhebung nicht vereinbar; sie laufen darauf hinaus, eine Erhebung von Gebühren oberhalb der EG-Pauschalbeträge praktisch unmöglich zu machen (siehe auch BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 – BVerwG 3 B 72.10 – und vom 6. Juni 2011 – BVerwG 3 B 29.11 – juris).
Rz. 6
b) Die These des Klägers wird auch nicht durch die von ihm angeführte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen gestützt, das – in Übereinstimmung mit dem Berufungsurteil – davon ausgeht, dass die Erhebung einer spezifischen Gebühr nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie eine speziell auf den Einzelbetrieb bezogene – nachträgliche – Ermittlung und Abrechnung der tatsächlich entstandenen Untersuchungskosten nicht voraussetzt (vgl. OVG Münster, Urteile vom 30. September 2009 – 17 A 2609/03 – KStZ 2010, 16 = juris Rn. 92 ff. und vom 27. Januar 2010 – 17 A 2509/03 – KStZ 2010, 78 = juris Rn. 62 ff.). Ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Berufungsurteil erachtet das Oberverwaltungsgericht eine Gebührenerhebung auf der Grundlage prognostischer Werte ausdrücklich für zulässig (OVG Münster, Urteil vom 27. Januar 2010 a.a.O. m.w.N.). Soweit es bei der Überprüfung einer konkreten Gebührenkalkulation für den Sonderfall einer nachträglichen Neuberechnung von Gebühren für abgelaufene Zeiträume nicht die durch Zeitablauf obsolet gewordenen Prognosewerte der ursprünglichen Kalkulation, sondern die bereits feststehenden tatsächlich angefallenen Kosten für maßgeblich gehalten hat (OVG Münster, Urteil vom 27. Januar 2010 a.a.O. Rn. 66), ergibt sich keine Abweichung zu dem Berufungsurteil, die eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen könnte. Ob prognostische Werte überholt sind und deshalb einer Kalkulation, die sich an den tatsächlichen Kosten orientieren muss, nicht mehr zugrunde gelegt werden dürfen, ist keine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage, sondern eine Frage der Tatsachenwürdigung im Einzelfall. Hier hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Beklagte bei der – nachträglich vorgenommenen – Kalkulation der Gebühren für die Jahre 1991 bis 1997 die tatsächlichen Kosten und Schlachtzahlen dieser Jahre zugrunde gelegt habe, die er durch eine landesweite Abfrage bei den zuständigen Behörden und anhand der jeweiligen Haushaltspläne ermittelt habe. Für das Jahr 1998 habe das beklagte Land eine auf diesen Zahlen beruhende prognostische Kalkulation für die Zukunft angestellt, weil das Rechnungsergebnis für das Jahr 1998 noch nicht vorgelegen habe. Das Berufungsgericht hat darin keinen Rechtsfehler gesehen. Es sei sachgemäß, dass die Verwaltungskostenordnung für das erste zurückliegende Jahr vor dem Inkraftsetzen der rückwirkenden Gebührenregelung auf die tatsächlichen Zahlen des vorletzten Jahres abstelle. Dafür sprächen bereits Praktikabilitätserwägungen, da bei einem Zuwarten auf die Ermittlung der tatsächlichen Zahlen für das Jahr 1998 wiederum ein entsprechender Zeitablauf eingetreten wäre, der verhindern würde, jemals zu einer Kalkulation für die Zukunft zu gelangen (UA S. 21). Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass dadurch eine fallübergreifend klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird.
Rz. 7
Nichts anderes gilt, soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang auf die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2009 (– 17 A 2539/03 – KStZ 2009, 238) sowie des Europäischen Gerichtshofs vom 10. November 1992 (– Rs. C-156/91 – Slg. 1992 I-5567) beruft und geltend macht, das Berufungsurteil weiche von dieser Rechtsprechung ab. Aus den angeführten Entscheidungen lässt sich für die Rechtsauffassung des Klägers nichts gewinnen. Sie verlangen weder eine “einzelbetriebliche Abrechnung” noch stellen sie die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Gebührenkalkulation in Frage.
Rz. 8
c) Die von dem Kläger angesprochene “einzelbetriebliche Abrechnung” wirft auch im Übrigen keine grundsätzlich bedeutsame Frage auf. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass nach Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie eine Gebühr erhoben werden kann, die nach der Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere unterscheidet, wenn feststeht, dass diese Faktoren sich auf die Kosten auswirken (Urteil vom 19. März 2009 – Rs. C-309/07 –, a.a.O. Rn. 22). Wenn der Europäische Gerichtshof eine “einzelbetriebliche Abrechnung” nach den Vorstellungen des Klägers für erforderlich gehalten hätte, hätte er nicht eine solche Gebührenstaffelung ausdrücklich gebilligt.
Rz. 9
d) Grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde auch nicht in Bezug auf die Richtlinie 85/73/EWG i.V.m. der Entscheidung 88/408/EWG auf. Der Kläger macht geltend, das Berufungsurteil weiche von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 16. September 2009 – 17 A 2539/03 – a.a.O.) ab, wonach die Entscheidung 88/408/EWG nur betriebsbezogene Auf- und Zuschläge auf die Pauschalbeträge, nicht aber eine allgemeine kostendeckende Anhebung erlaube. Indes hat das Oberverwaltungsgericht offen gelassen, ob auch nicht betriebsbedingte kostensteigernde Faktoren wie ein im Vergleich zum Gemeinschaftsdurchschnitt höheres Lohnkostenniveau rechtfertigen können, die gemeinschaftsrechtlichen Pauschalbeträge auf den Stand der tatsächlichen Untersuchungskosten anzuheben (vgl. OVG Münster, Urteil vom 16. September 2009 a.a.O. = juris Rn. 55 ff., 66). Unabhängig davon lässt sich die aufgeworfene Rechtsfrage anhand des Normwortlauts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – in Übereinstimmung mit dem Berufungsurteil – im bejahenden Sinne beantworten, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 85/73/EWG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG können die Mitgliedstaaten die Pauschalbeträge auf den Stand der tatsächlichen Untersuchungskosten (senken bzw.) anheben, wenn ihre Lohnkosten, die Struktur der Betriebe und das Verhältnis zwischen Tierärzten und Fleischbeschauern von dem Gemeinschaftsdurchschnitt abweichen, der für die Berechnung der festgesetzten Pauschalbeträge festgelegt wurde. Die Mitgliedstaaten, die diese Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen, gehen von den im Anhang genannten Grundsätzen aus (Unterabs. 2). Nach Nr. 2 Satz 1 des Anhangs können die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 zur Deckung höherer Kosten die pauschale Leitgebühr anheben. Satz 2 benennt beispielhaft Sachverhalte, die eine Anhebung erlauben. Die Aufzählung ist wegen ihres beispielhaften Charakters nicht abschließend und gestattet daher auch, wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, die pauschale Leitgebühr aufgrund generell höherer Untersuchungskosten für den Mitgliedstaat oder seine regionalen und örtlichen Untergliederungen anzuheben. Dagegen spricht entgegen dem Oberverwaltungsgericht (vgl. OVG Münster, Urteil vom 16. September 2009 a.a.O. Rn. 65) nicht der Vergleich mit der Nachfolgeregelung in Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG; denn Anhang A Kap. I Nr. 4 Buchst. a lässt über die Bezugnahme auf Nr. 5 Buchst. a als Voraussetzung für eine Anhebung der gemeinschaftsrechtlichen Pauschalbeträge auch allgemeine kostenerhöhende Faktoren (Lebenshaltungskosten, Lohnkosten) gelten. Entsprechend geht der Europäische Gerichtshof davon aus, dass sich insoweit die Modalitäten für eine Anhebung der Pauschalgebühren nach der Entscheidung 88/408/EWG und der Richtlinie 93/118/EG nicht unterscheiden (vgl. Urteil vom 30. Mai 2002 – Rs. C-284/00 und C-288/00 – Slg. 2002 I-4611 Rn. 56; Schlussanträge des Generalanwalts vom 21. März 2002, Slg. 2002 I-4611 Rn. 16, 56, 61; siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts in der Rs. C-156/91 vom 25. Juni 1992, Slg. 1992 I-5567 Rn. 30).
Rz. 10
e) Aus der von der Beschwerde problematisierten “rückwirkenden Richtlinienumsetzung” ergibt sich ebenfalls keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage. In der Rechtsprechung des Senats ist hinlänglich geklärt, dass europäisches Gemeinschaftsrecht nicht daran hindert, eine erforderliche Umsetzung rückwirkend vorzunehmen (vgl. BVerwG, nur Beschluss vom 10. Juli 2008 – BVerwG 3 B 30.08 – LRE 57, 293 = juris Rn. 8 m.w.N.; siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Dezember 2007 – 1 BvR 1792/06 – juris Rn. 15). Neue Aspekte, die eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof rechtfertigen könnten, zeigt der Kläger nicht auf. Das gilt auch, soweit er die rückwirkende Umsetzung der Entscheidung 88/408/EWG für gemeinschaftswidrig hält und sich dazu auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. November 1992 (– Rs. C-156/91 – a.a.O.) stützt. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger durch die rückwirkende Umsetzung der Entscheidung 88/408/EWG kein ihm nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zustehendes subjektives Recht auf Veranlagung nach den gemeinschaftsrechtlichen Pauschalgebühren entzogen worden ist. Der Gerichtshof hat entschieden, dass sich ein Einzelner nach Ablauf der in Art. 11 der Entscheidung 88/408/EWG vorgesehenen Frist gegenüber einem Mitgliedstaat auf Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung berufen kann, um sich der Erhebung von höheren Gebühren als den in dieser Bestimmung festgelegten Beträgen zu widersetzen, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, von denen Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung die Möglichkeit einer Anhebung abhängig macht (Urteil vom 10. November 1992 a.a.O. Rn. 21). Der Streitfall liegt indes anders, weil das Berufungsgericht angenommen hat, dass der Beklagte nachträglich durch eine rückwirkende Inkraftsetzung der Verwaltungskostenordnung die Bedingungen geschaffen habe, um höhere Gebühren als die in Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG bestimmten pauschalen Leitgebühren zu erheben. Aus der von dem Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich nicht, dass ein Mitgliedstaat gehindert wäre, die Möglichkeit höherer Gebühren durch eine rückwirkende Anwendung der Bestimmungen über die Anhebung der Pauschalgebühren in der Entscheidung 88/408/EWG wahrzunehmen.
Rz. 11
f) Schließlich zeichnen sich die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, die eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen könnte, auch nicht für den von der Beschwerde angesprochenen Gesichtspunkt einer “unzulässige Inländerdiskriminierung” ab. Der Kläger meint, die rückwirkende Umsetzung der Richtlinie 85/73/EWG durch die rückwirkend in Kraft gesetzte Verwaltungskostenordnung vom 26. August 1999 bewirke, dass die deutschen Schlacht- und Zerlegebetriebe gegenüber in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Schlacht- und Zerlegebetrieben ungleich behandelt würden. Damit beschreibt er keinen Fall von Inländerdiskriminierung; denn damit werden Sachverhalte bezeichnet, bei denen Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union kraft Unionsrechts im Inland besser gestellt sind als Inländer (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin in der – Rs. C-434/09, McCarthy – vom 25. November 2010, Rn. 39). Abgesehen davon legt die Beschwerde auch nicht dar, weshalb die einheimischen Betriebe infolge der rückwirkenden Richtlinienumsetzung anders behandelt würden als Betriebe im EU-Ausland.
Rz. 12
2. Das Berufungsurteil leidet an keinem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Rz. 13
a) Der gerügte absolute Revisionsgrund der nicht mit Gründen versehenen Entscheidung (§ 138 Nr. 6 VwGO) liegt nicht vor. Nicht mit Gründen versehen im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung zwar nicht nur, wenn der Entscheidungsformel überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind, weil die angeführten Gründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst wie völlig unzureichend sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2002 – BVerwG 2 C 25.01 – BVerwGE 117, 228 ≪230 f.≫ = Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 41; Beschluss vom 28. April 2010 – BVerwG 3 B 94.09 – juris Rn. 7 m.w.N.). Davon kann hier aber nicht die Rede sein. Die Beschwerde hält die Begründung des Berufungsurteils für unzureichend und unverständlich, soweit es die Folgerungen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs betrifft. Im Kern kreisen auch diese Ausführungen des Klägers um die von ihm vertretenen Thesen zur Erhebung einer spezifischen Gebühr, die er in dem Berufungsurteil nicht richtig gewürdigt sieht. Damit lässt sich der geltend gemachte Revisionsgrund nicht belegen. Es steht im Übrigen außer Frage, dass sich das Berufungsgericht in seinem Urteil im Einzelnen mit der besagten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs befasst hat (vgl. UA S. 15 f., 19 f., 23 f.). Ebenso wenig ergibt sich ein Begründungsmangel hinsichtlich der Anwendung der Entscheidung 88/408/EWG. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das Berufungsgericht ausführlich begründet, weshalb es den Bedenken nicht gefolgt ist, die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 16. September 2009 (– 17 A 2539/03 – a.a.O.) gegen die Zulässigkeit nicht betriebsbezogener kostensteigender Faktoren sowie gegen Gebührensätze geäußert hat, die nach der Zahl der geschlachteten Tiere differenzieren (vgl. UA S. 16 f.).
Rz. 14
b) Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen seine Verpflichtung aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verstoßen, im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Es hat sich mit dem Vorbringen des Klägers zu den für das Verfahren bedeutsamen Fragen ausführlich auseinandergesetzt. Namentlich hat es detailliert – und unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – seine Annahme begründet, dass die Gebührenregelungen des Landesrechts nicht in Widerspruch zu den Vorgaben der Richtlinie 85/73/EWG stehen. Dabei ist es auf den von dem Kläger geltend gemachten Gesichtspunkt einer unzulässigen Pauschalierung ebenso eingegangen wie auf den von ihm gerügten Verstoß gegen das “Realkostengebot” und das Erfordernis einer “einzelbetrieblichen Abrechnung”. Des Gleichen hat das Berufungsgericht, wie gezeigt, eingehend die Voraussetzungen für eine Anhebung der pauschalen Leitgebühr im Anwendungszeitraum der Entscheidung 88/408/EWG behandelt.
Rz. 15
c) Schließlich rügt der Kläger ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 VwGO, gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO sowie gegen die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen. All diese Rügen beruhen auf der Prämisse des Klägers, dass das Berufungsgericht sich nicht mit der Gebührenkalkulation des Beklagten hätte begnügen dürfen, sondern – im Sinne seiner Thesen – eine nachträgliche einzelbetriebliche Abrechnung der tatsächlich angefallenen Kosten der jeweiligen Amtshandlungen hätte anfordern müssen. Maßgeblich für die Frage, ob das Berufungsgericht einen Verfahrensfehler begangen hat, ist jedoch dessen materiellrechtlicher Standpunkt. Davon ausgehend hat das Berufungsgericht die von dem Beklagten erstellte und im Verfahren vorgelegte Kalkulation überprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gebühren den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügen (vgl. UA S. 18 f., 21). Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das Berufungsgericht auch nicht den Vortrag des Klägers zu der Entscheidung 88/408/EWG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen übergangen, sondern hat sich damit, wie gezeigt, ausführlich auseinandergesetzt.
Rz. 16
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Dr. Kuhlmann
Fundstellen