Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 10.12.2004; Aktenzeichen 20 D 164/00.AK) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger zu 4 a) bis k) gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger zu 4 a) bis k) tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu je 1/10.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 102 258,38 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. November 2001 – BVerwG 6 B 55.01 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 23). Keine der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen erfüllt diese Voraussetzungen.
1. Die Frage,
ob nach Erlass und Bekanntgabe einer luftverkehrsrechtlichen Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG und vor Eintritt ihrer Bestandskraft eine nachträgliche „Entscheidung im ergänzenden Verfahren” zur Behebung von Mängeln der luftverkehrsrechtlichen Änderungsgenehmigung zulässig ist und ob diese Entscheidung im ergänzenden Verfahren ohne Beteiligung der Betroffenen ergehen darf,
bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie ist mit dem Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres zu bejahen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Behörde in einem Planfeststellungsverfahren jederzeit einen von ihr erkannten oder auch nur als möglich unterstellten Mangel beseitigen, indem sie das Verfahren wieder aufnimmt und erneut zu Ende führt (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. November 2002 – BVerwG 4 A 15.02 – NVwZ 2003, 458 ≪486≫; vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 4 C 19.95 – BVerwGE 102, 358 ≪360 f.≫, vom 31. März 1995 – BVerwG 4 A 1.93 – BVerwGE 98, 126 ≪129 f.≫ und vom 5. Dezember 1986 – BVerwG 4 C 13.85 – BVerwGE 75, 214 ≪227≫). Die Fehlerbehebung ist im anhängigen Gerichtsverfahren zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.95 – BVerwGE 100, 238 ≪256≫). Das Verfahren zur Fehlerbehebung ist kein Änderungsverfahren im Sinne des § 76 VwVfG, sondern ein unselbständiger Teil des einheitlichen Planfeststellungsverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2002, a.a.O.; BVerwGE 102, 358 ≪361≫). Im luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren besteht die Befugnis zur Fehlerbehebung unabhängig von § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG. Nach dieser Vorschrift führen erhebliche Mängel bei der Abwägung nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Unter welchen Voraussetzungen Mängel bei der Abwägung behoben werden können, regelt § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG nicht. Die Vorschrift beschränkt sich darauf, dem Gericht, wenn eine Fehlerbehebung möglich ist, die Planaufhebung zu verbieten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 19.94 – BVerwGE 100, 370 ≪372≫). Die der Planerhaltung dienende Befugnis der Behörde, das Verfahren selbst nach Klageerhebung jederzeit zur Behebung eines Mangels wieder aufzunehmen und erneut zu Ende zu führen, ergibt sich aus einem für das Fachplanungsrecht allgemein geltenden Grundsatz. Nach diesem Grundsatz umfasst die Ermächtigung zum Erlass der Planungsentscheidung auch die Befugnis zur Fehlerbehebung. Dieser Grundsatz gilt nicht nur im Planfeststellungs-, sondern auch im luftverkehrsrechtlichen Verfahren zur Erteilung einer Änderungsgenehmigung, wenn abschließend über die rechtliche Zulassung des Vorhabens entschieden wird. Die luftverkehrsrechtliche Genehmigung oder deren Änderung, der keine Planfeststellung nach § 8 LuftVG nachfolgt, ist durch eine Doppelnatur gekennzeichnet. Sie ist einerseits Unternehmergenehmigung, andererseits auch Planungsentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 – BVerwG 4 C 18.03 – UA S. 10; Beschluss vom 20. Februar 2002 – BVerwG 9 B 63.01 – NVwZ 2002, 1235; Beschluss vom 7. November 1996 – BVerwG 4 B 170.96 – Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 13; Urteil vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – BVerwGE 56, 110 ≪135 f.≫). Das gilt auch für eine Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG. Die Entscheidung, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Betrieb eines Flughafens wesentlich erweitert werden darf, ist Gegenstand der planerischen Gestaltungsfreiheit der Genehmigungsbehörde.
Greift die Planfeststellungs- bzw. Genehmigungsbehörde das Verfahren zur Behebung eines Fehlers wieder auf, müssen die Betroffenen nicht automatisch erneut beteiligt werden. Das Verfahren ist an dem Punkt wieder aufzunehmen, an dem der Fehler unterlaufen ist; nur das nachfolgende Verfahren ist erneut durchzuführen. Die sich an die Beteiligung der Betroffenen anschließende Abwägung der Belange, die hier nach Wiederaufnahme des Verfahrens neu durchgeführt werden sollte, findet auch bei erstmaliger Durchführung des Verfahrens ohne erneute Beteiligung der Betroffenen statt. Für die Wiederholung des Verfahrens gilt im Grundsatz nichts anderes. Eine Wiederholung der Anhörung kann allerdings geboten sein, wenn die erneute Abwägung neue Tatsachen oder – für die Betroffenen überraschend – neue rechtliche Gesichtspunkte zutage fördert, zu denen sich die Betroffenen bei ihrer früheren Beteiligung nicht äußern konnten. Einen derartigen Sachverhalt legt die Beschwerde selbst nicht dar.
2. Die Frage,
ob eine luftverkehrsrechtliche Genehmigung die Kapazität des Flughafens oder eines Teils des Flughafens aufgrund von durch die Flughafengesellschaft vorgelegten Kapazitätsgutachten in einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung als Obergrenze der auf dem Flughafen zulässigen Flugbewegungen festlegen darf,
würde sich, soweit die Beschwerde geklärt haben möchte, ob die Genehmigungsbehörde die tatsächliche und unter dem Gesichtspunkt der Flugsicherung mögliche Kapazität eines Flughafens festlegen darf, in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass die „Einbahnkapazitäts-Genehmigung” in der Fassung des Bescheides vom 5. Juni 2003 die tatsächliche und unter dem Gesichtspunkt der Flugsicherung mögliche Kapazität des Flughafens festgelegt hat. Es hat die Genehmigung dahin ausgelegt, dass die mögliche Endkapazität der Hauptstart- und -landebahn, die nach Auflage 6.1 durch die Anzahl der Flugzeugbewegungen nicht überschritten werden darf, durch die in den Auflagen Nr. 6.2 bis 6.4 festgelegten Stundeneckwerte konkretisiert werde. Diese Eckwerte hätten eine „kapazitätsbeschränkende Wirkung” (vgl. UA S. 25). Mit der „genehmigungsrechtlichen Präzisierung der Einbahnkapazität durch stundenbezogene Eckwertvorgaben für die Flughafenkoordinierung” sei der Beklagte den konkurrierenden Belangen hinreichend gerecht geworden (vgl. UA S. 26). Die Eckwerte sind nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts mithin nicht – wie von der Beschwerde vorausgesetzt – aufgrund von durch die Flughafengesellschaft vorgelegten Kapazitätsgutachten, sondern auf der Grundlage einer Abwägung der widerstreitenden Interessen festgelegt worden. Soweit die Beschwerde rügt, dass diese Ansicht des Oberverwaltungsgerichts den Regelungsgehalt der „Einbahnkapazitäts-Genehmigung” nicht abschließend zu würdigen scheine, verkennt sie, dass der tatrichterlich ermittelte Erklärungsinhalt eines Verwaltungsakts als Tatsachenfeststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO nur eingeschränkt überprüfbar ist. Dem Revisionsgericht ist eine eigene Auslegung eines angegriffenen Verwaltungsakts nur möglich, wenn das Tatsachengericht in seiner Entscheidung nichts Näheres ausgeführt und insbesondere sein Auslegungsergebnis nicht näher begründet hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. April 2004 – BVerwG 4 B 2.04 – Buchholz 310 § 137 Abs. 2 VwGO Nr. 12; Urteil vom 4. Dezember 2001 – BVerwG 4 C 2.00 – BVerwGE 115, 274 ≪280≫). So liegt es hier jedoch nicht. Das Oberverwaltungsgericht geht auf die von der Beschwerde in Betracht gezogene Auslegung, dass die Genehmigungsbehörde die tatsächliche Kapazität als Obergrenze festgelegt habe, zwar nicht ausdrücklich ein. Das war jedoch auch nicht erforderlich. Die Beschwerde legt nicht dar, warum sich dem Oberverwaltungsgericht eine Auslegung, die dazu führen würde, dass der Beigeladenen nur solche Flüge versagt blieben, die sie aus tatsächlichen oder flugsicherungstechnischen Gründen ohnehin nicht abwickeln könnte, hätte aufdrängen sollen. Dass die Auslegung der Genehmigung durch das Oberverwaltungsgericht einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 1982 – BVerwG 8 C 27.81 – BVerwGE 65, 61 ≪69≫), hat die Beschwerde ebenfalls nicht geltend gemacht.
Dass die Festlegung kapazitätsbeschränkender Stundeneckwerte als Kernpunkt der Betriebsregelung Bestandteil der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung sein kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332 ≪339≫). Dies bedarf keiner Bestätigung in einem Revisionsverfahren. Gemäß § 27a LuftVG ist im Rahmen der nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Gemeinschaft vorgenommenen Flughafenkoordinierung zwar das Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen für Zwecke der Ermittlung der Flughafenkapazität die für den Flughafen zuständige Behörde; es bestimmt bei zu vollständig koordiniert erklärten Verkehrsflughäfen auch die Anzahl der im voraus planbaren Zeitnischen (Koordinierungseckwert). Hierbei hat das Bundesministerium oder der von ihm gemäß § 31a LuftVG beauftragte Flughafenkoordinator jedoch die sich aus der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung ergebenden Kapazitätsgrenzen zu beachten. Art. 6 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 95/93 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 793/2004 stellt ausdrücklich klar, dass bei der Ermittlung der Parameter für die Zuweisung von Zeitnischen alle relevanten technischen, betrieblichen und umweltschutzbedingten Einschränkungen zu berücksichtigen sind. Dazu gehören auch die in der Betriebsgenehmigung aus Lärmschutzgründen festgelegten Kapazitätsbeschränkungen.
3. Die Frage,
ob bei der Prüfung des Schutzes vor Fluglärm nach § 6 Abs. 4 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 LuftVG und Abwägung der Fluglärmbelastung im luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren bei der Prognose der Fluglärmbelastungen von einer 100:100-Verteilung der Betriebsrichtungen auszugehen ist,
könnte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Ob eine zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen bzw. erheblichen Belästigungen äußerstenfalls zumutbare Geräuscheinwirkung in einem bestimmten Geräuschpegel zutreffend ausgedrückt ist, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine außerrechtliche Fachfrage, die in der Tatsacheninstanz im Wege der Sachverhaltsermittlung – gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen –, nicht aber in der Revisionsinstanz zu klären ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Februar 2005 – BVerwG 4 B 87.04 –, vom 11. September 2002 – BVerwG 9 B 32.02 – und vom 29. April 2002 – BVerwG 9 B 10.02 – juris; Urteile vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332 ≪373≫ und vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 – Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 2 S. 24). Lärmgrenzwerte erlangen ihre Aussagekraft nur im Zusammenspiel mit einem Mess- oder Berechnungsverfahren, in dem sie zu ermitteln sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 9.95 – BVerwGE 101, 1 ≪4≫). Hat der Gesetz- oder Verordnungsgeber weder Lärmgrenzwerte noch ein Mess- oder Beurteilungsverfahren für die Berechnung von Beurteilungspegeln vorgegeben, muss die Verwaltung selbst ein zur Erfassung und Bewertung des Lärms geeignetes Verfahren auswählen. Ob das von ihr gewählte Verfahren geeignet ist, den erforderlichen Schallschutz zu gewährleisten, ist – wie die Festlegung des äußerstenfalls zumutbaren Lärmpegels selbst – eine Frage tatrichterlicher Würdigung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juli 2004 – BVerwG 4 BN 26.04 – BauR 2005, 830 und vom 1. September 1999 – BVerwG 4 BN 25.99 – BRS 62 Nr. 3). Für die Berechnung der Dauerschallpegel hat das Oberverwaltungsgericht, soweit es um langfristige Abschätzungen gehe, die Vorgabe der AzB, eine Mittelung der Lärmbelastung über die sechs verkehrsreichsten Monate vorzunehmen und nicht auf einen Durchschnittstag der sechs verkehrsreichsten Monate mit einer bestimmten Betriebsrichtung abzustellen, als sachgerecht angesehen. Die Aussagekraft eines selbst gewählten Durchschnittstages über langfristige Lärmwirkungen sei wissenschaftlich nicht abgesichert (vgl. UA S. 46). An diese tatrichterliche Würdigung wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.
4. Die Frage,
ob es bei der Prüfung des Schutzes vor Fluglärm nach § 6 Abs. 4 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 LuftVG und Abwägung der Fluglärmbelastung im luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Fluglärm und für die Herstellung eines Interessenausgleichs ausreichend ist, trotz erheblicher Steigerung der Anzahl der Einzelschallereignisse durch die Zunahme der Flugbewegungen maßgeblich nur auf die äquivalenten Dauerschallpegel abzustellen oder ob in die Betrachtung auch die Einzelschallereignisse einfließen müssen,
würde sich in einem Revisionsverfahren nur stellen, soweit es um den Tagfluglärm geht. Nur insoweit hat das Oberverwaltungsgericht allein auf die äquivalenten Dauerschallpegel abgestellt. Bezüglich des Nachtlärmgeschehens durch die insoweit allein in Betracht kommenden Landungen zwischen 22 und 23 Uhr entfaltet die angefochtene Änderungsgenehmigung nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts keine zusätzlichen belastenden Wirkungen (vgl. UA S. 43). Im Übrigen definiert die Änderungsgenehmigung das Nachtschutzgebiet durch eine Grenzlinie von sechs Maximalpegeln mit (mindestens) 75 dB(A).
In Bezug auf den Tagfluglärm könnte die von der Beschwerde aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden, denn auch insoweit geht es um eine außerrechtliche Fachfrage, die in der Tatsacheninstanz im Wege der Sachverhaltsermittlung – gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen – zu klären ist. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht verkannt, dass das Lärmgeschehen durch die Stärke der Einzelereignisse und deren Häufigkeit maßgeblich geprägt wird (vgl. UA S. 45). Es ist auf der Grundlage des lärmphysikalischen Gutachtens der Sachverständigen I./Schm. und der lärmmedizinischen Stellungnahme der Sachverständigen J./Sch. jedoch zu der Einschätzung gelangt, dass äquivalente Dauerschallpegel auch zur Bewertung eines Lärmgeschehens geeignet seien, das sich durch eine gegenüber der Vorbelastung deutliche Zunahme der Einzelschallereignisse bei im wesentlichen gleicher räumlicher Pegelverteilung und gleichen Pegelmaxima auszeichne (UA S. 44). Eindeutig Vorzugswürdiges, etwa in Gestalt von Schwellenwertkriterien anhand von Pegelhäufigkeit und -maxima stehe demgegenüber nicht zur Verfügung (UA S. 45). An diese Feststellungen, die die Kläger weder im Berufungsverfahren mit Beweisanträgen noch im Revisionszulassungsverfahren mit Verfahrensrügen angegriffen haben, wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden. Die von der Beschwerde behauptete Unschlüssigkeit der lärmmedizinischen Stellungnahme ist nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu begründen.
5. Die Frage,
ob es mit dem Gebot der gerechten Abwägung einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung gegenüber den Belangen der Lärmbetroffenen vereinbar ist, zur Vermeidung von Einschränkungen der zuzulassenden Flugbewegungen dem Flughafenbetreiber Schallschutzmaßnahmen für Wohnhäuser zur Schaffung des gewollten Abstandes von erheblicher Belästigung durch Fluglärm in geschlossenen Räumen und eine Entschädigungsleistung von 2 % des Verkehrswertes als Surrogat für die Verlärmung von Außenwohnbereichen aufzuerlegen,
kann, soweit sie einer revisionsgerichtlichen Klärung zugänglich ist, auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es nur dann „notwendig” im Sinne des § 9 Abs. 2 LuftVG, dem Vorhabenträger Schutzvorkehrungen z.B. in Form von Schallschutzmaßnahmen aufzuerlegen, wenn die Planfeststellungsbehörde sich abwägungsfehlerfrei nicht in der Lage sieht, die Problembewältigung durch eigene planerische Gestaltung, etwa durch Anordnung der Landebahnen oder durch unmittelbar geltende Betriebsregelungen, zu leisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332 ≪342 f.≫). Passiver Schutz in Form von Schallschutzfenstern schützt zwar nicht davor, bei gelegentlichem Öffnen der Fenster sowie vor allem im so genannten Außenwohnbereich und im sonstigen Wohnumfeld von erheblichem Fluglärm betroffen zu werden. Dies bedeutet jedoch in rechtlicher Hinsicht nicht mehr, als dass dieser Aspekt in die planerische Abwägung einzubeziehen und rechtsfehlerfrei „zu bewältigen” ist. Eine generelle Reduzierung der planerischen Gestaltungsfreiheit zur Lösung des damit verbundenen Interessenkonflikts auf eine Verpflichtung zu aktivem Lärmschutz im Sinne eines absoluten Vorrangs von Schutzmaßnahmen zugunsten des Außenwohnbereichs lässt sich schon deshalb nicht begründen, weil deren Schutzbedürftigkeit je nach ihrer Lage und bestimmungsgemäßen Nutzung höchst unterschiedlich sein kann. Hinzu kommt, dass aktiver Lärmschutz in Form von betriebsregelnden Lärmkontingenten seinerseits abwägungserhebliche und damit zu bewältigende Probleme auslöst (vgl. BVerwGE 87, 332 ≪346 f.≫). Soweit die Beschwerde meint, dass die trotz Auferlegung von Schallschutzmaßnahmen verbleibenden Beeinträchtigungen der Kläger für eine ordnungsgemäße Abwägung weiter hätten untersucht werden müssen, zeigt sie einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Wie weit die in die Abwägung einzustellenden Belange zu ermitteln sind, hängt maßgebend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab.
6. Die Frage,
ob bei der Prüfung der Belange des Schutzes vor Fluglärm nach § 6 Abs. 4 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 LuftVG und der Abwägung der Fluglärmbelastung eine gesteigerte Schutzbedürftigkeit von krankheits- oder sonst individuell bedingt besonders lärmempfindlichen Menschen zu berücksichtigen ist,
bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist, was der Nachbarschaft an Beeinträchtigungen zugemutet werden kann, anhand eines typisierenden und generalisierenden Maßstabes zu bestimmen, der an das Empfinden eines Durchschnittsmenschen anknüpfen darf (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. September 1999 – BVerwG 4 C 6.98 – BVerwGE 109, 314 ≪324≫ und vom 7. Oktober 1983 – BVerwG 7 C 44.81 – BVerwGE 68, 62 ≪67≫). In welcher Weise diese Rechtsprechung präzisierungs- oder fortentwicklungsbedürftig sein könnte, zeigt die Beschwerde nicht auf.
7. Die Frage,
ob bei der Prüfung der Belange des Schutzes vor Fluglärm nach § 6 Abs. 4 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 LuftVG und der Abwägung der Fluglärmbelastung eine Gesamtlärmbetrachtung erforderlich ist, insbesondere wenn besonders lärmempfindliche und damit schutzwürdige Personen betroffen sind,
lässt sich auf der Grundlage des Gesetzes und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Bei Erteilung einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG hat die Genehmigungsbehörde grundsätzlich nur solchen Lärm auf seine Zumutbarkeit zu prüfen und in die planerische Abwägung einzustellen, der von der Anlage oder dem Betrieb des Flugplatzes herrührt; andere Lärmquellen bleiben außer Betracht. Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz kommt es zwar für den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) nicht darauf an, woher eine zu beurteilende Beeinträchtigung stammt (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2005 – BVerwG 4 A 5.04 – NVwZ 2005, 808 ≪809≫ und vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 9.95 – BVerwGE 101, 1 ≪7≫). Das BImSchG misst sich jedoch keine umfassende Geltung bei. Für Flugplätze gilt es gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BImSchG nicht. Eine Gesamtlärmbetrachtung ist in einem gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG erforderlichen Genehmigungsverfahren nur geboten, wenn die wesentliche Erweiterung oder Änderung der Anlage oder des Betriebs des Flugplatzes im Zusammenwirken mit vorhandenen Vorbelastungen insgesamt zu einer Lärmbelastung führt, die mit Gesundheitsgefahren oder einem Eingriff in die Substanz des Eigentums verbunden ist (vgl. BVerwG, NVwZ 2005, 808 ≪809≫; Urteil vom 20. Mai 1998 – BVerwG 11 C 3.97 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 ≪S. 51≫; BVerwGE 101, 1 ≪9≫). Die Beschwerde meint, dass das Oberverwaltungsgericht Anhaltspunkte für eine grundrechtsbeeinträchtigende Gesamtlärmbelastung nicht hätte verneinen dürfen (vgl. UA S. 47). Für Kläger, die in bestimmten besonders stark belasteten Bereichen wohnen, und für die besonders lärmempfindlichen Kläger zu 1, 4 und 7 sei die Grenze zur Gesundheitsgefährdung überschritten. Insoweit kritisiert die Beschwerde die tatrichterliche Würdigung des Sachverhalts. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung lässt sich auf diese Weise nicht erreichen.
8. Die Frage,
ob es für die Prüfung des Schutzes vor Fluglärm nach § 6 Abs. 4 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 LuftVG und die Abwägung der gegenläufigen privaten und öffentlichen Belange bei der Erteilung einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung der tatsächliche oder der planerisch-politische Bedarf für den mit der Änderungsgenehmigung zuzulassenden Mehrverkehr maßgeblich ist,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen (a). Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, welche Anforderungen bei der Erteilung einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung für die Erweiterung des Flugbetriebs eines Flughafens im Rahmen der Abwägung an den Verkehrsbedarf zu stellen sind (b).
a) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht – wie die Beschwerde meint – einen „planerisch-politischen Bedarf” für die Erweiterung des Betriebs des Flughafens der Beigeladenen ausreichen lassen, um die gegenläufigen Interessen der Nachbarschaft im Wege der planerischen Abwägung zu überwinden. Es hat im Rahmen der Planrechtfertigung festgestellt, dass am Flughafen der Beigeladenen schon seit langem weit mehr als die in der Erweiterungsgenehmigung von 1976 festgelegten 71 000 Slots für den gewerblichen Verkehr vergeben und Bewegungen tatsächlich durchgeführt würden; bereits jetzt komme die Zahl der Flugbewegungen deutlich einem Umfang nahe, den der Beklagte in Vollziehung der vorliegenden Genehmigung im Linien- und Charterflugverkehr für realistischerweise erreichbar halte (vgl. UA S. 24). Es ist mithin davon ausgegangen, dass ein konkreter und aktueller Verkehrsbedarf für die genehmigte Erweiterung des Flugbetriebs besteht. Diesen Verkehrsbedarf hat es auch bei der Überprüfung der Abwägungsentscheidung des Beklagten vorausgesetzt (vgl. UA S. 58 ff.). Die Aussagen des Landesentwicklungsprogramms und die Beschlüsse des Landtags und der Landesregierung zur „bedarfsgerechten Weiterentwicklung” (UA S. 60) des Flughafens der Beigeladenen hat es lediglich herangezogen, um zu belegen, dass die Befriedigung des Verkehrsbedarfs nicht nur im privaten, sondern im öffentlichen Interesse liegt und dass dieses öffentliche Interesse in der Abwägung schwer wiegt. Es geht dem Oberverwaltungsgericht insoweit nicht um die tatsächliche Feststellung eines „planerisch-politischen Bedarfs”, sondern um die bewertende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange (vgl. UA S. 61). Den Beweisanregungen der Kläger zum konkreten Bedarf für vom Flughafen der Beigeladenen abzuwickelnde Flugbewegungen ist das Oberverwaltungsgericht allerdings nicht nachgekommen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte bei der Anerkennung von öffentlichen Verkehrsinteressen nicht auf die Befriedigung eines zahlenmäßig umschriebenen Bedarfs für die Abfertigung von Passagier- oder Flugbewegungszahlen und deren Realisierung in bestimmten Zeiträumen abstelle; die Frage, ob derzeit oder absehbar eine Auslastung des Flughafens erreichbar sei, sei deshalb nicht weiter aufklärungsbedürftig (vgl. UA S. 61). Auch dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, das Oberverwaltungsgericht habe einen tatsächlichen Verkehrsbedarf für entbehrlich gehalten. Es hat sich mit der im Rahmen der Planrechtfertigung erfolgten Abschätzung des tatsächlichen Verkehrsbedarfs auch im Rahmen der Abwägungskontrolle begnügt, weil die Festigung der überkommenen Verkehrsfunktion einer öffentlichen Infrastruktureinrichtung die Gewährung eines sicheren Rahmens für Dispositionen und künftige Entwicklungen mit den Mitteln einer Planungsentscheidung erfordere (vgl. UA S. 61). Auch insoweit hat es vorausgesetzt, dass die Gewährung eines solchen Rahmens durch die aktuell feststellbare und die prognostizierte künftige Nachfrage nach vom Flughafen der Beigeladenen aus abzuwickelnden Flügen gerechtfertigt ist.
b) Im Übrigen hat sich der Senat mit der Frage, welche Anforderungen an den Verkehrsbedarf und dessen tatrichterliche Kontrolle im Rahmen luftverkehrsrechtlicher Planungsentscheidungen zu stellen sind, bereits in seinem Urteil vom 20. April 2005 – BVerwG 4 C 18.03 – NVwZ 2005, 933 (zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen) zur Nachtflugregelung für den Flughafen München ausführlich befasst. Es ist nicht zu erwarten, dass die dort dargelegten Grundsätze in dem erstrebten Revisionsverfahren weiterentwickelt oder präzisiert werden könnten. Der Senat hat in dem genannten Urteil zu den Anforderungen an den Verkehrsbedarf ausgeführt:
„Nachtflugbedarf kann sich nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen. Insoweit fließen Einschätzungen und Prognosen in die Planung ein. Nachtflugregelungen für einen Verkehrsflughafen dürfen zukunftsorientiert sein und es dem Flughafenbetreiber im Vorgriff auf künftige Entwicklungen ermöglichen, einer Bedarfslage gerecht zu werden, die zwar noch nicht eingetreten ist, aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann. …
Eine Nachtflugregelung, die im Vorgriff auf einen noch nicht absehbaren Bedarf erlassen wird, ist vorzeitig und kann als reine „Vorratsplanung” abwägungsfehlerhaft sein. … Die Lockerung von Nachtflugverboten kann das Abwägungsverbot verletzen, weil der Nachtflugbedarf noch nicht konkret absehbar ist und der möglicherweise in Zukunft einmal entstehende Lärmkonflikt im Wege der Abwägung gegenwärtig nicht so bewältigt werden kann, wie dies möglich wäre und geboten sein könnte, wenn die Abwägungsentscheidung erst zu gegebener Zeit auf der Grundlage der dann maßgebenden abwägungserheblichen Gesichtspunkte getroffen würde…
…
Für die Überprüfung eines prognostizierten nachfrageorientierten Nachtflugbedarfs gilt wie allgemein für die Kontrolle von Verkehrsprognosen im Fachplanungsrecht: Das Gericht hat (nur) zu prüfen, ob die Prognose nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, ob der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und ob das Ergebnis einleuchtend begründet ist (…). Ob die Nachfrage nach Nachtflugmöglichkeiten einem berechtigten Anliegen der Flugreisenden entspringt, liegt jenseits richterlicher Kontrolle. Eine Bedürfnisprüfung in diesem Sinne, wie sie der Revision hinsichtlich nächtlicher „Touristikflüge bzw. Pauschalreiseflüge” vorschwebt, findet nicht statt. …”
Diese Grundsätze gelten, soweit es nicht um Besonderheiten des Nachtflugbetriebs geht, auch für den Flugbedarf am Tage. Das bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Philipp
Fundstellen