Verfahrensgang

VG Leipzig (Aktenzeichen 1 K 3335/98)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 21. Mai 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf eine Million DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung eines Grundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen – VermG –. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil der Verlust des Grundstücks nicht auf eine Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 VermG zurückzuführen sei.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1), noch liegt die behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor (2). Schließlich sind auch die gerügten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht erkennbar (3).

1 a) Die von den Klägern für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage,

„ob die Fallgruppe des § 1 Abs. 3 VermG des Vorschiebens eines nicht bestehenden Enteignungszweckes gegeben ist, wenn keinerlei konkreter Inanspruchnahmezweck (Bebauung oder Platzgestaltung) vorliegt und lediglich die Beschlagnahme als ausreichend angesehen wird, um eine einheitliche Entschädigungsregelung zu ermöglichen für zwei Grundstücke, die gemeinsam mit Grundpfandrechten belastet sind und von denen lediglich das eine Grundstück wegen konkreter Planung (Straßenarbeiten) enteignet worden ist”,

kann nicht zum Erfolg des Rechtsbehelfs führen, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde; denn sie setzt Tatsachen voraus, die das Verwaltungsgericht so nicht festgestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat nicht angenommen, daß das von den Klägern beanspruchte Grundstück lediglich beschlagnahmt worden ist; es ist vielmehr davon ausgegangen, daß dieses Grundstück seinerzeit enteignet werden sollte und auch enteignet worden ist.

b) Ebensowenig zu beantworten wäre in einem Revisionsverfahren die weitere von den Klägern aufgeworfene Frage,

„ob es bei der Fallgruppe des § 1 Abs. 3 VermG des Vorschiebens eines nicht bestehenden Inanspruchnahmezwecks für die Beurteilung des Machtmißbrauchs auf den Zeitpunkt des Erlasses des Inanspruchnahmebescheides (27.01.1962) oder den darin – rückwirkend – vermerkten Inanspruchnahme- bzw. Beschlagnahmetag (01.01.1959) oder den die Enteignung vollziehenden Tag des Erlasses des Entschädigungsbescheides (02.06.1962) ankommt”.

Die damit aufgeworfene Fragestellung verkennt die gesetzliche Regelung des § 1 Abs. 3 VermG. Eine im Zeitpunkt der Inanspruchnahme gerechtfertigte Enteignung wird nicht schon dadurch zur unlauteren Machenschaft, daß die Wirkungen der Inanspruchnahme in die Vergangenheit verlegt werden.

c) Die dritte von den Klägern als klärungsbedürftig bezeichnete Frage,

„ob die Fallgruppe des § 1 Abs. 3 VermG des gesetzlich nicht gedeckten Enteignungszwecks bei Aufbaugesetzenteignungen gegeben ist, wenn die Verwendung des Grundstücks ausschließlich für die Straßenverbreiterung und die funktionale Verbindung mit einem ‚Stadtplatz’ vorgesehen war und nach der Anweisung des Ministers für Bauwesen vom 30.05.1958 als Rechtsgrundlage nur die Verordnung über das Straßenwesen vom 18.07.1957 als Inanspruchnahmegrundlage in Betracht kam”,

kann ebenfalls nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen. Es liegt auf der Hand und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, daß die bloße Heranziehung einer falschen Rechtsgrundlage für eine nach der Beurteilung des Gerichts nach anderen Vorschriften grundsätzlich erlaubte Inanspruchnahme eines Grundstücks keine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellt.

2. Die Divergenzrüge der Kläger führt gleichfalls nicht zum Erfolg des Rechtsbehelfs. Die geltend gemachte Abweichung von dem Beschluß des Senats vom 4. Januar 1994 – BVerwG 7 B 99.93 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 12) ist nicht erkennbar. Entgegen der Auffassung der Kläger hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil nicht offengelassen, ob der angegebene Enteignungszweck wirklich verfolgt worden ist, also nicht vorgeschoben war; es hat sich lediglich nicht zu der Frage verhalten, ob die zur „Platzgestaltung” vorliegende Planung schon hinreichend konkret war, um eine Inanspruchnahme nach Maßgabe der Vorschriften des Aufbaugesetzes zu rechtfertigen. Aus diesem Grund scheidet auch eine Divergenz zu den Urteilen des Senats vom 28. Juli 1994 – BVerwG 7 C 41.93 – (Buchholz a.a.O. Nr. 28) sowie vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 8.97 – (Buchholz a.a.O. Nr. 140) aus.

3. Schließlich greifen auch die erhobenen Verfahrensrügen nicht durch.

a) Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe das Verfahren in unzulässiger Weise mit dem Verfahren VG 1 K 267/99 verbunden, ist nicht nachvollziehbar, weil eine solche Verbindung nicht stattgefunden hat. Das Verwaltungsgericht hat lediglich die Akten jenes Verfahrens beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

b) Soweit die Kläger beanstanden, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Feststellung, ihre Rechtsvorgängerin habe die Enteignung gewollt, den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt, legen sie keinen Verfahrensfehler dar; vielmehr setzen sie der gerichtlichen Tatsachenfeststellung und -würdigung ihre eigene entgegen, ohne Mängel herauszuarbeiten, die mit der Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemacht werden können. Abgesehen davon sind die einschlägigen Ausführungen der Beschwerdebegründung in diesem Punkte nur schwer nachvollziehbar. Die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Schreiben der Mutter des Klägers zu 2 belegen mit kaum zu überbietender Deutlichkeit, daß diese an der Enteignung der für sie nutzlosen Trümmergrundstücke überaus interessiert war und das Enteignungsverfahren zügig durchgeführt wissen wollte, weil sie mit dem Entschädigungsbetrag ihre karge Rente aufzubessern hoffte, die sie mit einem ergänzenden Schreiben vom 26. September 1961 gegenüber dem Rat der Stadt Leipzig mit 124 Mark angab (Verwaltungsakte Bl. 14 der beigezogenen Verwaltungsvorgänge zum Rechtsstreit 1 K 267/96 ≪VG Leipzig≫).

c) Eine Zulassung der Revision wegen einer Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO kommt ebensowenig in Betracht. Die Kläger meinen, das Verwaltungsgericht habe nicht hinreichend ermittelt, ob überhaupt eine konkrete Planung für eine Bebauung des enteigneten Flurstücks oder dessen Nutzung für die Platzgestaltung bestanden habe. Dem ist schon deshalb nicht weiter nachzugehen, weil das angegriffene Urteil auf dem gerügten Verfahrensfehler – unterstellt, daß er vorliegt –, nicht beruhen würde. Dem Urteil liegt die Feststellung zugrunde, daß die Mutter des Klägers zu 2 die Enteignung des von den Klägern beanspruchten Grundstücks gewollt hat. Daraus folgt, daß eine unlautere Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG auch dann nicht vorläge, wenn sich ohne ein derartiges Eigentümerverhalten eine nach Maßgabe des Aufbaugesetzes erfolgte Enteignung des Grundstücks im Blick auf einen noch nicht hinreichend konkretisierten Stand der Planung verboten hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Franßen, Dr. Bardenhewer, Kley

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566592

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