Entscheidungsstichwort (Thema)
Flughafen Düsseldorf. Angerland-Vergleich. vertragliche Bindung der Planungsbehörde. fachplanerisches Abwägungsgebot. Gemeinnützigkeit von Verkehrsflughäfen. Betriebspflicht. Ausbau eines Flughafens. Erweiterung des Betriebs. vertragliche Bindung des Flughafenbetreibers
Leitsatz (amtlich)
Das geltende Luftverkehrsrecht verbietet es einem Flughafenbetreiber nicht, vertragliche Bindungen einzugehen, die ihm auf Dauer eine bauseitige oder betriebliche Anpassung des Flughafens an ein steigendes Luftverkehrsaufkommen verwehren.
Normenkette
LuftVG §§ 6, 8; LuftVZO § 45 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 05.09.2002; Aktenzeichen 20 D 53/99.AK) |
Tenor
Die Beschwerden der Beklagten und des Beigeladenen zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. September 2002 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 2 sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die auf Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützten Beschwerden haben keinen Erfolg.
I.
Das Beschwerdevorbringen des Beigeladenen zu 1 rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Der Beigeladene zu 1 hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob
„eine für Entscheidungen nach §§ 6 und 8 LuftVG zuständige Genehmigungsbehörde bzw. Planfeststellungsbehörde sich zeitlich dauerhaft – hier: über einen Zeitraum von mehr als 37 Jahren – verpflichten (kann), fachplanerische Entscheidungen mit vertraglich definierten Inhalten nicht zu treffen”.
Mit dieser Grundsatzrüge will der Beigeladene zu 1 eine revisionsgerichtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils erwirken, soweit die im Tenor ausgesprochene Feststellung, der sog. Angerland-Vergleich sei wirksam, auch eine dort in Ziff. III des Abschnitts a) 1. Teil A. enthaltene Vertragsbestimmung erfasst, die wie folgt lautet:
„Der Antragsgegner erklärt, dass er keinen Antrag der beigeladenen DFG genehmigen wird, der hinsichtlich eines Ausbaues eines Start- und Landebahnsystems über den Umfang des Generalausbauplans und hinsichtlich des Flugbetriebes über die in Ziff. II getroffene Regelung hinausgeht.”
Der Beigeladene zu 1 hält die daraus zu entnehmende Unterlassungsverpflichtung für unzulässig, weil sie eine Bindung bewirke, die mit den Anforderungen an eine planerische Abwägung unvereinbar sei; die Vertragsbestimmung sei daher nichtig.
Dem Beigeladenen zu 1 ist es jedoch nicht gelungen, die Entscheidungserheblichkeit der von ihm aufgeworfenen Frage darzulegen (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine für die Entscheidung des Tatsachengerichts nicht maßgebliche Rechtsfrage vermag die Zulassung der Revision wegen Rechtsgrundsätzlichkeit nicht zu rechtfertigen (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 1986 – BVerwG 2 B 94.85 – Buchholz 310 § 75 VwGO Nr. 11). Unter diesem Blickwinkel hätte sich der Beigeladene zu 1 mit der Argumentation der Vorinstanz auseinander setzen müssen, Erwägungen über eine „verfrühte Festlegung” der planerischen Entscheidung gingen fehl, weil sich nur die Beklagte einem aus der genannten Vertragsbestimmung folgenden Unterlassungsanspruch ausgesetzt sehe, der im Übrigen sogar das Sachbescheidungsinteresse für abredewidrige Anträge in Frage stelle (UA S. 26). Hieraus folge, dass der Beigeladene zu 1 mit der „Zusage, vergleichswidrige Anträge der Beklagten nicht zu genehmigen”, seine Befugnisse nicht überschritten habe (UA S. 30). Der Beigeladene zu 1 kritisiert diese Erwägungen der Vorinstanz zwar als unzutreffend, führt darüber hinaus aber für die Entscheidungserheblichkeit der von ihm aufgeworfenen Frage lediglich den Gedanken an, dass die Fallgestaltung, die Gegenstand des Verfahrens OVG 20 D 145/97.AK (= BVerwG 9 B 85.02) geworden sei, die „eigenständige Bedeutung” ihrer vertraglichen Verpflichtung belege. Das überzeugt jedoch nicht. Auch in dem Urteil, das im genannten Verfahren ergangenen ist, geht die Vorinstanz von der Prämisse aus, die streitige Nr. III des Angerland-Vergleichs sei weiterhin wirksam, solange von der Beklagten nicht eine Vertragsanpassung nach Maßgabe von § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erwirkt worden sei. Mit dieser Aussage knüpft die Vorinstanz an die Erwägungen an, die sie im vorliegenden Fall für ihr Urteil tragend gemacht hat, dass nämlich eine Vertragsauslegung möglich ist, die eine unzulässige Bindung der fachplanerischen Entscheidungsbefugnis im Ergebnis ausschließt. Denn das „Negativattest”, das Gegenstand des Verfahrens OVG 20 D 145/97.AK war, betrifft nach Ansicht der Vorinstanz ein Vorhaben, das nach der – inzident bewirkten – Vertragsanpassung mit vertraglichen Pflichten der Beklagten vereinbar ist.
2. Soweit der Beigeladene zu 1 hilfsweise eine Divergenz zu von ihm im Einzelnen aufgelisteten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Bauplanungsrecht rügt, sind die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht erfüllt. Es wird von ihm kein die Entscheidung der Vorinstanz tragender Rechtssatz herausgearbeitet, der mit einem Rechtssatz in der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch steht. Entgegen der Ansicht des Beigeladenen zu 1 hat die Vorinstanz es in dem angefochtenen Urteil nämlich gerade vermieden, die Verpflichtung auszusprechen, „eine Planung bestimmten Inhalts vorzunehmen oder zu unterlassen.”
Entscheidungsgründe
II.
Auch die Beschwerde der Beklagten ist nicht geeignet, eine Revisionszulassung zu rechtfertigen.
1. Zunächst wirft die Beklagte – in abweichender Formulierung, in der Sache aber übereinstimmend – die bereits zuvor behandelte Frage der Zulässigkeit einer Bindung der fachplanerischen Entscheidungsbefugnis auf und stützt hierauf ihre Grundsatz- und Divergenzrüge. Zur Vermeidung von Wiederholungen ist insoweit auf die vorstehenden Ausführungen (oben I.) zu verweisen.
2. Zusätzlich hält die Beklagte sinngemäß die Frage für klärungsbedürftig,
ob sie „als Trägerin einer im öffentlichen Interesse betriebenen Verkehrseinrichtung” wirksam vertragliche Bindungen eingehen kann, „die einen dauernden Verzicht auf den Ausbau des Flughafens und/oder die Änderung seines Betriebes” beinhalten.
In diesem Zusammenhang hält die Beklagte auch die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
„ob auch der planende Vorhabenträger oder erst die Behörde an das Abwägungsgebot gebunden ist”.
Die Beklagte vermag nicht aufzuzeigen, dass die zuletzt genannte Frage entscheidungserheblich ist. Denn die tragenden Erwägungen der Vorinstanz knüpfen erkennbar daran an, dass Entscheidungen nach §§ 6 und 8 LuftVG antragsabhängig sind (UA S. 29). Wenn die Beklagte nach der von der Vorinstanz für richtig erachteten Vertragsauslegung verpflichtet ist, abredewidrige Vorhaben nicht zum Gegenstand eines Antrags zu machen, stellt sich die Frage einer Bindung durch das Abwägungsgebot nicht.
Dieser Frage kann im Übrigen selbst dann keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden, wenn man sie mit der Ausgangsfrage verknüpft und überlegt, ob die Geltung des Abwägungsgebots für Entscheidungen nach §§ 6 und 8 LuftVG den Rückschluss darauf erlaubt, dass der Betreiber eines Verkehrsflughafens sich vertraglichen Verpflichtungen, die seine Dispositionen über einen weiteren Ausbau und/oder die Änderung seines Betriebs betreffen, von Rechts wegen nicht unterwerfen kann. Dies ist ohne weiteres zu verneinen. Das fachplanerische Abwägungsgebot ist ein Entscheidungsprogramm, das die behördliche Vorhabenszulassung so steuern soll, dass die von dem Vorhaben ausgelösten Konflikte einem „Ausgleich” zugeführt werden, indem diejenige Lösung für die Verwirklichung des Vorhabens gefunden wird, die die öffentlichen und privaten Belange am wenigsten beeinträchtigt (vgl. Beschluss vom 2. November 1992 – BVerwG 4 B 205.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92, S. 104). Eine Verpflichtung zur Planung und Durchführung von Vorhaben erwächst daraus nicht.
Die Erwägungen der Beklagten zielen deswegen letztlich in eine andere Richtung. Sie versucht aus der – in der Rechtsprechung anerkannten (vgl. zuletzt Urteil vom 11. Juli 2001 – BVerwG 14.00 – BVerwGE 114, 364 ≪375≫ m.w.N.) – Gemeinnützigkeit von Verkehrsflughäfen eine Verpflichtung des Flughafenbetreibers herzuleiten, der von ihm betriebenen Infrastruktureinrichtung nicht durch die Eingehung vertraglicher Bindungen jede künftige Entwicklungsmöglichkeit zu nehmen. Wie die Vorinstanz entschieden hat (UA S. 29) findet sich für eine derartige Pflicht derzeit keine Rechtsgrundlage. § 45 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO normiert für Flughäfen zwar eine Betriebspflicht. Eine Pflicht zur bauseitigen oder betrieblichen Anpassung des Flughafens an ein steigendes Luftverkehrsaufkommen kennt das Luftverkehrsrecht dagegen nicht. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.
3. Eine Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – (BVerwGE 87, 332 ff.), die von der Beklagten gerügt wird, ist nicht hinreichend dargelegt (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Den aus dieser Entscheidung zitierten Rechtssätzen wird kein die Entscheidung der Vorinstanz tragender Rechtssatz gegenübergestellt, der damit in Widerspruch steht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO; die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Hien, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen
Haufe-Index 929230 |
DÖV 2003, 1047 |
NuR 2003, 714 |
VR 2004, 359 |
ZLW 2003, 652 |
DVBl. 2003, 751 |
UPR 2003, 308 |
NWVBl. 2003, 341 |