Verfahrensgang
OVG des Saarlandes (Urteil vom 21.11.2006; Aktenzeichen 1 R 23/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21. November 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Zulassung der Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerechtfertigt. Die Beschwerde zeigt keinen Verfahrensmangel schlüssig auf, auf dem das Berufungsurteil beruhen könnte.
Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe das Sachverständigengutachten des Dr. L… unzutreffend gewürdigt, wird ein Verfahrensmangel nicht geltend gemacht. Vielmehr stellt sich dieses Vorbringen als revisionsrechtlich unbeachtlicher Angriff auf die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht dar (vgl. Urteil vom 22. Januar 1969 – BVerwG 6 C 52.65 – BVerwGE 31, 212 ≪217≫). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beweiswürdigung stets dem sachlichen Recht zugehört und deshalb der Prüfung des Revisionsgerichts in einer Verfahrensrevision entzogen ist (vgl. z.B. Beschlüsse vom 10. Februar 1978 – BVerwG 1 B 13.78 – Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 8 und vom 21. September 1982 – BVerwG 2 B 12.82 – Buchholz 238.5 § 46 DRiG Nr. 2) oder ob Fehler der Beweiswürdigung als Verfahrensmängel geltend gemacht werden können (vgl. z.B. Urteil vom 4. Juli 1973 – BVerwG 6 C 14.73 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 72). Denn Fehler der Beweiswürdigung sind von der Beschwerde weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Beweiswürdigung des Tatrichters ist aufgrund des § 137 Abs. 2 VwGO vom Revisionsgericht nur auf die Verletzung allgemeinverbindlicher Beweiswürdigungsgrundsätze überprüfbar, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören (vgl. Urteile vom 6. Februar 1975 – BVerwG 2 C 68.73 – BVerwGE 47, 330, ≪361≫, vom 27. November 1980 – BVerwG 2 C 38.79 – BVerwGE 61, 176, ≪188≫ und vom 8. Mai 1984 – BVerwG 9 C 141.83 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 147).
Die Beschwerde legt nicht dar, welche allgemeinen Auslegungsgrundsätze, welche durch Erfahrungswissen allgemein gesicherten Sätze oder welche Denkgesetze das Berufungsgericht bei der Würdigung des Sachverhalts außer Acht gelassen haben sollte. Hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen die Denkgesetze nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann vor, wenn ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht aber schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn der vom Verfahrensbeteiligten favorisierte Schluss vielleicht sogar näher liegt als der vom Gericht gezogene (vgl. Beschluss vom 21. September 1982, a.a.O.). Sind bei der Beweiswürdigung mehrere Folgerungen denkgesetzlich möglich, so ist es nicht nur nicht fehlerhaft, wenn das Tatsachengericht unter mehreren möglichen eine Folgerung wählt, sondern gerade auch seine ihm durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragene Aufgabe, sich unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung zu bilden.
Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht sei von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen, wird ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht dargelegt.
Als weiteren Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe es fehlerhaft unterlassen, den Gutachter Dr. L… in der mündlichen Verhandlung zu befragen und die Fachärztin E… als sachverständige Zeugin anzuhören. Damit wird ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO ) nicht ordnungsgemäß dargelegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidet das Tatsachengericht über die Einholung eines weiteren Gutachtens oder die Ergänzung vorhandener Gutachten nach seinem Ermessen (z.B. Urteil vom 6. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 12.87 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31; Beschluss vom 24. März 2000 – BVerwG 9 B 530.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308). Das gilt auch dann, wenn eine solche Maßnahme der Sachverhaltsermittlung von einer der Parteien angeregt worden ist. Die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. Das ist wiederum nur dann der Fall, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Dies kommt dann in Betracht, wenn die dem Gericht vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (vgl. u.a. Urteile vom 19. Dezember 1968 – BVerwG 8 C 29.67 – BVerwGE 31, 149 ≪156≫ und vom 6. Februar 1985 – BVerwG 8 C 15.84 – BVerwGE 71, 38 ≪45≫ m.w.N.). Das Vorliegen eines solchen Mangels zeigt die Beschwerde nicht auf. Im Übrigen ist das Tatsachengericht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz seiner Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Beweiserhebung vorzunehmen, die eine anwaltlich vertretene Partei – entsprechend ihrer Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts – nicht beantragt hat (z.B. Urteil vom 22. Februar 1996 – BVerwG 2 C 12.94 – Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 4). Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 21. November 2006 hat der anwaltlich vertretene Kläger entsprechende Beweisanträge nicht gestellt. Gründe, aus denen sich hier die von der Beschwerde vermissten Beweiserhebungen dem Berufungsgericht auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung – auf die es hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Aufklärungspflicht ankommt – von sich aus hätten aufdrängen müssen, sind weder von der Beschwerde vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Schließlich trägt der Kläger vor, die Berufungsentscheidung stelle eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar; das Oberverwaltungsgericht sei von der Würdigung des Sachverständigengutachtens seitens des Klägers abgewichen und dies sei nicht erwartet worden. Mit diesem Vorbringen rügt der Kläger sinngemäß, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu den tatsächlichen Umständen des Falles, sondern auch umfassend zur Rechtslage äußern zu können. Allerdings besteht regelmäßig keine Pflicht des Gerichts, ihnen mitzuteilen, welche Rechtsauffassung es zu vertreten gedenkt. Vielmehr müssen die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich alle rechtlichen Gesichtspunkte, auf die es nach den Umständen des Falles ankommen könnte, von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen. Eine Gehörsverletzung liegt nur vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, dessen entscheidungserhebliche Bedeutung auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu erkennen vermag (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫; stRspr). Davon ausgehend liegt die geltend gemachte Gehörsverletzung nicht vor. Der Umstand, dass der Kläger das Gutachten anders als das Berufungsgericht “ausschließlich zu seinen Gunsten” verstanden hat und dies dem Gericht vor der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass das Gericht seine Auffassung teilt. Vielmehr hat sich das Gericht maßgeblich auf die Feststellungen des Gutachters Dr. L… zu Persönlichkeitsbild und -struktur des Klägers gestützt.
Die Rechtssache hat auch nicht die ihr von der Beschwerde beigelegte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das erstrebte Revisionsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedürfen (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫).
Soweit die Beschwerde die auf den Einzelfall bezogene rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts angreift, wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht herausgearbeitet. Soweit die Beschwerde geltend macht, der “Begriff der wesentlichen Ursache des dienstunfallbezogenen Kausalzusammenhangs (sei) im Hinblick auf psychische Erkrankungen nicht abschließend geklärt”, wird ebenfalls keine klärungsbedürftige Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Das Berufungsgericht ist von dem nach ständiger Rechtsprechung für das Dienstunfallrecht maßgebenden Ursachenbegriff ausgegangen. Dass für psychische Krankheiten neben medizinischen auch rechtliche Besonderheiten gelten könnten, zeigt die Beschwerde nicht auf und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich. Zudem dürfte es auf diese Frage im Revisionsverfahren aller Voraussicht nach nicht ankommen, weil – auch psychische – Erkrankungen in aller Regel nicht auf einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis im Sinne des § 31 BeamtVG beruhen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Albers, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen