Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 07.10.2004; Aktenzeichen 2 S 2806/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. Oktober 2004 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts liegt nicht vor. Eine solche Abweichung setzt voraus, dass die Vorinstanz sich in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 68.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Die Antragstellerin entnimmt dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 1985 (BVerwG 8 B 11.84 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 53) den Rechtssatz, die Erhebung von Entwässerungsgebühren nach dem Frischwassermaßstab für eine Mischkanalisation sei stets unzulässig, sofern die Niederschlagswasserbeseitigung erhebliche Kosten verursache. Dieser Rechtssatz ist in der herangezogenen Entscheidung jedoch nicht enthalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat darin auf die bereits in früheren Entscheidungen vertretene Auffassung verwiesen, der Frischwassermaßstab verstoße mit Blick auf die Kosten der Beseitigung des auf den angeschlossenen Grundstücken anfallenden Regenwassers nicht gegen den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip, wenn die durch Gebühren zu deckenden Kosten der Regenwasserbeseitigung von den angeschlossenen Grundstücken gering seien; es hat hingegen nicht umgekehrt den Rechtssatz aufgestellt, mehr als geringfügige Kosten der Regenwasserbeseitigung schlössen die Vereinbarkeit des Frischwassermaßstabs mit den genannten bundesverfassungsrechtlichen Grundsätzen stets – namentlich auch bei homogenen Nutzungsverhältnissen – aus.
2. Auch unter dem Gesichtspunkt einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist eine Rechtssache nur, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Entsprechend dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist insoweit eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage zu formulieren und anzugeben, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 S. 14). Dem trägt die Beschwerde nicht ausreichend Rechnung.
Sie lässt schon eine klare Formulierung konkreter klärungsbedürftiger Rechtsfragen vermissen. Lediglich den Ausführungen in Abschnitt V der Beschwerdebegründung ist ansatzweise zu entnehmen, in welcher Hinsicht die Antragstellerin einen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf sieht. Sie macht hier sinngemäß geltend, der vom Verwaltungsgerichtshofs verwandte Begriff der “Homogenität der Nutzungsverhältnisse” bedürfe revisionsgerichtlicher Klärung, wodurch zu einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitssatzes beigetragen werden könne. Ein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf, der die erwähnten bundesverfassungsrechtlichen Grundsätze betreffen müsste, ist damit nicht ausreichend dargelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Begriff homogener Nutzungsverhältnisse im Rahmen der Prüfung verwandt, ob der auf ein Grundstück entfallende Frischwasserbezug auch als Indikator für die Menge des von dort eingeleiteten Niederschlagswassers angesehen werden könne. Dies treffe zu, wenn nach den Verhältnissen im Satzungsgebiet im Durchschnitt der Veranlagungsfälle ein Warscheinlichkeitszusammenhang zwischen beiden Wassermengen derart bestehe, dass der Wasserbezug auf einem Grundstück der Zahl der Bewohner und diese wiederum dem Umfang der baulichen Nutzung des Grundstücks sowie der dort vorhandenen befestigten Fläche entspreche, von der Regenwasser in die Kanalisation abgeleitet werde. Davon sei jedenfalls dann auszugehen, wenn ein Satzungsgebiet durch eine verhältnismäßig homogene und wenig verdichtete Wohnbebauung ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt sei. Inwiefern sich aus diesen Ausführungen bislang ungeklärte Fragestellungen zu den vorgenannten bundesverfassungsrechtlichen Grundsätzen ergeben sollen, hätte angesichts der bereits vorhandenen Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts zu diesen Grundsätzen näherer Darlegung bedurft, an der es jedoch fehlt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung bereits eingehend zu den Vorgaben Stellung genommen, die sich aus dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz für die Ausgestaltung des Maßstabs von Entwässerungsgebühren ergeben. Beide Grundsätze fordern in Verbindung miteinander, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, sodass bei etwa gleicher Inanspruchnahme der gemeindlichen Einrichtung etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren bezahlt werden (BVerwG, Beschluss vom 25. März 1985 – BVerwG 8 B 11.84 – a.a.O. S. 39 m.w.N.). Die nach Art. 3 Abs. 1 GG anzustrebende Belastungsgleichheit gewährleistet insoweit zugleich ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gebührenhöhe (BVerwG, Beschluss vom 5. November 2001 – BVerwG 9 B 50.01 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 95 S. 17). Wegen des dem Ortsgesetzgeber eingeräumten weiten Ermessens kann nicht gefordert werden, dass der zweckmäßigste, vernünftigste, gerechteste oder wahrscheinlichste Maßstab angewendet wird (BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1977 – BVerwG 7 C 4.76 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 37 S. 39; Beschluss vom 25. März 1985 – BVerwG 8 B 11.84 – a.a.O. S. 39). Führt ein Maßstab im Allgemeinen zu einer gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen, so stellen Mehrbelastungen in Ausnahmefällen seine Rechtmäßigkeit nicht notwendig in Frage. Denn Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können – insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen – durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht und die Zahl der Ausnahmen gering ist (BVerwG, Beschluss vom 28. März 1995 – BVerwG 8 N 3.93 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 S. 36).
Diese Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof seiner Überprüfung des von der Antragsgegnerin gewählten Gebührenmaßstabs zugrunde gelegt; seine Ausführungen sind ersichtlich darauf angelegt zu begründen, dass der Umfang des Frischwasserbezugs im Regelfall Aussagekraft auch als Indikator für die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers hat und dass die Zahl der Ausnahmen gering ist. Inwiefern die erwähnten Grundsätze anlässlich des Streitfalls ergänzungsbedürftig wären, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, deren Anwendung auf die konkrete Satzungsregelung als fehlerhaft zu rügen. Ob die Vorinstanz die aus Art. 3 Abs. 1 GG und dem Äquivalenzprinzip folgenden Vorgaben dabei zutreffend praktiziert hat, ist indes eine Frage des Einzelfalls, die der Sache keine grundsätzliche Bedeutung gibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1978 – BVerwG 7 B 118 bis 124.78 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 40 S. 47). Soweit der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Homogenitätsprüfung – anders als von der Antragstellerin gefordert – nicht die Gesamtfläche typischer und untypischer Grundstücksflächen, sondern die Zahl typischer und untypischer Grundstücke gegenübergestellt hat, ist im Übrigen anzumerken, dass dies mit der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Einklang steht, wonach die Zulässigkeit der Typisierung von der Zahl der Ausnahmefälle abhängt.
3. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen gleichfalls nicht durch.
a) Unter den von der Antragstellerin gerügten Gesichtpunkten hat der Verwaltungsgerichtshof nicht gegen die richterliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen.
Soweit die Antragstellerin dem Gericht vorwirft, es habe die Relation der Gesamtfläche aller Grundstücke nicht homogenen Zuschnitts einerseits und homogenen Zuschnitts andererseits außer Acht gelassen, wendet sie sich der Sache nach nicht gegen eine ungenügende Ermittlung des Sachverhalts, sondern gegen die Außerachtlassung eines bestimmten Umstands bei der rechtlichen Würdigung. Ein Aufklärungsmangel ist damit nicht dargetan. Im Übrigen ergibt sich aus den Ausführungen zur Grundsatzrüge, dass es auf die vorgenannte Relation nach der Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht ankam.
Dass der Verwaltungsgerichtshof der Forderung der Antragstellerin in ihrem nachgereichten Schriftsatz vom 21. Oktober 2004, ergänzende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben, nicht nachgegeben hat, könnte nur dann einen Aufklärungsfehler begründen, wenn es auf die zu ermittelnden Umstände vom gerichtlichen Rechtsstandpunkt aus angekommen wäre. Dies trifft indessen nicht zu. Dem angefochtenen Urteil liegt die Auffassung zugrunde, dass die Gemeinde bei ihrer Prüfung, ob im Geltungsbereich ihrer Satzung homogene, die Verwendung des Frischwassermaßstabs rechtfertigende Verhältnisse vorliegen, keine aufwändigen Ermittlungen vornehmen, insbesondere keine genauen Feststellungen zu Grundstücksgrößen, Nutzungen und Versiegelungsflächen treffen und nicht detailliert die im Einzelnen zu erwartende Abwassermenge, Verschmutzungsart und den Verschmutzungsgrad des Wassers sowie die Beseitigungskosten ermitteln musste. Um die Homogenität der Nutzungsverhältnisse in dem vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Sinne zu beurteilen, bedurfte es der von der Antragstellerin geforderten zusätzlichen Ermittlungen daher nicht.
Soweit sich die Antragstellerin ferner auf eine Verletzung der Auskunftspflicht durch die Antragsgegnerin beruft, ist schon nicht dargetan, welche prozessuale Relevanz dies haben soll. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht könnte sich daraus nur ergeben, falls sich dem Verwaltungsgerichtshof seinerseits entsprechende Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Das war aber nicht der Fall, da es auf die von der Antragstellerin erfragten Umstände vom Rechtsstandpunkt des Gerichts aus wiederum nicht ankam.
b) Auch eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) lässt sich nicht feststellen.
Die Antragstellerin macht geltend, ihr sei das Recht auf Gehör durch Nichtgewährung von Akteneinsicht in die Globalberechnung und die Gebührenkalkulation der Antragsgegnerin beschnitten worden. Dieser Vorwurf ist nicht nachvollziehbar. Die Gebührenkalkulation für die Abwasserversorgung und Wasserversorgung 2002 – 2004 wurde der Antragstellerin unmittelbar von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellt, wie sich aus den dazu in dem Parallelverfahren VGH 2 S 2717/03 gewechselten Schriftsätzen der Beteiligten vom 23. Februar 2004 und 8. März 2004 ergibt; in die Globalberechnung erhielt die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ausweislich des darüber gefertigten Sitzungsprotokolls Einsicht. Dass das Gericht ihr die Globalberechnung nur unvollständig überlassen hätte, hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt.
Der Vorwurf, die Vorinstanz habe den nachgelassenen Schriftsatz vom 21. Oktober 2004 unberücksichtigt gelassen, wird durch die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils widerlegt. Ausweislich der Ausführungen auf S. 6 und 11 des Urteilsabdrucks hat das Gericht das in dem Schriftsatz enthaltene Vorbringen zur Kenntnis genommen und bei seiner rechtlichen Würdigung berücksichtigt. Dass es dieses Vorbringen ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt als unerheblich angesehen hat, ist unter dem Gehörsaspekt ohne Bedeutung.
Kam es auf das Vorbringen in dem nachgelassenen Schriftsatz nicht an, so brauchte die Vorinstanz auch nicht erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten. In dieser Hinsicht geht die Gehörsrüge mithin ebenfalls ins Leere.
Der Antragstellerin kann ferner nicht gefolgt werden, soweit sie einen Gehörsverstoß daraus ableitet, dass der Verwaltungsgerichtshof die in der Globalberechnung als “Misch-/Wohngebiet” gekennzeichneten Grundstücksnutzungen als homogene Nutzungsfälle behandelt hat. Das Urteil stellt sich im Hinblick auf diese Erwägung des Gerichts nicht etwa als Überraschungsentscheidung dar, denn schon wegen der in der Globalberechnung zum Ausdruck gekommenen Praxis der Antragsgegnerin, Wohnnutzungen und mischgebietstypische Nutzungen als homogen zu behandeln, musste die Antragstellerin mit der Möglichkeit rechnen, dass auch das Gericht diese Sichtweise seiner Entscheidung zugrunde legen würde.
c) Schließlich vermag die Antragstellerin auch nicht mit der Rüge durchzudringen, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Entgegen den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO legt sie schon nicht dar, welchen Verfahrensfehler sie insoweit geltend machen will. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Verstoß allenfalls dann einen Revisionszulassungsgrund begründen kann, wenn er dem Verfahrensrecht zuzurechnen ist, was nur bei Verstößen in Betracht zu ziehen ist, die sich auf die tatsächliche Würdigung beschränken, die rechtliche Subsumtion hingegen unberührt lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271 ≪272 ff.≫). Für die von der Antragstellerin beanstandeten Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofs, es lägen trotz der Gesamtfläche nach Größe und Nutzungsart untypischer Grundstücke homogene Nutzungsverhältnisse vor und bei Gemeinden mit einer Zahl von 60 000 bis 80 000 Einwohnern sei in der Regel noch von einer homogenen Siedlungsstruktur auszugehen, trifft dies mit Rücksicht auf den wertenden Charakter der Homogenitätsprüfung nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Hien, Dr. Nolte, Domgörgen
Fundstellen