Verfahrensgang
VG Augsburg (Aktenzeichen 4 K 98.681) |
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Januar 2001 wird aufgehoben, soweit es das eigene Verfahren der Klägerin – Au 4 K 98.681 – betrifft.
Insoweit wird der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Augsburg zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht, wie die Beschwerde zu Recht geltend macht, auf einem Verfahrensmangel. Es ist deshalb nach § 133 Abs. 6 VwGO aufzuheben und der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Zwar ist die dafür gegebene Begründung, die Klägerin habe innerhalb der am 30. April 1998 abgelaufenen Klagefrist keine von ihr handschriftlich unterschriebene Klageschrift beim Verwaltungsgericht eingereicht, in tatsächlicher Hinsicht richtig. Es ist auch zutreffend, dass die in § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO geforderte schriftliche Klageerhebung in der Regel die eigenhändige Unterschrift der klagenden Partei unter dem das Verfahren eröffnenden Schriftstück erfordert, weil im Allgemeinen nur damit hinreichend Gewähr besteht, dass es vom Kläger stammt und mit seinem Wissen und Willen an das Gericht gelangt ist (vgl. GSOGB – Beschluss vom 30. April 1979 – GmS-OGB 1/78 – BVerwGE 58, 359, 365). Von diesem Grundsatz gibt es aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ausnahmen, wenn sich auch ohne eigenhändige Namenszeichnung aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Rechtsverkehrswillen ergibt. Entscheidend ist insoweit, ob sich aus dem bestimmenden Schriftsatz allein oder in Verbindung mit beigefügten Unterlagen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (vgl. Urteil vom 6. Dezember 1988 – BVerwG 9 C 40.87 – NJW 1989, 1175, 1176; Urteil vom 18. Dezember 1992 – BVerwG 7 C 16.92 – NJW 1993, 1874). Das Verwaltungsgericht hat verkannt, dass hier derartige Umstände vorliegen, die die Urheberschaft der Klägerin und ihren Klageerhebungswillen aus den dem Verwaltungsgericht innerhalb der Klageerhebungsfrist zugegangenen Schriftstücken ohne jeden Zweifel erkennen ließen.
Das Verwaltungsgericht hat das ausdrücklich als Klage bezeichnete und an die Regierung von Mittelfranken gerichtete maschinenschriftliche Schreiben der Klägerin vom 31. März 1998, das im Briefkopf Namen und Anschrift der Klägerin sowie unter dem Text ebenfalls maschinenschriftlich den Namen der Klägerin mit dem Zusatz „Klagenerheber” enthielt und am 16. April 1998 bei Gericht einging, mit einem Anschreiben vom selben Tag an die Klägerin zurückgeschickt. In diesem Schreiben heißt es u.a., falls die Klägerin Klage erheben wolle, werde auf die Rechtsbehelfsbelehrung des Beschlusses des Beschwerdeausschusses verwiesen. Dieses Anschreiben sowie das Klageschreiben gingen dem Verwaltungsgericht einige Tage später wieder zu mit dem handschriftlichen Vermerk auf dem Anschreiben „zurück”. Daraufhin teilte das Verwaltungsgericht der Klägerin mit Schreiben vom 27. April 1998 mit, dass ihre Klage unter dem gleichzeitig vergebenen Aktenzeichen der beklagten Partei zugestellt werde. In dem Schreiben heißt es:
„Da Sie den Briefumschlag mit den Schriftstücken, die das Datum 31. März 1998 tragen, geöffnet und zurückgesandt haben, wird davon ausgegangen, dass Sie ein Klageverfahren beim Verwaltungsgericht durchführen wollen. Derartige Verfahren sind nicht kostenfrei. Nicht unterschriebene Klagen sind in aller Regel unzulässig.”
Das Schreiben enthält den deutlich hervorgehobenen Hinweis: „Dieses EDV-erstellte Schreiben ist aus Vereinfachungsgründen nicht unterzeichnet”. Am 30. April 1998 ging beim Verwaltungsgericht ein wiederum nicht unterzeichnetes, mit Schreibmaschine geschriebenes Schreiben der Klägerin ein, das das ihr mitgeteilte Aktenzeichen aufnahm und neben der Anforderung von Prozesskostenhilfeunterlagen u.a. die Aussage enthielt, das Gericht dürfe im Rahmen des § 6 Abs. 1 und 2 VwGO weiterverfahren. Das Schreiben schließt mit dem Satz: „Dieses Schreiben ist aus Vereinfachungsgründen nicht unterzeichnet”. Darunter ist die handschriftliche Datumsangabe 29.04.98 gesetzt. Beigefügt waren eine Reihe kopierter oder mit Schreibmaschine abgeschriebener Unterlagen der Klägerin aus dem Erbschein- und dem Lastenausgleichsverfahren, teilweise mit handschriftlichen Zusätzen wie „Die Wölfe im Schafspelz lauern überall!”. Der Umschlag, in dem diese Schriftstücke übermittelt wurden, ist handschriftlich adressiert, trägt aber keine Absenderangabe.
Eine Wertung all dieser Umstände ergibt, dass das Verwaltungsgericht selbst nach der Rücksendung der Klageschrift vom 31. März 1998, des Übersendungsschreibens vom 16. April 1998 sowie des zugehörigen geöffneten Umschlags keinerlei Zweifel an der Urheberschaft und dem Verkehrswillen der Klägerin hegte. Dies ist der Klägerin unter dem 27. April 1998 ausdrücklich mitgeteilt worden. Mit dem darauf Bezug nehmenden Schreiben vom 29. April 1998, das ebenfalls innerhalb der Klagefrist beim Gericht einging, bestätigte die Klägerin unmissverständlich die Absicht, das Klageverfahren durchzuführen. Dabei zeigte die aus dem Schreiben des Gerichts übernommene Aussage, aus Vereinfachungsgründen werde auf eine Unterschrift verzichtet, dass der Klägerin die Notwendigkeit einer eigenhändigen Unterschrift zur Klageerhebung trotz des entsprechenden Hinweises im Schreiben vom 27. April 1998 nicht bewusst war. Andererseits ließen der handschriftlich adressierte Briefumschlag, die Auswahl der beigefügten Unterlagen sowie die handschriftlichen Bemerkungen auf ihnen keinen Zweifel aufkommen, von wem die Sendung stammte und dass sie mit dem Willen, das Klageverfahren voranzutreiben, dem Gericht zugeleitet worden waren. Damit standen Urheberschaft und Rechtsverkehrswillen der Klägerin außer Frage. Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für einen Verzicht auf das Unterschriftserfordernis geforderte Gewähr war mithin aufgrund der dargelegten Anhaltspunkte gegeben.
Unter diesen Umständen hätte das Verwaltungsgericht vom Vorliegen einer „schriftlichen” Klage innerhalb der Klagefrist ausgehen müssen.
Da das angefochtene Urteil – aus der Sicht des Verwaltungsgerichts konsequent – keine ins Einzelne gehende Auseinandersetzung mit der Begründetheit der Klage enthält, ist es geboten, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Es erscheint sachgerecht, dies gemäß § 133 Abs. 6 VwGO durch Beschluss zu tun.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Kimmel
Fundstellen