Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 20.11.2013; Aktenzeichen 9 S 2474/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. November 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 529 730 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land die Gewährung erhöhter Pauschalförderung für Investitionskosten nach § 16 Abs. 2 des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg (LKHG). In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin ihr Begehren auf den Förderzeitraum vom 25. September 2006 (Inbetriebnahme der Klinik) bis 31. Dezember 2009 beschränkt. Die Klage ist mit Urteil vom 3. Mai 2010 abgewiesen worden (VG Karlsruhe 2 K 2539/09). Im Berufungsverfahren hat die Klägerin den Klageantrag geändert und die unbefristete Gewährung einer Pauschalförderung in Höhe von jährlich 509 910 EUR ab dem 25. September 2006 beansprucht. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 19. Dezember 2012 (9 S 1181/10) das Verfahren abgetrennt, soweit die Klägerin Pauschalförderung nach § 16 Abs. 2 LKHG über den 31. Dezember 2009 hinaus erstrebt, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag zurückgewiesen (BVerwG 3 B 50.13).
In dem abgetrennten, unter dem Aktenzeichen – 9 S 2474/12 – fortgeführten Verfahren hat der Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss gemäß § 130a VwGO die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Klage auf Bewilligung von Pauschalförderung nach § 16 Abs. 2 LKHG ab dem 1. Januar 2010 sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Als die Klägerin durch die Antragstellung in der Berufungsverhandlung (9 S 1181/10) am 5. Dezember 2012 die Klage konkludent erweitert habe, sei der Anspruch bereits beim Verwaltungsgericht anhängig gewesen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat Erfolg. Zwar weist die Rechtssache nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1.). Die angegriffene Entscheidung beruht jedoch auf einem Verfahrensmangel, der gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur Zurückverweisung des Rechtsstreits führt (2.).
1. Die von der Klägerin als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
„ob es mit dem Wesen der Pauschalförderung (nach § 16 Abs. 2 S. 2 LKHG) vereinbar ist, dass die (Ausnahmepauschal-)Förderung in jedem Jahr neu nach neuen Bedarfskriterien zu berechnen ist”,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Beschwerde bezeichnet keine Frage des revisiblen Rechts, die dem Revisionsgericht Gelegenheit zu einer weitergehenden Klärung bieten könnte. Bei § 16 Abs. 2 LKHG handelt es sich um eine Norm des irrevisiblen Landesrechts, auf deren Verletzung die Revision nicht gestützt werden kann (§ 137 Abs. 1 VwGO). Grundsätzlicher Klärungsbedarf lässt sich dem Beschwerdevorbringen auch nicht entnehmen, soweit die Klägerin unter Anknüpfung an ihren Vortrag im Beschwerdeverfahren – BVerwG 3 B 50.13 – beanstandet, dass die berufungsgerichtliche Auslegung des Landesrechts mit § 9 Abs. 3 KHG unvereinbar sei. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zur weiteren Begründung Bezug auf seine Ausführungen im Beschluss vom heutigen Tag im Verfahren – BVerwG 3 B 50.13 –, die hier entsprechend gelten.
2. Es liegt aber ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, auf dem der angegriffene Beschluss beruht.
a) Der Verfahrensmangel besteht allerdings nicht in einer Verletzung von § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Zu Unrecht sieht die Klägerin einen Verstoß gegen die Begründungspflicht darin, dass der Beschluss weder erkennen lasse, welches verwaltungsgerichtliche Urteil Berufungsgegenstand sei, noch darlege, weshalb die dagegen eingelegte Berufung keinen Erfolg habe. Nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das verlangt, dass in den Entscheidungsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat. Ein rügefähiger Verfahrensmangel liegt vor, wenn das Gericht auf ein zentrales und entscheidungserhebliches Vorbringen in den Urteilsgründen nicht eingeht und auch nicht angibt, weshalb es dem Vortrag nicht folgt. Die Begründungspflicht ist überdies immer dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst unbrauchbar sind (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 1. Juni 2010 – BVerwG 6 B 77.09 – juris Rn. 15 und vom 22. Oktober 2009 – BVerwG 5 B 51.09 – ZOV 2010, 31 = juris Rn. 24 m.w.N.). Danach verstößt die angegriffene Entscheidung nicht gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ihr ist ohne Weiteres zu entnehmen, auf welche Gesichtspunkte das Berufungsgericht die Klageabweisung gestützt hat. In den Gründen zu I. ist auch die Prozessgeschichte ausführlich dargelegt, die erhellt, welches erstinstanzliche Urteil dem Berufungsverfahren zugrunde liegt. Dass sich der angefochtene Beschluss nicht weiter mit den Entscheidungsgründen des Urteils vom 3. Mai 2010 auseinandersetzt, begründet keinen Verfahrensmangel. Über den im abgetrennten Teil des Berufungsverfahrens inmitten stehenden Klaganspruch hatte das Verwaltungsgericht nicht zu entscheiden, weil er nicht Gegenstand des in der mündlichen Verhandlung gestellten Sachantrags war. Demzufolge verhält sich das erstinstanzliche Urteil dazu nicht. Soweit die Klägerin das Fehlen eines Urteils beanstandet, „gegen das sich ihre Berufung richte”, ist dies eine prozessuale Folge der (zulässigen) Klageänderung und der (zulässigen) Verfahrenstrennung.
b) Die Klägerin rügt aber im Ergebnis zu Recht, dass der Verwaltungsgerichtshof die Klage nicht als unzulässig ansehen und jedenfalls deswegen nicht die Berufung zurückweisen durfte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert die Zulässigkeit des Klagebegehrens nicht daran, dass beim Verwaltungsgericht ein identischer prozessualer Anspruch rechtshängig ist (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG), sodass der Zurückweisung der Berufung ein Verfahrensmangel zugrunde liegt.
Es ist schon zweifelhaft, ob der Streitgegenstand der von der Klägerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe geführten Klagen – 2 K 1711/10, 2 K 2022/11 und 2 K 1664/12 – mit dem beim Berufungsgericht verfolgten Anspruch (teil-)identisch ist. Jene Klagen richten sich gegen die Bescheide des Beklagten vom 29. Juni 2010, 29. Juni 2011 und 29. Juni 2012, mit denen der Klägerin Pauschalförderung nach § 15 LKHG für die Jahre 2010 bis 2012 gewährt worden ist. Die Bescheide enthalten keine Ausführungen zur Frage der Bewilligung von Pauschalförderung nach § 16 Abs. 2 LKHG. Soweit die Klägerin bei Erhebung der Klagen darauf verwiesen hat, diese richteten sich dagegen, dass dem im November 2007 gestellten Antrag auf (Ausnahme-)Pauschalförderung nach § 16 Abs. 2 LKHG für das Jahr 2010/2011/2012 nicht entsprochen worden sei, lässt auch dies nicht ohne Weiteres auf einen identischen Streitgegenstand schließen. Die Klägerin hat erklärt, die Klagen seien „vorsorglich” erhoben worden, um zu verhindern, dass die angefochtenen Bescheide bestandskräftig würden; denn wie das Beispiel des Förderbescheides vom 21. September 2009 zeige, sei nicht auszuschließen gewesen, dass der Beklagte später geltend machen könnte, mit den Bescheiden sei konkludent die Bewilligung von Pauschalförderung nach § 16 Abs. 2 LKHG abgelehnt worden. Zu diesen Erwägungen passt, dass die Klägerin in den drei Verfahren von der Formulierung eines Klageantrags abgesehen sowie unter Hinweis auf das beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Berufungsverfahren – 9 S 1181/10 – beantragt hat, die Verfahren zum Ruhen zu bringen.
Jedenfalls steht der Gesichtspunkt der anderweitigen Rechtshängigkeit der Zulässigkeit des im Berufungsverfahren verfolgten Anspruchs nicht entgegen, weil er zeitlich vor Erhebung der Klagen beim Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass sie den Anspruch bereits mit dem Berufungsschriftsatz vom 23. Juni 2010 (eingegangen bei Gericht am 24. Juni 2010) auf den Förderzeitraum ab dem 1. Januar 2010 erstreckt hat. Mit dieser Prozesserklärung ist der erweiterte Streitgegenstand rechtshängig geworden (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 91 Rn. 25, 35, 39; Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Band II, Stand März 2014, § 91 Rn. 79). Somit ist allenfalls den drei zeitlich später beim Verwaltungsgericht erhobenen Klagen der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit entgegen zu halten.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG (509 910 EUR × 3 [2010-2012]).
Unterschriften
Kley, Liebler, Dr. Kuhlmann
Fundstellen