Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 25 B 99.30209) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. September 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet; der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund eines Verstoßes gegen Verfahrensrecht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Die Beschwerde rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), weil das Berufungsgericht ohne erneute Anhörungsmitteilung nach § 130 a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO durch Beschluß über die Berufung entschieden hat, obwohl der Kläger zuvor eine Bescheinigung des Herrn A. D. über eine von ihm geltend gemachte frühere Verhaftung in Togo vorgelegt hatte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, die Verfahrensbeteiligten durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1983 – BVerwG 9 C 15.83 – Buchholz 312 EntlG Nr. 32; vom 16. März 1994 – BVerwG 12 C 48.92 – Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 10; Beschluß vom 18. Juni 1996 – BVerwG 9 B 140.96 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 16). Einer erneuten Anhörungsmitteilung bedarf es daneben auch dann, wenn sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, daß ein Prozeßbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 1990 – BVerwG 9 C 90.89 – Buchholz 312 EntlG Nr. 60 und Beschluß vom 28. August 1995 – BVerwG 3 B 7.95 – Buchholz 418.00 Nr. 91).
Keine dieser Voraussetzungen lag hier vor; das Berufungsgericht durfte ohne erneute Anhörungsmitteilung durch Beschluß entscheiden. Der Kläger hat, nachdem das Berufungsgericht zuvor durch eine – mittlerweile dritte – Anhörungsmitteilung seine Absicht zum Ausdruck gebracht hatte, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, mit Schreiben vom 16. September 1999 eine Bescheinigung („Attestation”) des Herrn A. D. vom 31. August 1999 vorgelegt. Darin erklärt dieser – nach Angaben des Klägers ehemaliger Präsident der Anwaltskammer von Togo und ehemaliger Vorsitzender der Nationalen Menschenrechtskommission – ohne weitere Angaben von Einzelheiten, der Kläger, Sohn eines ihm bekannten Oppositionellen, sei nach einem von der Opposition organisierten Marsch am 25. Januar 1993 „festgenommen und unter erbärmlichen Bedingungen gehalten” worden, was ihn – wieder in Freiheit – veranlaßt habe, aus seinem Land zu fliehen. Einen Beweisantrag hat der Kläger in diesem Zusammenhang nicht gestellt. Die „Bescheinigung” ergänzt oder erweitert den bisherigen Sachvortrag des Klägers auch nicht um neue Tatsachenbehauptungen. Die Erklärung des Herrn A. D. bestätigt allerdings in allgemein gehaltener Form die Schilderung des Klägers von seinem Vorfluchtschicksal in einzelnen Punkten; dies zu würdigen war aber allein Sache des Berufungsgerichts als Tatsachengericht. Eine neue prozessuale Lage, die dem Kläger berechtigten Anlaß zu der Annahme hätte geben können, das Berufungsgericht könne nur nach erneuter Anhörungsmitteilung an seinem Vorhaben festhalten, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, ist hierdurch indes nicht entstanden.
Der angefochtene Beschluß stellt auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die ihm obliegende abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit dem Beteiligten zu erörtern (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1976 – BVerwG 2 C 26.74 – Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1). Aus der Sicht eines verständigen Prozeßbeteiligten mußte der Kläger nach Vorlage der „Bescheinigung” vielmehr damit rechnen, daß das Berufungsgericht deren Inhalt zur Kenntnis nehmen und ggf. ohne weitere Anhörung und ohne mündliche Verhandlung tatrichterlich würdigen und verwerten würde. Keinesfalls „mußte” oder durfte der Kläger, wie die Beschwerde meint, „davon ausgehen, daß das Gericht nunmehr die durch die Bescheinigung nachgewiesene Festnahme im Anschluß an die Demonstration vom 25. Januar 1993 für wahr unterstellen würde” (Beschwerdebegründung S. 2). Die Beschwerde scheint insoweit zu verkennen, daß Art. 103 Abs. 1 GG kein Recht auf Berücksichtigung von Vortrag in einem bestimmten Sinne bietet; für eine willkürliche und möglicherweise deshalb überraschende Würdigung des Inhalts einer Urkunde (vgl. hierzu Beschluß vom 16. März 1999 – BVerwG 9 B 73.99 – juris) ist hier nichts ersichtlich. Daß sich dem Berufungsgericht eine weitere Aufklärung – etwa durch Einholung zusätzlicher schriftlicher Angaben zu den Informationsquellen des wieder nach Togo zurückgekehrten Herrn A. D., wie die Beschwerde noch meint (a.a.O. S. 2) – hätte aufdrängen müssen, mit welchen prozeßrechtlichen Mitteln und welchem Ergebnis dies hätte erfolgen sollen, legt die Beschwerde im übrigen schon nicht dar. Auch bleibt es dem Kläger unbenommen, insoweit neues Beweismaterial zu beschaffen und ggf. im Rahmen eines Folgeantragsverfahrens nach § 71 AsylVfG, § 51 VwVfG dem Bundesamt zu unterbreiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Hund, Richter, Dr. Eichberger
Fundstellen