Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Beschluss vom 29.12.2006; Aktenzeichen 15 P 2/06) |
Tenor
Der Beschluss des Fachsenats für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Dezember 2006 wird geändert. Es wird festgestellt, dass auch die Verweigerung der Vorlage der Aktenseiten in Band 5, Bl. 29-44, 46 und Bl. 505-506 rechtswidrig ist. Ferner wird die Feststellung, dass die Verweigerung der Vorlage der Aktenseiten in Band 5, Bl. 463-504 rechtswidrig war, aufgehoben.
Im Übrigen werden die Beschwerden der Klägerin, des Beklagten und des Beigeladenen zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten dieses Zwischenverfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte je 4/10 und der Beigeladene 2/10. Von den außergerichtlichen Kosten dieses Zwischenverfahrens trägt die Klägerin 8/10 der Kosten des Beigeladenen. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zwischenverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Gegenstand des Verfahrens zur Hauptsache ist ein Bescheid des beklagten Ministeriums vom 28. Oktober 2002. Mit diesem Bescheid hat das als Aufsichtsbehörde gemäß § 19 AtG zuständige Ministerium dem Beigeladenen, einem eingetragenen Verein, unter teilweiser Ablehnung seines Antrags den Zugang zu Informationen gewährt, die in einem 10-bändigen Verwaltungsvorgang des Ministeriums enthalten sind, der anlässlich eines Störfalls im Kernkraftwerk der Klägerin am 14. Dezember 2001 angelegt worden war. Der Zugang zu den Informationen wurde insoweit eingeschränkt, als bestimmte Aktenseiten aus dem Verwaltungsvorgang entnommen und Namensschwärzungen vorgenommen wurden. Zur Begründung wird ausgeführt, dass bei der gebotenen Abwägung der Ausschlussgründe nach dem als einschlägig erachteten (damaligen) Umweltinformationsgesetz mit dem Informationsanspruch des Beigeladenen der Datenschutz und der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin Vorrang habe. Die Gestattung steht unter dem Vorbehalt, dass der Bescheid unanfechtbar wird.
Gegen diesen Bescheid haben sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene Klage erhoben. Der Beklagte hat dem Verwaltungsgericht zwar den die Antragstellung betreffenden Verwaltungsvorgang vorgelegt, aber die Vorlage des Verwaltungsvorgangs, um dessen Einsichtnahme gestritten wird, verweigert und die Durchführung eines Zwischenverfahrens beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Verweigerung beruhe auf einer analogen Anwendung des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Angesichts des prozessualen Rechts auf Einsichtnahme gemäß § 100 VwGO führe eine Vorlage der Akten dazu, dass der Beigeladene unabhängig vom Umfang seines Informationsanspruchs Einsicht nehmen könne und damit Kenntnis von den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Klägerin erhalte, die der Grund dafür gewesen seien, dem Beigeladenen nur einen eingeschränkten Zugang zum Verwaltungsvorgang zu gewähren.
Das Verwaltungsgericht hat von der Durchführung eines Zwischenverfahrens abgesehen und der Klage mit Urteil vom 9. Juni 2005 mit der Begründung stattgegeben, ein Informationsanspruch des Beigeladenen bestehe nicht, da es zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch gebe. Im Parallelverfahren hat das Verwaltungsgericht die Klage des Beigeladenen abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat die Rechtssache mit Beschluss vom 4. April 2006 dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts vorgelegt. Die hiergegen erhobene Gegenvorstellung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit Beschluss vom 29. Dezember 2006 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage der im Tenor aufgeführten Aktenseiten rechtswidrig sei. Im Übrigen sei die Verweigerung der Offenlegung der Aktenseiten rechtmäßig.
Dagegen haben sowohl die Klägerin als auch der Beklagte als auch der Beigeladene Beschwerde erhoben. Im Klageverfahren des Beigeladenen ist ebenfalls ein Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO beim Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts anhängig (BVerwG 20 F 2.07). Die Klägerin und der Beigeladene haben im Zwischenverfahren mündliche Verhandlung beantragt.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde des Beigeladenen hat in dem tenorierten Umfang Erfolg; im Übrigen sind die Beschwerden unbegründet.
1. Der Senat entscheidet ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgeschlossen ist. Der Ausschluss dient einem effektiven Geheimnisschutz. § 101 Abs. 3 VwGO mit der Möglichkeit der ins gerichtliche Ermessen gestellten fakultativen mündlichen Verhandlung wird durch die besonderen Regelungen des “in-camera”-Verfahrens verdrängt. § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO gilt nach seinem Wortlaut zwar nur für Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts. Nach Sinn und Zweck der Regelung greift die Beschränkung auf die schriftliche Entscheidung aber auch, wenn das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist. Denn das dem Ausschluss der Öffentlichkeit zugrunde liegende Geheimhaltungsbedürfnis hängt nicht davon ab, ob das Oberverwaltungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht – sei es als Beschwerdegericht, sei es in der Zuständigkeit gemäß § 99 Abs. 2 Satz 2 VwGO – zu entscheiden hat. Dass in § 99 Abs. 2 Satz 14 VwGO für das Beschwerdeverfahren lediglich auf die Sätze 4 bis 11 verwiesen wird, erklärt sich daraus, dass die in Satz 1 und 2 geregelte Zuständigkeitsverteilung und das in Satz 3 enthaltene Antragserfordernis im Beschwerdeverfahren keine Rolle spielen. Die Geltung der in § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO niedergelegten allgemeinen Grundsätze wird damit nicht in Frage gestellt.
2. Die angefochtene Entscheidung verstößt nicht gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters. Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts als der für das Zwischenverfahren zuständige Spruchkörper über die Vorlage der Akten im Verfahren der Hauptsache entschieden.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden im Verwaltungsrechtsstreit zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften verpflichtet. Ist – wie hier – die Vorlage der Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits und hängt nach der Rechtsauffassung des Gerichts die Entscheidung über das Klagebegehren von der Kenntnis des Akteninhalts ab, so beschränkt sich die Vorlagepflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht auf diejenigen Akten, die bei der Behörde vor dem Rechtsstreit aus Anlass des Streits über die Aktenvorlage entstanden sind. Vielmehr gehören zu den grundsätzlich vorzulegenden Akten auch die behördlichen Akten, in die Einblick zu nehmen die zuständige Behörde unter Berufung auf etwaige im jeweiligen Fachgesetz normierte Geheimhaltungsgründe abgelehnt hat (Beschluss vom 13. Juni 2006 – BVerwG 20 F 5.05 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 42). Wenn aber das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Erteilung der Auskünfte verweigern.
2.1 Die informationspflichtige Stelle, bei der der Beigeladene den Antrag auf Informationszugang gestellt hat, ist zugleich die oberste Aufsichtsbehörde im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. In dieser Eigenschaft hat sich der Beklagte gegenüber dem Gericht der Hauptsache geweigert, den Verwaltungsvorgang, auf den sich der geltend gemachte Informationsanspruch bezieht, vorzulegen. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar keinen förmlichen Beweisbeschluss zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlage erlassen, um eine (erneute) Verweigerungsentscheidung des Beklagten herbeizuführen. Es hat jedoch in seinem Vorlagebeschluss vom 4. April 2006 zum Ausdruck gebracht, es könne ohne die Einsichtnahme in die Akten, deren Vorlage der Beklagte verweigert habe, nicht über die Anfechtungsklage der Klägerin entscheiden. Der Vorlagebeschluss ist auf den Antrag des Beklagten vom 5. März 2004 ergangen, mit dem dieser gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Durchführung des vorliegenden Zwischenverfahrens verlangt hatte.
2.2 Für die Entscheidung im Zwischenverfahren ist nicht das Gericht der Hauptsache, sondern ein besonderer Spruchkörper, nämlich der nach § 189 VwGO eingerichtete Fachsenat zuständig. Dieser entscheidet gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur darüber, ob die Verweigerung der Aktenvorlage durch die oberste Aufsichtsbehörde rechtmäßig ist oder nicht. Eine weitergehende Entscheidungszuständigkeit steht ihm nicht zu. Im Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO geht es mithin allein um die Frage der Vorlage der Akten im Prozess. Dagegen verbleibt die Entscheidung über den Klageanspruch bei dem Gericht der Hauptsache. Dessen Entscheidungszuständigkeit als der für die Hauptsache zuständige gesetzliche Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird durch die Einleitung des Zwischenverfahrens nicht angetastet.
Dies alles gilt auch dann, wenn – wie hier – die Vorlage der Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits ist, weil derartige Fälle von der Geltung des § 99 Abs. 2 VwGO nicht ausgenommen sind. Die gegenwärtige Fassung des § 99 Abs. 2 VwGO geht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Oktober 1999 – 1 BvR 385/90 – (BVerfGE 101, 106) zurück, in der dieses zum Schutz des Grundrechts des Klägers auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG verlangt hatte, dass die Verweigerung der Aktenvorlage in einem “in-camera”-Verfahren vom Gericht überprüft werde; in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Klageverfahren ging es ebenfalls um ein Auskunftsbegehren. Zwar kann in derartigen Streitverfahren die Entscheidung im Zwischenverfahren, sofern sie zugunsten der Aktenvorlage ausfällt, faktisch zur Erfüllung des im Hauptsacheverfahren in Streit stehenden Anspruchs führen, weil mit der Vorlage der Akten an das Gericht der Hauptsache stets das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht gemäß § 100 VwGO entsteht. Doch hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit als unvermeidbare Folge des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO in Kauf genommen. Er hätte ihr nur dadurch entgegenwirken können, dass er die Entscheidung “in-camera” über das Zwischenverfahren hinaus auf den Rechtsstreit in der Hauptsache erstreckt hätte. Dieses Verfahrensmodell, bei dem das Gericht der Hauptsache die Akten ohne das Recht der Beteiligten zur Einsichtnahme für seine Entscheidung verwerten darf, ist jedoch in § 99 Abs. 2 VwGO nicht verwirklicht worden (vgl. Beschlüsse vom 15. August 2003 – BVerwG 20 F 8.03 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 34 und vom 9. Januar 2007 – BVerwG 20 F 1.06 – BVerwGE 127, 282 ≪291≫). Im Übrigen wäre das Gericht der Hauptsache auch bei Einführung eines “in-camera”-Verfahrens in der Hauptsache nicht der vorgängigen Prüfung enthoben, ob die von der obersten Aufsichtsbehörde geltend gemachten Geheimhaltungsgründe tatsächlich vorliegen. Soweit diese Frage zu verneinen ist, darf den Beteiligten das Recht auf Einsichtnahme in die Akten schon aus verfassungsrechtlichen Gründen keinesfalls vorenthalten werden (vgl. Beschluss vom 9. Januar 2007 a.a.O. Rn. 16).
3. Hat das Gericht der Hauptsache – wie hier – die Entscheidungserheblichkeit in einem Beschluss geprüft und bejaht, ist der Fachsenat grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden. Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist (Beschluss vom 28. März 2006 – BVerwG 20 F 1.05 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 40).
Ein solcher Fall liegt nicht vor. Das Hauptsachegericht hat ausgeführt, der von der Klägerin angefochtene Bescheid vom 28. Oktober 2002 lasse sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auf das zum Zeitpunkt seines Erlasses geltende (alte) Umweltinformationsgesetz des Bundes stützen; jedenfalls greife als Rechtsgrundlage für den Informationsanspruch des Beigeladenen Art. 3 der Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 28. Januar 2003 – Umweltinformationsrichtlinie – UIRL – (ABl Nr. L 41, S. 26) ein, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbare Wirkung entfalte. Diese Rechtsausführungen erscheinen nicht offensichtlich fehlerhaft. Die Klägerin zeigt mit ihren Einwänden nicht auf, dass die Grenze zur Offensichtlichkeit überschritten wurde. Dass die Frage als streitig und klärungsbedürftig angesehen wird, genügt dafür nicht. Die Grenze zur Offensichtlichkeit ist erst dann überschritten, wenn sich die Rechtsauffassung als nicht vertretbar erweist.
Abgesehen davon ist zwischenzeitlich das der Umsetzung der Richtlinie dienende Umweltinformationsgesetz für das Land Schleswig-Holstein vom 2. März 2007 verabschiedet worden (GVOBl 2007, 132). Die von dem Beigeladenen aufgeworfenen Fragen der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie sind mithin auch unter der Voraussetzung nicht entscheidungserheblich, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids – wie vom Oberverwaltungsgericht im Vorlagebeschluss lediglich hilfsweise ins Auge gefasst – nicht nach früherem, sondern nach heutigem Recht zu beurteilen sein sollte.
Soweit die Klägerin rügt, ihr sei kein rechtliches Gehör zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie gewährt worden, scheint sie die Ausführungen des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts misszuverstehen. Der Hinweis, dass nach Erlass des Vorlagebeschlusses ausreichend Gelegenheit für die Beteiligten bestand, ihre Standpunkte darzulegen, bezieht sich nicht – wie die Klägerin offenbar meint – auf die vom Fachsenat angesprochene Möglichkeit, eine Gegenvorstellung zu erheben. Das ergibt sich aus der weiteren Feststellung des Fachsenats, die Klägerin habe sich “zusätzlich” über die Gegenvorstellung Gehör verschafft. Gemeint ist vielmehr, dass der Fachsenat ihre Einwände zur Kenntnis genommen hat, weil er mit Blick auf die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses zu prüfen hatte, ob die Auffassung als offensichtlich fehlerhaft anzusehen sein könnte. Angesichts der auf Richtigkeitszweifel gestützten Zulassung der Berufung lag die Entscheidungserheblichkeit der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie auf der Hand. Das hat auch die Klägerin erkannt und entsprechend vorgetragen. Dass ihr Vortrag vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts, dessen Entscheidung hier allein zur Überprüfung steht, nicht zur Kenntnis genommen wurde, behauptet auch die Klägerin nicht. Sie wendet sich vielmehr nur gegen den Vorlagebeschluss. Mit der Anmerkung in dem – nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht geforderten – Nichtabhilfebeschluss vom 2. Februar 2007, die Gewährung des rechtlichen Gehörs zu der “(Rechts-) Frage” sei dem vorlegenden Senat “zuzuordnen”, unterstreicht der Fachsenat lediglich, dass kein Anlass bestand, von dem Grundsatz der Bindungswirkung abzuweichen.
4. Grundsätzlich setzt die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage (Sperrerklärung) bei Geheimhaltungsbedarf eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus. Der Fachsenat und damit auch das Beschwerdegericht haben nur zu überprüfen, ob die Entscheidung den an die Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gestellten Anforderungen genügt.
4.1 Durch die Ermessenseinräumung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben (Beschlüsse vom 19. August 1964 – BVerwG 6 B 15.62 – BVerwGE 19, 179 ≪186≫, vom 15. August 2003 a.a.O., vom 13. Juni 2006 – BVerwG 20 F 5.05 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 42, vom 1. August 2007 – BVerwG 20 F 10.06 –). § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht (Beschluss vom 13. Juni 2006 a.a.O.).
Soweit die Aktenvorlage auch Gegenstand des Rechtsstreits selbst ist, sind die Gründe, die eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen können, von denjenigen Gründen zu unterscheiden, die im Verfahren der Hauptsache zur Verweigerung der Aktenvorlage angeführt werden. Diese Gründe können, müssen aber nicht deckungsgleich sein. Da die Sperrerklärung als Erklärung des Prozessrechts auf die Prozesslage abgestimmt sein muss, in der sie abgegeben wird, genügt es grundsätzlich nicht, in ihr lediglich auf die die Sachentscheidung tragenden Gründe des – je nach Fachgesetz im Einzelnen normierten – Geheimnisschutzes zu verweisen. Die oberste Aufsichtsbehörde ist vielmehr im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gefordert, in besonderer Weise in den Blick zu nehmen, welche rechtsschutzverkürzende Wirkung die Verweigerung der Aktenvorlage im Prozess für den Betroffenen haben kann. Darin liegt die Besonderheit ihrer Ermessensausübung nach dieser Verfahrensbestimmung. Dementsprechend ist der obersten Aufsichtsbehörde auch in den Fällen Ermessen zugebilligt, in denen das Fachgesetz der zuständigen Fachbehörde kein Ermessen einräumt (Beschluss vom 1. August 2007 – BVerwG 20 F 10.06 – juris Rn. 5). Maßstab ist dabei neben dem privaten Interesse an effektivem Rechtsschutz und dem – je nach Fallkonstellation – öffentlichen oder privaten Interesse an Geheimnisschutz auch das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 – BVerfGE 115, 205 ≪241≫). Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat. Ist beispielsweise das Geheimhaltungsinteresse ohne erhebliches Gewicht, wird es gerechtfertigt sein, es hinter dem Interesse an effektivem Rechtsschutz zurücktreten zu lassen. Daher bedarf es stets einer Abwägung, ob Geheimnisschutz auch angesichts des Interesses an effektivem Rechtsschutz zu gewähren ist (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 a.a.O. S. 240).
4.2 Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann in bestimmten Fallkonstellationen jedoch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrechtlich geschützt ist. Denn Beeinträchtigungen von Grundrechten sind nur dann zulässig, wenn sie durch hinreichende, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Gründe gerechtfertigt werden. Die Frage nach der ausreichenden Rechtfertigung eines mit der Aktenvorlage verbundenen Grundrechtseingriffs stellt sich vor allem in Dreieckskonstellationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass neben dem Kläger und dem beklagten Staat auch ein privater Dritter am Prozess beteiligt ist, dessen Interessen denen des Klägers entgegengesetzt sind. In solchen Fällen sind neben dem öffentlichen und privaten Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden und seinen Inhalt prägenden widerstreitenden Individualinteressen in die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Ergibt sich dabei, dass die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch die genannten öffentlichen Interessen verstärkten privaten Interessen an Bedeutung hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss sich dieser Schutz durchsetzen. Aber auch unabhängig von den Anforderungen der Grundrechte sind Fälle denkbar, in denen das Geheimhaltungsinteresse so gewichtig ist, dass die Vorlage der Akten unterbleiben muss. Ebenso kann umgekehrt bei einem geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein. In allen diesen Fällen verbleibt für die Ausübung des in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO um der Wahrheitsfindung und des effektiven Rechtsschutzes willen eröffneten Ermessens kein Raum. Dies kann bei Rechtsstreitigkeiten, die wie das Ausgangsverfahren einen Anspruch auf Informationszugang betreffen, dazu führen, dass sich das Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO faktisch – nicht jedoch rechtlich – weitgehend den fachgesetzlichen Vorgaben der Hauptsache annähert.
5. Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Wie sich aus den Gründen des Beschlusses ergibt, hat der Fachsenat nicht alle von der Verweigerung der Aktenvorlage betroffenen Bände des Verwaltungsvorgangs, sondern nur die Aktenseiten überprüft, die die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. Februar 2004 und 28. April 2005 unter Berufung auf betrieblichen Geheimnisschutz benannt hat. Bezogen auf diese in den Gründen des Beschlusses aufgeführte “Liste” der Klägerin (BA S. 10 ff.) hat der Fachsenat die Verweigerung der Aktenvorlage hinsichtlich einzelner im Beschlusstenor aufgezählter Aktenseiten für rechtswidrig erklärt und sie im Übrigen bestätigt. Soweit der Beigeladene rügt, der Beschluss sei unzutreffend tenoriert worden, weil der Beklagte die Vorlage nicht grundsätzlich, sondern nur bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids verweigere, verkennt er die Besonderheiten des Zwischenverfahrens. In diesem Verfahren hat der Beklagte – über die im angefochtenen Bescheid genannten Aktenseiten hinaus – die Vorlage des gesamten Verwaltungsvorgangs verweigert. Dass der Fachsenat gleichwohl nicht den gesamten Verwaltungsvorgang überprüft hat, sondern sich darauf beschränkt hat, festzustellen, ob die Verweigerung der Vorlage der in der klägerischen “Liste” aufgeführten Aktenseiten im Zwischenverfahren rechtswidrig ist, erklärt sich daraus, dass die Klägerin – wie sie in ihren Schriftsätzen vom 26. Februar 2004 und 28. April 2005 ausgeführt hat – nur (noch) hinsichtlich dieser Aktenseiten betrieblichen Geheimnisschutz geltend macht. Aus dem Tenor ergibt sich daher (nur), welche Aktenseiten aus der “Liste” offenzulegen sind, weil die Vorlageverweigerung rechtswidrig ist, während sich (erst) aus den Gründen erschließt, welche Aktenseiten aus der “Liste” der Beklagte nicht vorzulegen hat. Hinsichtlich der Aktenseiten, die weder im Tenor noch in den Gründen genannt werden, hat der Fachsenat keine Entscheidung getroffen. Soweit er eine Entscheidung getroffen hat, ist diese nur hinsichtlich der Aktenseiten in Band 5, Bl. 29-46, 505-506 und 463-504 zu korrigieren; im Übrigen hält die Entscheidung der Überprüfung durch den beschließenden Senat stand.
5.1 Allerdings hat das beklagte Ministerium nicht, wie in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO bei Geheimhaltungsbedarf vorgesehen, eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung über die Aktenvorlage getroffen. Dass das Ministerium die Ausgangsentscheidung zu treffen hatte, entband es nicht von der Pflicht, als oberste Aufsichtsbehörde anlässlich der Sperrerklärung eine Abwägungsentscheidung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu treffen. Die mit Schriftsatz vom 5. März 2004 abgegebene Sperrerklärung lässt keine derartige Entscheidung erkennen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Schriftsatzes vom 23. Mai 2005. Es genügt nicht, auf die prozessualen Folgen des § 100 VwGO und die Probleme hinzuweisen, die sich daraus ergeben, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, im Fall der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs im Hauptsacheverfahren die Möglichkeit eines “in-camera”-Verfahrens vor dem Hauptsachegericht zu eröffnen. Ebenso wenig genügt es in der Regel, lediglich auf die Weigerungsgründe im angefochtenen Bescheid Bezug zu nehmen.
Im vorliegenden Fall war jedoch eine selbständige Ermessensentscheidung der obersten Aufsichtsbehörde ausnahmsweise entbehrlich. Denn das Ergebnis der nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Abwägung war rechtlich vorgezeichnet. Für Ermessenserwägungen war kein Raum. Das ergibt sich aus Folgendem:
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch des Beigeladenen auf Zugang zu Umweltinformationen, dem der Beklagte in dem Bescheid vom 28. Oktober 2002 teilweise entsprochen hat und der in diesem Umfang von der Klägerin mit der Anfechtungsklage bekämpft wird. Dieser Anspruch besteht – unter der vom Hauptsachegericht mit Blick auf die Frage der Entscheidungserheblichkeit bejahten tatbestandlichen Voraussetzung, dass er sich auf Umweltinformationen bezieht –, ohne dass hierfür ein Interesse geltend gemacht werden muss (Art. 1 lit. a der Umweltinformationsrichtlinie). Jede natürliche oder juristische Person ist mit der Antragstellung anspruchsberechtigt. Der Anspruch dient mithin nicht oder nicht in erster Linie der Befriedigung von privaten Informationsinteressen. Vielmehr zielt er darauf ab, das allgemeine Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und auf diese Weise den Umweltschutz zu verbessern (vgl. den ersten Erwägungsgrund zur Umweltinformationsrichtlinie sowie das Urteil vom 6. Dezember 1996 – BVerwG 7 C 64.95 – BVerwGE 102, 282 ≪287≫). Wer einen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen stellt, wird demnach (auch) als Sachwalter der Allgemeinheit tätig; seinem Interesse an der Verfolgung des Anspruchs im Prozess entspricht ein gleichgerichtetes öffentliches Interesse.
Dem in dieser Weise durch Allgemeininteressen getragenen Informationsinteresse des Beigeladenen stehen die grundrechtlich geschützten Interessen der Klägerin an der Wahrung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (vgl. dazu Beschluss vom 12. Januar 2006 – BVerwG 20 F 12.04 – BVerwGE 125, 40) gegenüber. Das besondere Gewicht dieser Interessen ergibt sich aus ihrem grundrechtlichen Bezug; aus diesem folgt, dass Beeinträchtigungen nur beim Vorliegen hinreichend gewichtiger Rechtfertigungsgründe hinnehmbar sind.
An solchen Gründen fehlt es, soweit der Beigeladene pauschal und einschränkungslos die Einsichtnahme in sämtliche im Zusammenhang mit dem Störfall vom 14. Dezember 2001 entstandenen Akten des Beklagten begehrt. Zwar braucht das Interesse an Umweltinformationen wegen der dargelegten Bedeutung des Zugangsanspruchs für die Allgemeinheit nicht von vornherein hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückzustehen. Andererseits müssen aber auch die privaten Geheimhaltungsinteressen nicht generell den Informationsinteressen weichen, weil dadurch der Schutz der Grundrechte im Zusammenhang mit der Offenbarung von Umweltinformationen vollständig entfiele. Vielmehr müssen die privaten Geheimhaltungsinteressen im Einzelnen mit den Informationsinteressen abgewogen werden. Nur soweit sich bei der Einzelabwägung ergibt, dass die Informationsinteressen ein größeres Gewicht als die privaten Geheimhaltungsinteressen haben, kann jenen Interessen der Vorzug gegeben werden. Diese Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit treffen auch auf die Vorlage der Akten im Prozess zu. Denn das in dieser Situation neben den sonstigen Interessen bedeutsame öffentliche und private Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung der Interessenlage.
5.2 Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts nicht auf die unzureichend begründete Sperrerklärung abgestellt hat, sondern seinerseits in die Abwägung eingetreten ist. Soweit der Beigeladene vorträgt, die restriktive Auffassung des Senats sei mit der Richtlinie nicht vereinbar, verkennt er, dass das Ergebnis der im Zwischenverfahren geforderten Abwägung in dem dargelegten Umfang rechtlich zwingend vorgegeben ist und sich lediglich faktisch deckt mit dem einfachrechtlichen Prüfprogramm. Maßstab für die Rechtmäßigkeit der Verweigerung ist nicht das materielle Recht, über das das Hauptsachegericht zu entscheiden hat, sondern die am Maßstab der Verhältnismäßigkeit orientierte Interessengewichtung.
5.3 Der Fachsenat hat darüber hinaus zutreffend erkannt, dass das (altruistische) Interesse des Beigeladenen an Gewicht gewinnt, soweit es um die Aufklärung des den Anlass für das Informationsbegehren bildenden Störfalls vom 14. Dezember 2001 geht.
Insoweit hat, wie der Fachsenat zu Recht festgestellt hat, der Geheimnisschutz ausnahmsweise zurückzutreten. Den Anknüpfungspunkt für die Verhältnismäßigkeitsprüfung bildet dabei die Frage, ob die Durchsetzung des Informationsanspruchs “unmittelbar bei der Realisierung einer wichtigen öffentlichen Aufgabe” hilft (BA S. 14). Dass ein besonderes, die Geheimhaltungsinteressen deutlich überwiegendes und daher die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zugunsten der Aktenvorlage determinierendes öffentliches Interesse an Informationen mit unmittelbarem Störfallbezug besteht, ergibt sich aus den weitreichenden Folgen, die ein Störfall angesichts der Besonderheiten einer solchen technischen Anlage für die Allgemeinheit haben kann. Soweit die Klägerin rügt, das Gericht erkläre nicht, wie es durch die Preisgabe der Akten konkret zur “Realisierung einer wichtigen öffentlichen Aufgabe” kommen könne, verkennt sie den für die öffentliche Diskussion essentiellen Transparenzeffekt, der sich aus einer solchen Offenlegung ergibt. Die Kenntnis der Informationen erlaubt – über die Aufbereitung des Vorfalls in Fachkreisen hinaus – eine öffentliche Auseinandersetzung mit substantiellen Nachfragen zu dem “kritischen” Ereignis eines solchen Störfalls. Dass ein Öffentlichkeitsdruck – wie der Fachsenat zutreffend angemerkt hat – zu einem erhöhten Erklärungsdruck und damit mittelbar zu einer möglichen Verbesserung der Anlagenüberwachung führen kann, beruht auf der Erkenntnis, dass durch das partizipative Element der Offenlegung das Bewusstsein für die Erfordernisse eines wirksamen Umweltschutzes geschärft wird. Da sich das Informationsinteresse des Beigeladenen mit dem (allgemeinen) öffentlichen Informationsinteresse deckt, nimmt es an dessen besonderer Bedeutung teil und gewinnt – soweit es um Informationen über den konkreten Störfall geht – ein Gewicht, das den Geheimnisschutz verdrängt.
5.4 Aus alledem ergibt sich, dass der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts seine Entscheidung im Zwischenverfahren zu Recht davon abhängig gemacht hat, in welchem Umfang der im Hauptsacheverfahren und im Zwischenverfahren umstrittene Akteninhalt im Hinblick auf die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin grundrechtlich gegen seine Offenlegung geschützt ist und welche Aktenseiten einen den Grundrechtsschutz verdrängenden besonderen Bezug zum Störfall vom 14. Dezember 2001 aufweisen. Unter diesen Gesichtspunkten ist zu dem Akteninhalt, der Entscheidung des Fachsenats und den Einwänden der Beschwerdeführer im Einzelnen zu bemerken:
5.4.1 Die Feststellung des Fachsenats, dass es sich bei den in der klägerischen “Liste” genannten Aktenseiten um Informationen handelt, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin bzw. mit ihr in Geschäftsbeziehung stehender Firmen betreffen (BA S. 12), ist nicht zu beanstanden.
Der beschließende Senat teilt – nach Durchsicht der Aktenseiten – die Einschätzung des Fachsenats. Das gilt auch, soweit der Beigeladene geltend macht, Angaben, die von Dritten stammten, seien kein Betriebsgeheimnis der Klägerin, so dass nicht von Amts wegen ein Geheimnisschutz für nicht am Verfahren beteiligte Firmen festgestellt werden könne, zu denen die Klägerin nur in Geschäftsbeziehung stehe. Denn es handelt sich um technisches bzw. betriebswirtschaftliches Wissen, das die Klägerin als Betreiberin von den jeweiligen Firmen erworben hat und das daher nicht nur diesen, sondern auch ihr unter dem Gesichtspunkt des Geheimnisschutzes zugeordnet ist. Soweit der Beigeladene einwendet, es handele sich um veraltete Technik, die allgemein bekannt sei, wird nicht beachtet, dass das technische Wissen nicht der Allgemeinheit, sondern nur dem beschränkten Kreis der Betreiber von Kernkraftwerken zugänglich gemacht worden ist. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat nachvollziehbar begründet, dass die Informationen nicht offenkundig und nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind.
5.4.2 Zu beanstanden ist die Entscheidung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts jedoch hinsichtlich der Aktenseiten in Band 5, Bl. 29-46. Hinsichtlich dieser Aktenseiten ist die Verweigerung der Vorlage rechtswidrig; der angefochtene Beschluss bedarf insoweit der Korrektur.
Band 5, Bl. 29-46 gehört nach der Begründung des Fachsenats zu den ”übrigen Aktenteilen”, für die “ein hinreichender Bezug zu dem Störfall weder dargelegt worden noch für den Senat ersichtlich” sei (BA S. 14). Dass Band 5, Bl. 45 sowie Bl. 30-44 im Zusammenhang mit dem Störfall stehen, hat der Senat bereits in dem im Parallelverfahren ergangenen Beschluss vom heutigen Tag ausgeführt. Die Seiten gehören zum Technischen Bericht Nr. 19/02, der Bl. 29-46 umfasst. Der Bericht bezieht sich ausweislich des Anschreibens auf Bl. 27 auf die “Leckage an der TC-Deckeldusche; KKB-Vork. 01-2002”, wobei – wie sich aus Bl. 47 ergibt – das Vorkommnis 01-2002 den Störfall am 14. Dezember 2001 bezeichnet. Insofern ist die Begründung des Fachsenats nicht nachvollziehbar.
5.4.3 Soweit der Beklagte mit seiner Beschwerde unter Benennung der vom Fachsenat ausdrücklich als nicht störfallrelevant bezeichneten Aktenseiten vorträgt, diese Seiten stünden im Zusammenhang mit dem Störfall, weil sich dort Angaben zu einem Rohr befänden, das bei dem Störfall geplatzt sei, erweist sich sein Vortrag abgesehen von Band 5, Bl. 505 und 506 als unbegründet.
Hinsichtlich der Aktenseiten in Band 1, Bl. 94-104 ist der Vortrag des Beklagten deswegen nicht nachvollziehbar, weil sich diese Seiten auf einen Arbeitsauftrag beziehen, der die Revisionsarbeiten auf der Reaktorbedienungsbühne betrifft.
Bei den aus Band 4 genannten Aktenseiten handelt es sich um Berichte mit Berechnungen und Analysen der Deckelsprühleitung, datierend von Oktober 1999 (Bl. 210-214: Rohrsystemberechnung und Spannungsanalyse), Januar 1996 (Bl. 220-224: Festigkeitsnachweis), Dezember 1995 (Bl. 225-228: Festigkeitsnachweis), August 1995 (Bl. 232-235: Rohrsystemberechnung und Spannungsanalyse) und Mai 1995 (Bl. 236-240: Rohrsystemberechnung und Spannungsanalyse). Band 5, Bl. 506-519 betrifft zwei weitere Berichte, die von Januar 2001 und Dezember 2000 datieren. Diese Unterlagen beziehen sich zwar generell auf die TC-Deckelduschleitung. Das allein genügt jedoch mit Blick auf die besondere Bedeutung des Schutzes der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin nicht. Denn die Berichte stehen in keinem zeitlich aktuellen Zusammenhang zu dem Störfall. Zwar mögen auch Berichte (mit Berechnungen) aus der Zeit vor einem Vorfall Auskunft über die möglichen Ursachen des Störfalls geben. Das setzt jedoch eine gewisse zeitliche Nähe und damit Aktualität voraus. Aber auch das genügt für sich genommen nicht. Vielmehr muss erkennbar sein, dass die Unterlagen auch zur Ursachenklärung beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint dem Senat ein Störfallbezug zum einen gegeben zu sein bei dem Deckblatt zum Bericht von Januar 2001 in Band 5, Bl. 506, das eine Zusammenfassung des Berichts enthält, zum anderen bei der Aktenseite in Band 5, Bl. 505, die ein an den Beklagten gerichtetes Schreiben vom 26. Februar 2002 enthält, dem die beiden Berichte als Anlage beigefügt waren und dessen Anlass eine Nachfrage im Zusammenhang mit dem Störfall war. Auch hinsichtlich dieser Aktenseiten ist die Verweigerung der Vorlage rechtswidrig und die Entscheidung des Fachsenats zu korrigieren.
Weitere Einwände hat der Beklagte, der die Akten kennt, mit der Beschwerde nicht substantiiert. Der Senat sieht auch keinen Anlass, den Verwaltungsvorgang an Hand der “Liste” der Klägerin danach zu sichten, ob hinsichtlich dieser ”übrigen Aktenteile” der lediglich pauschal behauptete Störfallbezug besteht. Denn auch im Beschwerdeverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO gilt ein Mindestmaß an Substantiierung zur Begründung der Beschwerde. Das gilt jedenfalls dann, wenn wie hier die Beschwerde von einem Beteiligten erhoben wird, der detaillierte Kenntnis vom Inhalt der Akten hat und der daher in der Lage ist, seine Einwände zu präzisieren. Mangels eines entsprechenden Vortrags des den Beigeladenen in Bezug auf die Störfallrelevanz unterstützenden Beklagten sieht sich der Senat auch durch die Beschwerde des Beigeladenen nicht zu eigenen Ermittlungen hierzu veranlasst, obwohl der Beigeladene die Akten nicht kennt.
5.4.4 Die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Verweigerung der Vorlage der im Tenor genannten Aktenseiten rechtswidrig ist, ist nur insoweit zu beanstanden, als sich diese Feststellung auf Band 5, Bl. 463-504 bezieht.
(1) Die im Einzelnen hinsichtlich der entsprechenden Aktenseiten präzisierten Einwände, die die Klägerin mit der Beschwerde erhebt, sind überwiegend nicht begründet. Gemessen an dem vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zutreffend zugrunde gelegten Maßstab des Störfallbezugs überwiegt – abgesehen von Band 5, Bl. 463-504 – das Interesse des Beigeladenen an der Offenlegung das Interesse der Klägerin am Geheimnisschutz.
Band 1, Bl. 222 enthält zwar in der Tat nur eine ausgedruckte E-mail. Erst an Hand dieses Schreibens lässt sich jedoch die Herkunft der nachfolgenden Bl. 223-225 nachvollziehen. Diese Seiten enthalten Messdaten hinsichtlich der TC-Deckelduschleitung. Der von der Klägerin vermisste Störfallbezug ergibt sich aus dem Umstand, dass in dieser Liste auch das Messdatum vom 14. Dezember 2001 aufgeführt ist.
Der Einwand der Klägerin, bei den Aktenseiten in Band 1, Bl. 330-336, die abgesehen von handschriftlichen Anmerkungen mit den ebenfalls im Tenor genannten Aktenseiten in Band 5, Bl. 367-373 identisch sind, handele es sich um eine vorläufige Schadensanalyse, die nach heutigem Kenntnisstand zu falschen Schlüssen komme, räumt den Störfallbezug nicht aus. Die auf diesen Seiten enthaltenen Ausführungen spiegeln den damaligen Erkenntnisstand im Umgang mit dem Störfall wider.
Soweit die Klägerin hinsichtlich Band 4, Bl. 2-8, Bl. 39-41, Bl. 207-209, Band 5, Bl. 281, Bl. 288-317, Bl. 318-332, Bl. 333-362, Bl. 379 einwendet, der Fachsenat habe verkannt, dass die Unterlagen know-how und damit Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse von Firmen enthielten, denen kein rechtliches Gehör gewährt worden sei und die ebenso wie die Klägerin bei Offenlegung wirtschaftlichen Schaden erleiden würden, verkennt sie, dass der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nicht deshalb an Gewicht gewinnt, weil das Wissen ursprünglich von einem Dritten stammt, der es rechtsgeschäftlich gegen Entgelt weitergibt. Wie der Senat weiter oben ausgeführt hat, ist ein solches Wissen nicht nur dem Dritten, sondern auch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Geheimnisschutzes zugeordnet. Mit dem “Erwerb” des Wissens übernimmt sie die Verantwortung für den Geheimnisschutz. Die Gründe, die es rechtfertigen können, den Geheimnisschutz ausnahmsweise zurücktreten zu lassen, ändern sich dadurch aber nicht. Daher bedarf es – entgegen der Auffassung des Beigeladenen – auch keiner Beiladung der Firmen, die überdies nicht im Zwischenverfahren zu erfolgen hätte. Da dem betrieblichen Geheimnisschutz ein besonderer wirtschaftlicher Wert eigen ist, kann dieser Gesichtspunkt bei einer Abwägung, die im Ergebnis zu einer Zurückstellung des Geheimnisschutzes führt, nicht – wie die Klägerin zu meinen scheint – gleichsam erneut mit dem Hinweis auf den möglichen wirtschaftlichen Schaden eingestellt werden. Das gilt auch, soweit die Klägerin zu Band 5, Bl. 281 vorträgt, dass die Radiolysegasbetrachtung besonders schützenswert sei, weil deren Handhabung neu und einzigartig sei. Auch hier nimmt sie lediglich auf den wirtschaftlichen Wert des Wissens Bezug. Dass die Angebote bzw. die Untersuchungen und Analysen im Zusammenhang mit dem Störfall stehen, bestreitet auch die Klägerin nicht. Soweit sie zu Band 4, Bl. 2-8 vorträgt, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Terminplanung seien nicht störfallrelevant, verkennt sie – unabhängig davon, dass zweifelhaft ist, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen überhaupt unter den betrieblichen Geheimnisschutz fallen –, dass diese Angaben Aufschluss über die Ausgestaltung des konkreten Untersuchungsauftrags geben und deshalb einen hinreichenden Bezug zum Störfall haben.
Der Einwand der Klägerin zu Band 5, Bl. 333-362, dass der Arbeitsbericht von Januar 2002 dieselben Angaben enthalte wie der Bericht auf Bl. 463-504, dessen Vorlage der Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Geheimnisschutzes verweigere, führt nicht weiter. Ob die “Qualität der Unterlagen” – wie die Klägerin formuliert – vergleichbar ist, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass der Bericht von Januar 2002 sich mit den möglichen Ursachen für die Undichtigkeit der TC-Deckelduschleitung befasst, mithin in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Störfall steht.
Soweit die Klägerin zu den Aktenseiten in Band 10, Bl. 2-3, die das Inhaltsverzeichnis (mit Vorbemerkung) zu einem “Bericht zu Schadensursache und -ablauf” enthalten, vorträgt, diese Seiten seien besonders vertraulich, da der Bericht “auslegungsrelevante Informationen” enthalte, erschließt sich dem Senat nicht, wie sich aus einer stichpunktartigen Gliederung und kurzen Vorbemerkung zum Ziel der Berichte “auslegungsrelevante Informationen” ergeben können. Im Übrigen gilt auch bei diesen störfallrelevanten Unterlagen – wie bei den Aktenseiten in Band 1, Bl. 330-336 und Band 5, Bl. 367-373 –, dass es unerheblich ist, ob die “richtigen” Maßnahmen zur Klärung des Störfalls ergriffen wurden.
Wie der Senat bereits im Zusammenhang mit den Einwänden des Beklagten zu den Berichten aus der Zeit vor dem Vorfall mit Berechnungen und Analysen in Band 4 und Band 5 ausgeführt hat, können auch solche früheren Berichte Auskunft über mögliche Ursachen eines späteren Störfalls geben. Weitere Voraussetzung ist, dass die Unterlagen auch zur Ursachenklärung beitragen können. Der Senat teilt die Einschätzung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts, dass die Berichte in Band 4, Bl. 207-209 von April 2000, Band 4, Bl. 210-214 von Oktober 1999 und Band 4, Bl. 215-219 von Januar 1997 ungeachtet des Umstands, dass sie nicht in aktuell-zeitlichem Zusammenhang mit dem Vorfall stehen, einen Störfallbezug aufweisen. Das ergibt sich daraus, dass diese Berichte thematisch anders ausgerichtet sind als die im Zusammenhang mit den Rügen des Beklagten behandelten Berichte, denn sie enthalten die so genannten Ermüdungsanalysen. Der Bericht von April 2000 ist als der zeitlich letzte Bericht vor dem Störfall – ebenso wie das Deckblatt zum Bericht von Januar 2001 in Band 5, Bl. 506 – für die Ursachenklärung aufschlussreich. Die früheren Berichte dienen verlaufsgeschichtlich dem Abgleich mit den Ergebnissen in dem Bericht von April 2000 und vermitteln damit in der Gesamtschau Auskunft, ob der “kritische” Punkt einer Ermüdungserscheinung Ursache für die Leckage war. Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts daher den Störfallbezug auch für die älteren Berichte bejaht.
(2) Unabhängig von den Einwänden der Klägerin ist die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts, dass die Verweigerung der Vorlage der Aktenseiten in Band 5, Bl. 463-504 rechtswidrig ist, deswegen zu beanstanden, weil diese Vorlageverweigerung nicht Gegenstand des vorliegenden Zwischenverfahrens ist. Denn die in diesem Verfahren zu überprüfende Vorlageverweigerung bezieht sich ebenso wie die zugrunde liegende Anfechtungsklage der Klägerin nur auf solche Aktenteile, deren Offenlegung der Beklagte im Bescheid vom 28. Oktober 2002 angeordnet hat. Hierzu gehören die Aktenseiten Band 5, Bl. 463-504 nicht; sie sind vielmehr Gegenstand der auf weiteren Informationszugang gerichteten Verpflichtungsklage des Beigeladenen, wie aus dessen Berufungsantrag vom 6. Februar 2006 hervorgeht. Abgesehen davon hat der Fachsenat in seiner Entscheidung zum parallelen Zwischenverfahren zutreffend erkannt, dass der betreffende Bericht, der offenbar aus dem Jahr 1996 stammt, keinen Störfallbezug aufweist. Die in Rede stehende Feststellung des Fachsenats ist demnach fehlerhaft und auf die Beschwerde der Klägerin aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155, 173 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts für dieses Zwischenverfahren folgt aus § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Prof. Dr. Kugele, Dr. Bumke
Fundstellen