Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswegbeschwerde in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Staatshaftungsanspruch wegen Verletzung der Pflichten des staatlichen Verwalters. Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte
Leitsatz (amtlich)
Für den Schadensersatzanspruch des Berechtigten gemäß § 13 VermG wegen behaupteter Pflichtverletzungen des staatlichen Verwalters sind die ordentlichen Gerichte zuständig (wie BGH, Beschluss vom 15. Dezember 1994 – III ZB 46/94 – BGHZ 128, 173).
Normenkette
VermG § 13 Abs. 2, § 37 Abs. 2; GVG § 17a Abs. 2, 4
Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Entscheidung vom 30.01.2001; Aktenzeichen A 2 K 1119/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 30. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide der Beklagten und des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt die Feststellung, dass ihm ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 13 VermG wegen Verletzung der Pflichten des staatlichen Verwalters eines Grundstücks zusteht, das die Beklagte ihm und seiner Schwester in ungeteilter Erbengemeinschaft gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG bereits rückerstattet hat. Das Verwaltungsgericht Halle hat mit Beschluss vom 30. Januar 2001 nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 17 a Abs. 2 GVG den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Landgericht Halle verwiesen; zugleich hat es gemäß § 17 a Abs. 4 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtswegfrage die Beschwerde gegen seinen Beschluss zugelassen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Wie der Senat mit Beschluss vom 14. Dezember 1998 – BVerwG 8 B 125.98 – (BVerwGE 108, 153) im Einzelnen ausgeführt hat, bleibt auch im Rahmen des § 17 a Abs. 4 GVG die in § 37 Abs. 2 VermG geregelte Beschränkung des Instanzenzugs bestehen mit der Folge, dass über die Beschwerde gegen die Rechtswegentscheidung unter Ausschluss des Oberverwaltungsgerichts unmittelbar durch das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden ist. Daran hält der Senat fest.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg zu Recht verneint. Der streitige Schadensersatzanspruch gemäß § 13 Abs. 1 VermG ist ungeachtet des in § 13 Abs. 2 VermG vorgesehenen Verwaltungs(vor)verfahrens den Zivilgerichten zur Entscheidung zugewiesen. Der Senat schließt sich insoweit der seit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. Dezember 1994 – III ZB 46/94 – (VIZ 1995, 227 = BGHZ 128, 173 mit zustimmender Anmerkung von Ranieri JZ 1995, 1123) überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung an (vgl. ebenso SächsOVG, Beschluss vom 4. Juni 1998 – 1 S 460/97 – SächsVBl 1998, 275 ≪LS≫; OVG Berlin, Beschluss vom 30. Juni 1998 – OVG 8 L 64.98 –; VG Meiningen, Beschluss vom 15. September 1998 – 2 K 1011/96 – VIZ 1999, 416; OLG Dresden, Urteil vom 20. August 1997 – 6 U 1916/96 – VIZ 1997, 688 ≪689 f.≫; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 8. April 1997 – 2 U 157/96 –; Kiethe in: RVI, Band 2, § 13 VermG Rn. 18 f.; Säcker-Hummert in: Säcker, Vermögensrecht, § 13 VermG Rn. 20;a.A.: Steinwachs in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Band 1, § 13 VermG Rn. 147 f.; Nethe in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, § 13 VermG Rn. 19; KG, Beschluss vom 14. Juli 1994 – 24 W 1966/94 – VIZ 1994, 680).
Der Vorschrift des § 13 Abs. 2 VermG ist unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, die bei der Beurteilung von Rechtswegfragen besonders Gewicht haben, in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof zu entnehmen, dass für den dort geregelten Schadensersatzanspruch wegen Fehlverhaltens des staatlichen Verwalters mittelbar auch die Zuständigkeit der ordentliche Gerichte begründet werden sollte; der Verweis auf die gesetzlichen Regelungen der DDR über die Staatshaftung betrifft nicht nur Grund und Umfang der Haftung, sondern auch die damit verbundenen Verfahrensvorschriften unter Einschluss der Rechtswegbestimmung. Der Gesetzgeber des Vermögensgesetzes hat den Anspruch nach § 13 VermG ausdrücklich in die Form eines Staatshaftungsanspruchs gekleidet; für diesen ist nach dem Staatshaftungsgesetz der DDR (§ 6 a StHG) der ordentliche Rechtsweg zulässig, sobald das Verwaltungsverfahren abgeschlossen ist (BGH, a.a.O. sowie Urteil vom 14. Juli 1994 – III ZR 174/92 – NJW 1994, 2684 ≪2687≫; vgl. auch BTDrucks 11/7831, S. 10). Die Rechtswegregelung des § 37 VermG findet insoweit keine Anwendung; ihr lässt sich keine abschließende Zuweisung des Rechtsschutzes in vermögensrechtlichen Angelegenheiten an die Verwaltungsgerichte entnehmen. Dem Vermögensrecht sind vielmehr zivilrechtliche und vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgende Ansprüche auch im Übrigen nicht fremd (vgl. § 7 Abs. 8, § 3 Abs. 1 Satz 9 VermG); für Ansprüche im Zusammenhang mit § 11 a und § 15 VermG hat der Bundesgerichtshof ebenfalls den ordentlichen Rechtsweg bejaht (Beschlüsse vom 30. Juni 1994 – III ZB 21/94 – NJW 1994, 2488 und vom 30. Juli 1997 – III ZR 157/96 – VIZ 1997, 643).
Die mit dieser Entscheidung zugunsten des Zivilrechtswegs verbundene Vereinheitlichung des Rechtswegs für die in § 13 VermG angesprochene Staatshaftung und die daneben möglichen Amtshaftungsansprüche (vgl. zur Anspruchskonkurrenz insoweit BGH, Beschluss vom 15. Dezember 1994, a.a.O.; OLG Dresden, a.a.O.) sowie rein privatrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Haftung nichtstaatlicher Verwalter ist aus Gründen der Prozessökonomie und der Vereinfachung der Rechtsverwirklichung in Lebenssachverhalten, die oft alle drei angesprochenen Bereiche betreffen, gerechtfertigt (vgl. Ranieri, a.a.O., S. 1126 m.w.N.). Dass § 13 Abs. 2 VermG der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs ein Verwaltungs(vor)verfahren vorschaltet, steht der Eröffnung des Zivilrechtsweges nicht entgegen; unter anderem das Enteignungsverfahren des § 217 Abs. 1 BauGB – für das ebenfalls die Zivilgerichte zuständig sind – sieht ein vergleichbares Verwaltungsverfahren ebenfalls vor, ohne dass deshalb unüberwindliche praktische oder dogmatische Schwierigkeiten ersichtlich wären. Es ist Sache der danach zuständigen ordentlichen Gerichte, die von der Gegenansicht befürchteten praktischen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid und der Bestimmung der Klagefrist (vgl. Nethe, a.a.O.) zu lösen; ferner obliegt es dem zuständigen Landgericht zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 13 Abs. 2 VermG im konkreten Fall vorliegen. Dass mit der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte prozessrechtliche Nachteile für den Kläger verbunden sind, ist mit der Rechtswegfrage angesichts der unterschiedlichen Verfahrensgrundsätze unvermeidlich verknüpft und kein durchgreifender Einwand gegen die Entscheidung zugunsten des Zivilrechtswegs.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13, 14, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG. Danach war der Streitwert gemäß Nr. I 9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Januar 1996 (NVwZ 1996, 563) auf den dort vorgesehenen Höchstbetrag von 10 000 DM festzusetzen.
Unterschriften
Dr. Müller, Sailer, Golze
Fundstellen
Haufe-Index 604771 |
NJW 2001, 2416 |