Verfahrensgang
VG Dessau (Aktenzeichen 3 K 69/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 18. Januar 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO – vgl. 1). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – vgl. 2). Das angefochtene Urteil weicht auch nicht von den in der Beschwerdebegründung genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO – vgl. 3).
1. Ein geltend gemachter Verfahrensmangel liegt nicht vor. Deshalb kann es dahinstehen, ob ein Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß bezeichnet wird (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat weder seine allgemeine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) noch seine Hinwirkungspflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) verletzt. Selbst wenn man zugunsten der Beschwerde annimmt, sie wolle auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) mit der Begründung rügen, das Verwaltungsgericht habe wesentlichen Vortrag der Beigeladenen nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, liegt kein Verfahrensfehler vor. Der Prüfung, ob das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensmangel beruht, muss nämlich die materiellrechtliche Beurteilung der Vorinstanz zugrunde gelegt werden. Dies gilt selbst dann, wenn diese Beurteilung sich als unzutreffend erweisen sollte (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 4. November 1994 – BVerwG 8 C 28.93 – Buchholz 454.71 § 7 WoGG Nr. 1 S. 1 ≪2≫). Die Beschwerde weist zu Recht darauf hin, dass das Verwaltungsgericht unter „Veräußerung” im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG offensichtlich die notarielle Beurkundung des Kaufvertrags im Jahre 1991 verstanden hat (vgl. Beschwerdebegründung S. 9, Urteil S. 9 unten, 10 oben). Somit war für das Verwaltungsgericht allein entscheidungserheblich, wer in diesem Zeitpunkt Verfügungsberechtigter war. Mögliche spätere Änderungen musste es folglich weder weiter aufklären noch musste es den Vortrag der Beigeladenen, die eine spätere Änderung behauptete, in seiner Entscheidung würdigen.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält zum einen folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
„Unterliegt ein im Grundbuch (noch) als Eigentum eines inzwischen privatisierten Unternehmens eingetragenes restitutionsbehaftetes Grundstück, das vor der Unternehmensprivatisierung aus dem Betriebsvermögen des vormaligen Treuhandanstalt-Unternehmens wirtschaftlich als Treugut in das eigene Vermögen der Treuhandanstalt überführt worden ist und über dessen Belastung oder Übereignung das privatisierte Unternehmen aufgrund des Privatisierungsvertrages treuhänderisch nur nach Maßgabe der Interessen und des Willens der Treuhandanstalt verfügen darf, damit auf der Grundlage einer Einzelrestitution (§ 3 Abs. 1 S. 1 VermG) der Verfügungsmacht der Treuhandanstalt und ihrer Verfügungsberechtigung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Alt. 3 VermG oder nicht?”
Soweit diese Frage entscheidungserheblich ist, lässt sie sich beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Der Begriff „Verfügungsmacht” im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 3. Alt. Vermögensgesetz stellt – wie der Begriff „Eigentum” – auf die formale Inhaberschaft eines Rechts ab (vgl. Neuhaus in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG § 2 Anm. 3), so dass im Falle eines Treuhandverhältnisses – wie es hier von der Beschwerde geltend gemacht wird – gerade nicht der Treuhandgeber, sondern (nur) der Treuhänder Verfügungsberechtigter im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG ist.
Eine formale Verfügungsmacht ergibt sich in der Regel kraft Gesetzes. Ob sie sich auch aus der rechtsgeschäftlichen Ermächtigung (§ 185 BGB) eines Dritten ergeben kann und dadurch neben dem Eigentümer auch der Dritte Verfügungsberechtigter wird, ist fraglich (bejahend Wasmuth in: Clemm u.a., Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Band II VermG § 2 Anm. 150). Dies kann hier jedoch dahinstehen. Soweit es neben dem Eigentümer einen weiteren Verfügungsberechtigten gibt, richtet sich der Anspruch auf Erlösauskehr (§ 16 Abs. 1 InVorG) gegen den Verfügungsberechtigten, der tatsächlich den Vermögenswert veräußert hat. Dies zeigt u.a. die Verwendung des Wortes „seiner” in § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG. Im vorliegenden Fall veräußerte die Beigeladene als Eigentümerin den Vermögenswert (vgl. unten). Folglich richtete sich der Anspruch der Berechtigten auf Erlösauskehr allein gegen die Beigeladene.
Zum anderen hält die Beschwerde folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
„Ist die „Veräußerung” eines restitutionsbehafteten Grundstücks, in deren Folge dem Verfügungsberechtigten die Rückübertragung auf den Berechtigen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG unmöglich ist, auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit des investiven schuldrechtlichen Kaufvertrages über das Grundstück oder auf die rechtsgeschäftlichen Verfügungen zu beziehen, die den Eigentumsübergang auf den investiven Käufer herbeiführen?”
Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich. Die Beigeladene als Eigentümerin hat das restitutionsbelastete Grundstück an die M.B.-Verwaltungs GmbH verkauft. Auch die Auflassung, also die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt des Eigentümerwechsels, erfolgte zwischen der Beigeladenen und der Käuferin. Im Grundbuch wurde das Eigentum von der Beigeladenen auf die Käuferin umgeschrieben. Die Beigeladene hat daher auf jeden Fall das Grundstück veräußert. Sie ist daher – wie oben dargelegt – der Verfügungsberechtigte, gegen den allein sich der Anspruch auf Erlösauskehr nach § 16 Abs. 1 InVorG richtete. Ob Änderungen zwischen Abschluss des Kaufvertrags und der Auflassung dazu führten, dass auch die Klägerin Verfügungsberechtigte wurde, ist – wie ebenfalls oben dargelegt – ohne Bedeutung.
3. Die angefochtene Entscheidung weicht schließlich nicht von einer in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 21. Januar 1994 – BVerwG 11 B 116.93 – Buchholz 442.16 § 15 b StVZO Nr. 22 S. 1 ≪2≫). Die in dieser Weise voneinander abweichenden Rechtssätze müssen sich aus der angefochtenen wie aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts unmittelbar und so deutlich ergeben, dass nicht zweifelhaft bleibt, welchen Rechtssatz die Entscheidungen jeweils aufgestellt haben. Daran fehlt es hier.
Das verwaltungsgerichtliche Urteil weicht nicht von dem Urteil vom 6. Dezember 1996 – BVerwG 7 C 34.96 – (Buchholz 428.1 § 16 InVorG Nr. 4 S. 5) ab. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts äußert sich dazu, wer nach § 2 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. Vermögensgesetz verfügungsberechtigt ist. Zu der vom Verwaltungsgericht beantworteten Frage, wer bei sonstigen Vermögenswerten gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 3. Alt. Vermögensgesetz Verfügungsberechtigter ist, enthält das Urteil vom 6. Dezember 1996 keine Ausführungen. Selbst wenn – wie die Beschwerde meint – das Verwaltungsgericht dies übersehen haben sollte, läge darin keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
Der Beschluss vom 9. Februar 1995 – BVerwG 7 B 156.94 – (Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 3 S. 8) ist zum Vermögenszuordnungsgesetz ergangen. Die Auslegung einer Bestimmung des Vermögensgesetzes durch das Verwaltungsgericht kann aber nicht von der Auslegung einer Bestimmung des Vermögenszuordnungsgesetzes durch das Bundesverwaltungsgericht abweichen. Dies gilt auch dann, wenn in den beiden Gesetzen derselbe Begriff verwendet wird. Denn derselbe Begriff kann in verschiedenen Gesetzen verschieden auszulegen sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13 und 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze
Fundstellen