Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Urteil vom 20.04.2004; Aktenzeichen 9 KN 561/02)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. April 2004 wird verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

 

Gründe

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Verfahrensmängel werden nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt.

1. Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen und seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, indem es entgegen dem eindeutigen Akteninhalt davon ausgegangen sei, dass der Antragsteller weder im Verfahren zur Aufstellung des Flächennutzungsplanes noch im Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes Bauwünsche angemeldet, sich vielmehr gar nicht geäußert habe und dass deshalb für die Antragsgegnerin keine Veranlassung bestanden habe, sich im Rahmen der Abwägung detailliert damit auseinander zu setzen, ob auch der Antragsteller in die Lage versetzt werden müsse, seine Grundstücke für die Errichtung von Windenergieanlagen nutzen zu können. In den Verwaltungsvorgängen finde sich jedoch ein u.a. vom Antragsteller unterzeichnetes Schreiben, in dem dieser unmissverständlich geltend gemacht habe, dass er mit dem Bebauungsplan nicht einverstanden sei und in seinen Eigentumsrechten in erheblichem Maße beschnitten werde. Zusammen mit den anderen Unterzeichnern habe er die Antragsgegnerin aufgefordert, den Bebauungsplan so zu ändern, dass auf der im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Fläche mindestens fünf große Windkraftanlagen mit einer zulässigen Gesamthöhe von 135 m oder alternativ sieben Windkraftanlagen mit 100 m Gesamthöhe errichtet werden dürften.

Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt “aktenwidrig” festgestellt, bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf; der Widerspruch muss also “zweifelsfrei” sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. November 1997 – BVerwG 4 B 182.97 – Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1; BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1984 – BVerwG 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338, 340). Die Verfahrensrüge der “Aktenwidrigkeit” verlangt eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus den vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, da eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1999 – BVerwG 4 BN 41.99 – UPR 2000, 226 und vom 4. Juli 2001 – BVerwG 4 B 51.01 –).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die Beschwerde hat zwar das Schreiben, auf das sie die Rüge der Aktenwidrigkeit stützt, konkret bezeichnet. Ein eindeutiger Widerspruch zu den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt sich aus diesem Schreiben jedoch nicht; auch die Beschwerde legt einen solchen Widerspruch nicht dar. Mit dem Schreiben hat nicht der Antragsteller als Einzelperson, sondern eine “Interessengemeinschaft Stöcken-Darigsdorf”, der auch der Antragsteller angehört, Einwände gegen den Bebauungsplan erhoben. Die Interessengemeinschaft vertritt – wie in dem Schreiben dargelegt wird – die Grundeigentümer der durch den Flächennutzungsplan als Vorrangstandort für Windenergieanlagen ausgewiesenen Flächen. Sämtliche Grundeigentümer haben Nutzungsverträge mit der “Dezentrale Energie Agentur GmbH” geschlossen und vereinbart, am Umsatz der von dieser Gesellschaft zu errichtenden Windkraftanlagen beteiligt zu werden. Die Interessengemeinschaft fordert zwar, den Bebauungsplan so zu ändern, dass nicht nur – wie vorgesehen – drei Windkraftanlagen, sondern mindestens fünf große oder alternativ dazu sieben kleine Anlagen zugelassen werden. Dass die Unterzeichner damit nicht nur als Interessengemeinschaft, sondern auch als Einzelpersonen Einwände gegen den Bebauungsplan erheben wollten und dass es dem Antragsteller darauf ankam, gerade auf seinem Grundstück eine der zusätzlichen Anlagen errichten zu können, geht aus dem Schreiben jedoch nicht eindeutig hervor. Auch die Beschwerde legt das nicht dar. Mit der Feststellung, der Antragsteller habe sich nicht geäußert und Bauwünsche nicht angemeldet, hat das Oberverwaltungsgericht mithin lediglich den Sachverhalt in einem rechtlichen Sinne gewürdigt, der für die vom Antragsteller in Anspruch genommene Rechtsposition ungünstig ist. Dies stellt keine aktenwidrige Feststellung dar.

2. Die Beschwerde rügt ferner, dass das Oberverwaltungsgericht nicht sämtliche Verwaltungsvorgänge zu dem Bebauungsplanaufstellungsverfahren beigezogen habe. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht ist auch insoweit nicht hinreichend dargelegt. Die von der Beschwerde vermisste Prüfung der fristgemäß vorgebrachten Anregungen ist in den vom Oberverwaltungsgericht beigezogenen Verwaltungsvorgängen enthalten. Die Beiziehung welcher weiteren Akten sich dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen, legt die Beschwerde nicht dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG n.F.

 

Unterschriften

Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Phillip

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1251185

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