Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 09.12.2005; Aktenzeichen 2 B 2.03) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 500 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.
a) Die Frage, in welchem rechtlichen Verhältnis die städtebauliche Erhaltungssatzung und das Denkmalschutzrecht zueinander stehen, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil der Senat sie bereits beantwortet hat. Im Urteil vom 3. Juli 1987 – BVerwG 4 C 26.85 – (BRS 47 Nr. 129) hat er aus den unterschiedlichen Zielen von städtebaulichem Erhaltungsrecht und Denkmalschutzrecht den Schluss gezogen, dass städtebauliche Erhaltungsgründe und Gründe des Denkmalschutzes prinzipiell getrennt voneinander zu prüfen sind. Dies könne dazu führen, dass eine einzelne bauliche Anlage nur aus städtebaulichen Gründen ohne denkmalschützerischen Bezug erhaltungswürdig ist. Die Beschwerde hält das für nicht angängig, zeigt aber keine Gesichtspunkte auf, die dem Senat Veranlassung geben könnten, seine Rechtsprechung in einem Revisionsverfahren zu überdenken.
b) Die Frage, wie der Begriff der Beeinträchtigung in § 172 Abs. 3 Satz 2 BauGB zu verstehen ist, nötigt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Es liegt auf der Hand, dass die städtebauliche Gestaltung eines Erhaltungsgebietes beeinträchtigt wird, wenn die beabsichtigte bauliche Anlage als Fremdkörper den Zielen der Erhaltungssatzung widerstreiten würde (vgl. Lemmel in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 172 Rn. 30). Dies sieht auch das Berufungsgericht so; denn es stellt entscheidungstragend darauf ab, dass der in der Großzügigkeit liegende städtebauliche Gestaltwert der Arkaden, wie sie in der Friedrichstraße von der Kreuzung Dorotheenstraße bis zur Kreuzung Unter den Linden anzutreffen sind und sich bis zur Leipziger Straße fortsetzen, durch die Schauvitrinen in sein Gegenteil verkehrt wird, weil das Bild einer eher beengten baulichen Situation entsteht (UA S. 7). Die Beschwerde ist mit dieser Bewertung der konkreten örtlichen Verhältnisse nicht einverstanden (Beschwerdebegründung S. 6). Ihre Kritik verleiht der Rechtssache freilich keine grundsätzliche Bedeutung.
c) Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gericht einen Sachverhalt durch einen Sachverständigen begutachten lassen muss oder selbst beurteilen darf, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abschließend geklärt. Es liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es sich selbst die erforderliche Sachkunde für die Beurteilung und Würdigung eines Sachverhalts zutraut, den sich das Berufungsgericht hier u.a. mit Hilfe einer Ortsbesichtigung erarbeitet hat, oder ob es zur Klärung einer Beweisfrage ein Sachverständigengutachten heranzieht. Das ihm anvertraute Ermessen überschreitet das Gericht erst dann, wenn es sich eine ihm nicht zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt und sich nicht mehr in den Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die den ihm angehörenden Richtern allgemein zugänglich sind (BVerwG, Beschluss vom 22. September 1989 – BVerwG 5 B 146.88 – Buchholz 424.01 § 139 FlurbG Nr. 14). Verzichtet das Gericht trotz der Kompliziertheit und wissenschaftlichen Bezogenheit eines Sachgebiets auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens, muss es seine eigene Sachkunde in einer von den Parteien und vom Revisionsgericht nachprüfbaren Weise durch eine überzeugende Darlegung nachweisen (BVerwG, Urteil vom 10. November 1983 – BVerwG 3 C 56.82 – BVerwGE 68, 177 ≪183≫). Ob das Berufungsgericht diesen Anforderungen vorliegend gerecht geworden ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
a) Die Beschwerde macht mit der Aufklärungsrüge geltend, dass das Berufungsgericht zu Unrecht keinen (Sachverständigen-)Beweis zu dem Thema erhoben habe, ob die zur Genehmigung gestellten Schauvitrinen dem Charakter des Erhaltungsgebietes “Dorotheenstadt, Friedrichstraße” widersprechen. Sie legt allerdings nicht dar, dass sie in der Berufungsinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben sie nunmehr moniert, hingewiesen hat oder dass sich dem Berufungsgericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Schon hieran scheitert die Beschwerde, weil die Aufklärungsrüge kein Mittel darstellt, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge oder Beweisanregungen – wie hier im klägerischen Schriftsatz vom 10. November 2005 – genügen den letztgenannten Anforderungen nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).
Die Beschwerde kann dem Verdikt des Misserfolgs der Aufklärungsrüge nicht mit der Behauptung entgehen, das Berufungsgericht habe den Kläger nicht darauf hingewiesen, aus eigener Sachkunde entscheiden zu wollen, und dadurch einen Beweisantrag des Klägers verhindert. Sie verschweigt nämlich, dass das Berufungsgericht bereits in seinem Vergleichsvorschlag vom 12. Oktober 2005 seine Sicht der Dinge so dargestellt hat, wie sie später im Urteil bestätigt worden ist. Den Beschluss mit dem Vergleichsvorschlag hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 20. Oktober 2005 erhalten. Ab diesem Zeitpunkt waren ihm die Überlegungen des Berufungsgerichts bekannt und hätte er hierauf prozessual in der gebotenen Weise reagieren können.
b) Der Vorwurf eines Verstoßes gegen die Denkgesetze verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass sowohl Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts als auch in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung – wenn sie denn vorlägen – revisionsrechtlich in der Regel nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen sind, kann von einem Verstoß gegen die Denkgesetze nur dann gesprochen werden, wenn das Gericht einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen werden kann, nicht dagegen schon dann, wenn eine Schlussfolgerung nicht zwingend oder nicht überzeugend oder sogar unwahrscheinlich sein sollte (BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1996 – BVerwG 8 B 98.96 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 270). Die Angriffe der Beschwerde gegen das Berufungsurteil können nicht in Frage stellen, dass die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung mindestens vertretbar ist. Das bedarf angesichts der Begründung des Berufungsurteils keiner Vertiefung. Die Beschwerde verkennt in ihrer Argumentation die unterschiedliche Zielsetzung des Denkmalschutzrechts einerseits und des Städtebaurechts, insbesondere der städtebaulichen Erhaltungssatzung, andererseits (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 – BVerwG 4 CN 4.00 – BVerwGE 114, 247).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Halama, Gatz, Dr. Jannasch
Fundstellen
Haufe-Index 1497690 |
BBB 2006, 48 |