Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 30.07.2009; Aktenzeichen 2 L 183/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Rz. 3
a) Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,
ob der Nutzung der Windenergie in substantieller Weise Raum verschafft worden ist, wenn der Landesdurchschnitt an der Stromerzeugung aus regenerativen Energien über dem Bundesdurchschnitt liegt.
Rz. 4
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat im angegriffenen Berufungsurteil den Rechtssatz formuliert, der Nutzung der Windenergie sei in substantieller Weise Raum verschafft worden, “wenn die ausgewiesenen Konzentrationsflächen nach ihrer Zahl und Größe einen beachtlichen Teil der potentiell für die Windkraftnutzung in Betracht kommenden Flächen ausmachen … und mit hinreichender Sicherheit zur Errichtung von Windkraftanlagen führen, die nach ihrer Anzahl und Energiemenge auch mit Blick auf den Bundesdurchschnitt geeignet sind, einen gewichtigen und den allgemein anerkannten energiepolitischen Zielsetzungen nicht offensichtlich widersprechenden Beitrag zur Erhöhung des Anteils regenerativer Energien an der Gesamtenergieerzeugung zu leisten” (UA S. 9 f.). Von einem Rechtssatz des Inhalts, dass der Nutzung der Windenergie bereits dann in substantieller Weise Raum verschafft worden ist, wenn der Landesdurchschnitt an der Stromerzeugung aus regenerativen Energien über dem Bundesdurchschnitt liegt, ist das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen. Es hat an erster Stelle die tatsächlichen Verhältnisse im Planungsraum gewürdigt. Durch die zusätzliche Voraussetzung, dass die ausgewiesenen Konzentrationsflächen auch mit Blick auf den Bundesdurchschnitt geeignet sein müssten, einen gewichtigen Beitrag zur Windenergienutzung zu leisten, ist die Klägerin nicht beschwert.
Rz. 5
Aber selbst wenn man zugunsten der Beschwerde unterstellt, sie wolle in der Sache klären lassen, ob der Bundesdurchschnitt ein “völlig untauglicher Maßstab” ist, um festzustellen, ob der Nutzung der Windenergie im jeweiligen Planungsraum in substantieller Weise Raum verschafft worden ist (Beschwerdebegründung S. 5), rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Diese Frage wäre ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Die Beschwerde genügt insoweit im Übrigen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Rz. 6
Das Oberverwaltungsgericht hat seine Annahme, der REP Magdeburg verschaffe der Nutzung der Windenergie in substantieller Weise Raum, auf zwei Feststellungen gestützt. Zum einen hat es angenommen, dass die im REP Magdeburg ausgewiesenen Vorrang- und Eignungsgebiete nach ihrer Zahl und Größe einen beachtlichen Teil – jeweils etwa 10 % – der potentiell für die Windenergienutzung in Betracht kommenden Flächen und allein die zehn Vorranggebiete einen Anteil von 0,37 % der Gesamtfläche der Planungsregion Magdeburg ausmachten. Zum anderen hat es festgestellt, dass die Ausweisung auch mit hinreichender Sicherheit zur Errichtung von Windkraftanlagen führe, die nach ihrer Anzahl und Energiemenge geeignet seien, einen gewichtigen Beitrag zur Erhöhung des Anteils regenerativer Energien an der Gesamtenergieerzeugung zu leisten, weil in den zehn Vorranggebieten 163 Anlagen mit einer Leistung von 407,5 Megawatt und in den 16 Eignungsgebieten 180 Anlagen mit einer Leistung von 450 Megawatt errichtet werden könnten, und die sich daraus ergebende Gesamtleistung von ca. 850 Megawatt “auch mit Blick auf den Landes- und Bundesdurchschnitt einen mehr als beachtlichen Beitrag an der Windenergieerzeugung” darstelle (UA S. 10).
Rz. 7
Die Beschwerde behauptet zwar, dass das Oberverwaltungsgericht ohne Abstellen auf den Bundesdurchschnitt zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der Nutzung der Windenergie im Planungsbereich nicht in substantieller Weise Raum geschaffen wurde (Beschwerdebegründung S. 6). Für diese Behauptung fehlt indes jeder konkrete Anhaltspunkt. Die Beschwerde führt an, selbst wenn man mit dem Oberverwaltungsgericht der Meinung wäre, das Land Sachsen-Anhalt habe “genug getan”, müsse doch “eine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum” maßgeblich sein, wie dies in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24. Januar 2008 – BVerwG 4 CN 2.07 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 376 S. 31 = NVwZ 2008, 559 ≪560≫) gefordert worden sei (Beschwerdebegründung S. 5). Der darin anklingende (und im Zusammenhang mit der Divergenzrüge – Beschwerdebegründung S. 6 – auch ausdrücklich formulierte) Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe auf den Bundesdurchschnitt und nicht, wie geboten, auf eine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum abgestellt, trifft nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht hat ausdrücklich eine Gesamtbetrachtung unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Planungsraum angestellt und hierbei örtliche Gegebenheiten wie insbesondere Zahl und Größe der potentiell für die Windkraftnutzung in Betracht kommenden Flächen in Betracht gezogen (UA S. 9 ff.).
Rz. 8
b) Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang noch geltend macht, das angefochtene Urteil sei auch in einem weiteren Punkt falsch, weil es übersehe, dass die ausgewiesenen Vorranggebiete bereits bebaut seien (Beschwerdebegründung S. 5), zeigt sie eine klärungsbedürftige Grundsatzfrage von vornherein nicht auf.
Rz. 9
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist ebenfalls nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise geltend gemacht.
Rz. 10
Die Beschwerde rügt, das Berufungsurteil weiche vom Urteil des Senats vom 24. Januar 2008 – BVerwG 4 CN 2.07 – (Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 376 S. 31 = NVwZ 2008, 559 ≪560≫) ab und beruhe auf dieser Abweichung. Nach dieser Entscheidung könne “erst nach einer Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum beurteilt werden”, wann die Grenze zur Verhinderungsplanung überschritten sei. Von dieser Entscheidung setze sich das Oberverwaltungsgericht ab, indem es auf den Bundesdurchschnitt des Anteils an Strom aus regenerativen Energiequellen abstelle und eben nicht auf eine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum. Die Beschwerde bezeichnet damit schon keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (zu diesen Darlegungsanforderungen vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328; stRspr). Abgesehen davon trifft die Behauptung der Beschwerde – wie ausgeführt – auch in der Sache nicht zu.
Rz. 11
3. Schließlich führen auch die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 12
Die Beschwerde macht geltend, die Klägerin habe ihren Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht mit der Absicht, Schadenersatzansprüche geltend machen zu wollen, begründet, was auch verstanden worden sei; falls nicht, habe das Gericht seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt (Beschwerdebegründung S. 7 f.). Der Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO sei auch an anderer Stelle verletzt worden, weil das Oberverwaltungsgericht das bisherige Vorbringen zum Flächennutzungsplan nach Stellung des Hilfsantrages als relevant angesehen habe, der Klägerseite aber trotz Schriftsatzfrist für die Gegenseite keine Gelegenheit mehr gegeben habe, zu reagieren, schon gar nicht in einer mündlichen Verhandlung, in die das Gericht hätte wieder eintreten müssen (Beschwerdebegründung S. 8 f.). Beide Rügen zielen auf die Ablehnung des im Termin zur mündlichen Verhandlung von der Klägerin hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrags. Das Oberverwaltungsgericht hat den Hilfsantrags als “bereits unzulässig” abgelehnt, weil es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin dahingehend fehle, dass sie ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung habe (UA S. 15 f.). Dies bedürfe aber keiner abschließenden Klärung, weil der Ablehnungsbescheid im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig gewesen und der Fortsetzungsfeststellungsantrag deshalb jedenfalls auch unbegründet sei; das Vorhaben sei nämlich planungsrechtlich unzulässig gewesen, weil im Flächennutzungsplan der Beigeladenen zu 2 die Ausweisung einer Konzentrationsfläche an anderer Stelle erfolgt sei. In der Sache macht die Beschwerde damit – soweit erkennbar – hinsichtlich des ersten Begründungselements eine unterbliebene Kenntnisnahme und Verarbeitung von Parteivortrag und hinsichtlich des zweiten Begründungselements eine fehlende Äußerungsmöglichkeit unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend. Das zweite, selbständig tragende Begründungselement ist nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise angegriffen. Die Beschwerde legt nicht dar, was die Klägerin im Falle einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung über ihren bisherigen, in der Begründung ihres Berufungszulassungsantrags enthaltenen Vortrag hinaus noch vorgetragen hätte (zu dieser Darlegungsanforderung vgl. Urteil vom 16. August 1983 – BVerwG 9 C 853.80 – Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 26 und Beschluss vom 12. Dezember 1986 – BVerwG 7 B 163.86 – Buchholz 312 EntlG Nr. 45 S. 35; stRspr; vgl. auch Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn 41 zu § 133 m.w.N.). Die Verfahrensrügen bleiben damit insgesamt ohne Erfolg, weil das erste Begründungselement hinweggedacht werden kann, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. dazu Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4).
Rz. 13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Philipp, Petz
Fundstellen