Verfahrensgang

VG Dresden (Aktenzeichen 6 K 1292/97)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4. Februar 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

1. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist teilweise unzulässig, soweit in der Beschwerdebegründung nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise ein Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO dargelegt wird. Im übrigen ist sie unbegründet.

Für die Zulässigkeit der Beschwerde setzt eine solche Darlegung im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (BVerwG, Beschluß vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26).

Unzulässig ist die Beschwerde, soweit darin vorgebracht wird, das Urteil des Verwaltungsgerichts verstoße gegen Art. 4 Abs. 3 GG, weil es das Vorliegen einer Gewissensentscheidung mit der Begründung abgelehnt habe, daß der Beschwerdeführer dies nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt bekanntgemacht habe. Sofern man darin überhaupt die ausreichende Formulierung einer abstrakten Rechtsfrage sehen kann, fehlt es jedenfalls an ihrer grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit. Die darin liegende Rechtsfrage, auf welche Weise einem Kriegsdienstverweigerer seine Gewissensentscheidung bewußt werden muß und wann sie sich nach außen zu manifestieren hat, ist bereits ausführlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgehandelt worden, und zwar insbesondere im Zusammenhang mit der sog. Umkehr der gewissensmäßigen Einstellung zum Kriegsdienst mit der Waffe; darin ist im einzelnen dargelegt, daß die entsprechende Gewissenseinstellung sowohl durch ein Schlüsselerlebnis hervorbrechen, als auch Ergebnis eines Wandlungsprozesses sein kann (BVerwGE 81, 294).

Unzulässig ist das Beschwerdevorbringen auch, soweit beanstandet wird, das Verwaltungsgericht hätte das Vorliegen einer Gewissensentscheidung des Beschwerdeführers nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dieser könne die Verteidigung mit der Waffe nicht absolut ausschließen. Insoweit geht es nämlich nicht um eine abstrakt klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern allenfalls um die korrekte Anwendung eines vorhandenen Rechtssatzes im Einzelfall. Der von der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffene Satz steht im Zusammenhang mit Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den Anforderungen an eine ernsthafte Gewissensentscheidung. Das Urteil kommt an dieser Stelle zu dem Ergebnis, es werde deutlich, daß der Beschwerdeführer sich bislang nicht hinreichend, seinen geistigen Anlagen entsprechend, mit der Problematik der Kriegsdienstverweigerung auseinandergesetzt habe (UA S. 5). Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 1999 hatte der Beschwerdeführer sich in folgendem Zusammenhang geäußert: „Auf weitere Nachfrage des Gerichts, ob der Kläger sich bei einer Besetzung Deutschlands durch eine fremde Macht in der Lage sehe, das Land zu verteidigen, antwortet er: Ich würde auch da meinen, daß ich dem Staat besser helfen könnte, wenn ich nichts mit der Waffe zu tun habe, sondern Pflegebedürftige, entweder kriegsbedingt oder altersbedingt, pflege. Ich fühle mich im übrigen nicht im Stande und kann auch nicht beantworten, ob ich dann das Land verteidigen würde. Die Situation ist dann doch etwas ganz anderes.”

Das Vorbringen wäre aber auch unbegründet, denn das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, daß es die in Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG vorausgesetzte Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe kennzeichne, daß das Gewissen des Verweigerers diesem die Tötung von Menschen unbedingt und vorbehaltlos verbiete mit der Konsequenz, daß er auch dann, wenn er in einer Notwehr- oder Nothilfesituation den Angreifer tötete, zwangsläufig gegen sein Gewissen handeln und dieses folglich schwer belasten würde (Beschluß vom 7. Oktober 1985 – BVerwG 6 B 83.84 – Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 2).

Schließlich hält die Nichtzulassungsbeschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob das Verwaltungsgericht die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung des Klägers mit der Begründung hätte ablehnen dürfen, er habe das Anerkennungsverfahren nachlässig betrieben. Dieses Vorbringen ist jedenfalls unbegründet, denn auch diese Frage läßt sich – abstrakt – anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten und ist deshalb nicht mehr grundsätzlich klärungsbedürftig. Nach dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht ein vom Bundesamt für den Zivildienst wegen unvollständiger Unterlagen ohne sachliche Prüfung abgelehntes Anerkennungsbegehren eines ungedienten Wehrpflichtigen nach Vervollständigung der Unterlagen zunächst in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 1 KDVG zu prüfen. Konkreten Zweifeln ist im „eingehenderen Prüfungsverfahren” der §§ 9 ff. KDVG nachzugehen; erst wenn sie sich nicht ausräumen lassen und dies im Rahmen einer (Zwischen-)Beratung festgestellt worden ist, ist eine „Vollprüfung” zulässig und geboten (im Anschluß u.a. an das Urteil vom 27. Juni 1988 – BVerwG 6 C 1.87 – Buchholz 448.6 § 5 KDVG Nr. 1 und an den Beschluß vom 10. August 1988 – BVerwG 6 B 16.88 – Buchholz 448.6 § 14 KDVG Nr. 20; BVerwG, Urteil vom 19. August 1992 – BVerwG 6 C 25.90 – Buchholz 448.6 § 5 KDVG Nr. 5). Sollte das Vorbringen dahin gehend verstanden werden wollen, daß das Verwaltungsgericht diese Rechtssätze nicht richtig angewandt habe, kann die Nichtzulassungsbeschwerde darauf nicht in zulässiger Weise gestützt werden.

Schließlich rügt die Beschwerde ohne Erfolg, das Verwaltungsgericht habe das „nachlässige Betreiben des Anerkennungsverfahrens” nicht daraus herleiten dürfen, daß der Beschwerdeführer der Aufforderung zur Beibringung vollständiger Unterlagen vom 13. Dezember 1996 nicht nachgekommen sei; denn er habe diese Aufforderung niemals erhalten (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO). Auf den Zugang dieser Aufforderung kommt es nämlich für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht an. Dieses hat nicht hierauf, sondern in diesem Zusammenhang allein darauf abgestellt, daß der Beschwerdeführer schon mit seinem Anerkennungsantrag vom 30. August 1996 ausdrücklich erklärt hat, er werde u.a. eine Begründung nachreichen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Unterschriften

Niehues, Albers, Graulich

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566498

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