Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 06.08.2002; Aktenzeichen 11 K 5689/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 6. August 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Die Beigeladenen zu 2 und zu 3 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 82 933,59 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Eine Abweichung des verwaltungsgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, vgl. 2.). Verfahrensmängel (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) werden teilweise nicht prozessordnungsgemäß bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Soweit geltend gemachte Verfahrensmängel ordnungsgemäß bezeichnet werden, liegen sie nicht vor (vgl. 3.).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zur erwarten ist. Daran fehlt es hier. Allgemein lässt die Beschwerde jede Auseinandersetzung mit der vorliegenden umfangreichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Fragen des redlichen Erwerbs (§ 4 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 VermG) vermissen. Deshalb gelingt es ihr nicht darüber hinausgehenden Klärungsbedarf aufzuzeigen.
Im Einzelnen hält die Beschwerde folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Ist der Begriff der Sollgröße von 500 m² in § 7 der Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen vom 31. August 1985 (GBl (DDR) I S. 425) im Sinne der Ziffer 3.1 der Hinweise und Erläuterungen zur Durchführung des Gesetzes über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken vom 31.12.1986 so zu verstehen,
dass die Möglichkeit einer Teilung des Grundstücks vor Nutzungsrechtsverleihung stets zwingend zu prüfen war,
dass ein Überschreiten dieser Sollgröße nur infolge vorhandener Bebauung oder wegen des konkreten Grundstückszuschnitts gestattet war
und dass die Nutzungsberechtigung für etwaige Restflächen grundsätzlich auf andere Weise zu regeln war, wie in Ziffer 3.2 der Hinweise und Erläuterungen zur Durchführung des Gesetzes über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken vom 31.12.1986 vorgesehen?
Diese Frage beantwortet sich nach dem nicht revisiblen Recht der DDR (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen ist geklärt, dass die in § 7 der Eigenheim-Verordnung enthaltene Flächenbeschränkung von 500 m² nur eine allgemeine Orientierungsgröße sein konnte, deren Einhaltung von der Lage und insbesondere der Bebauung des Grundstücks abhängig war und dass selbst bei Vorliegen einer ungewöhnlich großen Grundfläche kein offenkundiger Verstoß gegen DDR-Recht vorliegt (vgl. Urteil vom 18. Januar 1996 – BVerwG 7 C 20.84 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 25).
Weiter hält die Beschwerde für klärungsbedürftig die Frage:
War es in der DDR allgemein bekannte Verwaltungspraxis, dass die Sollgröße von 500 m² bei der Neuvermessung von Grundstücken auch bei Nichtvorliegen der Kriterien Bebauung und Grundstückszuschnitt mitunter deutlich überschritten wurde, obwohl dies nicht der geltenden Rechtslage entsprach?
Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich aus der Beantwortung der vorhergehenden Frage.
Anschließend hält die Beschwerde für klärungsbedürftig die Frage:
Führt allgemeines Bekanntsein derartiger rechtswidriger Umstände bzw. Vorgänge dazu, dass der Erwerber eines Wohngebäudes schon dem Grunde nach nicht mehr redlich im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG sein kann, wenn das für das entsprechende Grundstück verliehene Nutzungsrecht die Gebäudegrundfläche erheblich übersteigt?
Diese Frage stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht. Aufgrund des verwaltungsgerichtlichen Urteils ist nicht davon auszugehen, dass hier die Überschreitung der Sollgröße von 500 m² Grundstücksfläche rechtswidrig war und dass dies allgemein bekannt gewesen ist.
Weiter hält die Beschwerde für klärungsbedürftig die Frage:
Muss das Instanzgericht in einem Verfahren auf Grundlage des Vermögensgesetzes, das nur eine Tatsacheninstanz vorsieht, im Falle unsicherer Tatsachengrundlage, zwingend bei auch nur geringsten Zweifeln an der Redlichkeit des Erwerbers eigene Nachforschungen zu einer eventuellen politischen (Stichwort: Parteimitgliedschaft) oder systemkonformen (Stichwort: Mitarbeit beim Ministerium für Staatssicherheit) Tätigkeit anstellen?
Wie in jedem anderen Verfahren auch muss das Verwaltungsgericht in vermögensrechtlichen Verfahren den Sachverhalt von Amts wegen aufklären (§ 86 Abs. 1 VwGO). Der Ausschluss der Berufung gegen verwaltungsgerichtliche Urteile im Vermögensrecht führt nicht dazu, dass im vermögensrechtlichen Verfahren eine andere (weitergehende) Aufklärungspflicht besteht als in sonstigen Verfahren. Im Rahmen seiner Aufklärungspflicht muss das Verwaltungsgericht auch Zweifeln an der Redlichkeit des Erwerbs nachgehen. In diesem Rahmen muss es in der Regel schon deshalb nicht ermitteln, ob ein Erwerber SED-Mitglied oder Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit war, weil diese Umstände als solche nicht zur Unredlichkeit des Erwerbs führen.
Schließlich hält die Beschwerde für klärungsbedürftig folgende Frage:
Gilt eine Vermutung, dass ein Erwerber, der das Wohngebäude auf einem Grundstück bereits bewohnt, welches ohne sonst erkennbaren Grund geteilt wird, und dem daraufhin ein Nutzungsrecht an diesem Grundstück verliehen wird, und der später nach dem Stichtag 18.10.1989 einen „hängenden” Grundstückskaufvertrag schließt, bei dessen Abschluss abermals erhebliche Zweifel an der Redlichkeit des Erwerbs bestehen, in der Gesamtschau auf sämtliche Erwerbsvorgänge unredlich ist, insbesondere wenn dieser keinen substantiierten Sachvortrag in Bezug auf die einzelnen Erwerbsvorgänge zur Entkräftung des Verdachts der Unredlichkeit dargetan hat?
Eine solche Vermutung gibt es nicht. Allgemein müssen die für die Annahme mangelnder Redlichkeit in Betracht kommenden Umstände erwerbsbezogen in dem Sinne sein, dass sie den Erwerbsvorgang als solchen betreffen und diesen auf einer sittlich anstößigen Manipulation beruhend erscheinen lassen (vgl. u.a. Beschluss vom 15. April 1998 – BVerwG 7 B 114.98 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 54 S. 124). Hat jemand Gebäudeeigentum und ein Nutzungsrecht an einem Grundstück erworben, ist es daher ohne Bedeutung, ob Jahre später beim Abschluss eines nicht entscheidungserheblichen „hängenden” Grundstückskaufvertrags gegen in der DDR geltende Rechtsvorschriften verstoßen wurde und der Käufer dies wusste oder hätte wissen müssen.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 ≪11≫). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Die Beschwerde benennt zwar einen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz. Einen davon abweichenden vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz benennt sie nicht. Vielmehr rügt sie die unrichtige Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze im Einzelfall. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß einen Rechtssatz aufgestellt, mit dem es der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum redlichen Erwerb (§ 4 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 VermG) widersprochen hat.
3. Auch die geltend gemachte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine Aufklärungsrüge setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Dem genügt die Beschwerde nicht.
Soweit die Beschwerde einige Male geltend macht, das Verwaltungsgericht hätte weitere Ermittlungen vornehmen müssen, wird insbesondere nicht angegeben, welche Beweismittel hierfür zur Verfügung gestanden hätten. Weiter wird nicht angegeben, zur Aufklärung welcher nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Tatsache, der von der Beschwerde vermisste Ortstermin hätte dienen können. Grundbuchauszüge lagen dem Verwaltungsgericht ausweislich der Prozessakten vor. Deshalb liegt der Vortrag der Beschwerde, das Verwaltungsgericht hätte Grundbuchauszüge für das streitbefangene Grundstück anfordern müssen, neben der Sache.
Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Ausweislich der Sitzungsniederschrift war die ordnungsgemäß geladene Klägerin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht erschienen. Die mündliche Verhandlung dient allgemein der Gewährung rechtlichen Gehörs. Nimmt ein Beteiligter durch Fernbleiben diese Gelegenheit nicht wahr, kann er sich später insoweit nicht mehr auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör berufen (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 13. November 1980 – BVerwG 5 C 18.79 – BVerwGE 61, 145 ≪146 f.≫ = Buchholz 451.45 § 8 Handwerksordnung Nr. 7).
Aus dem gleichen Grund hat das Verwaltungsgericht seine sich aus § 86 Abs. 3 VwGO ergebenden Pflichten nicht verletzt. Erscheint ein Beteiligter nicht zur mündlichen Verhandlung, ist es dem Verwaltungsgericht nicht möglich, in der Verhandlung auf eine Ergänzung ungenügender tatsächlicher Angaben hinzuwirken.
Auch wenn man zu Gunsten der Beschwerde annimmt, sie wolle auch eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) rügen, liegt kein Verfahrensmangel vor.
Es gehört zu der dem Tatsachengericht durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgabe, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden (vgl. etwa Beschluss vom 14. März 1988 – BVerwG 5 B 7.88 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31 ≪32 f.≫). Revisionsrechtlich sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deswegen ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht bezeichnet werden (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1 ≪4≫). Allenfalls könnte eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271 ≪272 f.≫). Ein Tatsachengericht hat aber nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 147.86 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 ≪4≫). Davon kann hier keine Rede sein.
Vielmehr kritisiert die Beschwerde allgemein die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils und setzt der tatsächlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung ihre eigene Würdigung entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene zu 1 einen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) entspricht es der Billigkeit, deren außergerichtliche Kosten dem unterliegenden Beteiligten aufzuerlegen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Krauß, Golze
Fundstellen