Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 05.07.2012; Aktenzeichen 19 A 2703/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
1. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (a) und eines Verfahrensmangels (b) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
a) Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Rz. 3
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann. Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt (vgl. Beschluss vom 15. Januar 2013 – BVerwG 5 B 96.12 – juris Rn. 2 m.w.N.).
Rz. 4
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht, da sie weder eine konkrete Rechtsfrage formuliert noch sich mit den rechtlichen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung zu den Voraussetzungen einer Selbstbindung der Verwaltung aus Art. 3 Abs. 1 GG in Bezug auf § 14 StAG i.V.m. Nr. 14.2.2.4 des Anwendungserlasses vom 25. Juni 2001 substantiiert auseinandersetzt und näher erläutert, dass und welche Frage des revisiblen Rechts noch nicht hinreichend beantwortet ist.
Rz. 5
b) Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf die Rüge der Klägerin zuzulassen, das Oberverwaltungsgericht habe es versäumt
“aufzuklären, ob nicht auch die Auslandseinbürgerung von Bewerberinnen und Bewerbern, bei denen die in § 14 StAG gesetzlich und im Anwendungserlass Nr. 14.2.2.4 des Bundesministerium des Innern vom 25.06.2001 im Sinne einer behördlichen Selbstbindung zusätzlich bestimmten Voraussetzungen vorliegen, deren Ehegatten sich jedoch nicht aufgrund eines Entsendeverhältnisses im Ausland aufhalten, zur ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten gehört”,
und damit seine Amtsaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt.
Rz. 6
Für die ordnungsgemäße Begründung der Rüge mangelhafter Sachaufklärung ist substantiiert darzulegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der vordergerichtlichen Rechtsauffassung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Des Weiteren ist darzulegen, dass entweder bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich die bezeichneten Ermittlungen dem Gericht auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, zuletzt etwa Beschluss vom 12. September 2012 – BVerwG 5 B 15.12 – juris Rn. 7 m.w.N.). Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 21. September 2011 – BVerwG 5 B 11.11 – juris Rn. 15 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Rz. 7
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht nicht auf die Aufklärung der von ihr in Frage gestellten Verwaltungspraxis, das öffentliche Interesse an der Einbürgerung nur in Fällen der Entsendung zu bejahen, hingewirkt. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angestellte Erwägung, sie habe auf eine Sachaufklärung deshalb nicht hingewirkt, weil sie nicht habe erwarten müssen, dass das Oberverwaltungsgericht annehmen werde, es entspreche der Verwaltungsübung, die Einbürgerung nur bei Vorliegen eines Entsendeverhältnisses vorzunehmen, kommt Bedeutung zu für die – noch zu erörternde – Frage einer unzulässigen Überraschungsentscheidung, nicht aber für diejenige einer Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO.
Rz. 8
Die Beschwerde hat nicht substantiiert aufgezeigt, dass sich die von ihr als geboten erachteten Ermittlungen dem Oberverwaltungsgericht hätten aufdrängen müssen. Dazu muss schlüssig aufgezeigt werden, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Aufklärung hätte sehen müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 – BVerwG 10 C 11.07 – BVerwGE 131, 186 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 21, jeweils Rn. 13 m.w.N.). Das Oberverwaltungsgericht ist der Auffassung, maßgeblich für die Frage der Fehlerfreiheit der Versagung der erstrebten Einbürgerung sei die tatsächliche Handhabung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften und die Rechtmäßigkeit dieser Verfahrensweise. Es hat angenommen, nach der rechtlich nicht zu beanstandenden ständigen Praxis des Bundesverwaltungsamtes komme es für die Ermessensentscheidung über den Antrag einer Auslandseinbürgerung nach § 14 StAG darauf an, ob ein Entsendeverhältnis vorliege. Zwar ist für diese Rechtsauffassung entscheidend, ob das Bundesverwaltungsamt in seiner ständigen Verwaltungsübung darauf abstellt, dass ein Entsendeverhältnis vorliegt. Die Beschwerde zeigt aber nicht substantiiert auf, dass sich der Vorinstanz insoweit eine weitere Sachaufklärung aufdrängen musste. In dem angefochtenen Urteil wird – von der Klägerin unbestritten – dargelegt, dass der Vertreter des Bundesverwaltungsamtes in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht noch einmal im Einzelnen erläutert habe, dass in seiner ständigen Verwaltungspraxis auf das Kriterium der Entsendung abgestellt werde. Die Beschwerde legt nicht ausreichend dar, warum trotz dieser Erklärung eine weitere Aufklärung der Verwaltungsübung zwingend geboten gewesen wäre. Ihr ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass sie der Erklärung entgegengetreten ist. Vor diesem Hintergrund können auch die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang herangezogenen Erwägungen aus dem erstinstanzlichen Urteil nicht die Annahme rechtfertigen, eine weitere Aufklärung dieser Frage hätte sich aufdrängen müssen.
Rz. 9
c) Soweit die Beschwerde ausführt, “die Klägerin [habe] nicht davon ausgehen [können], dass das Berufungsgericht im angegriffenen Urteil unter Hinweis auf nicht näher spezifizierte oder konkretisierte Erläuterungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2012” von der Feststellung des Verwaltungsgerichts abweichen werde, “dass die Anwendung des Erlasses Nr. 14.1.1.4 auf Fallgestaltungen wie derjenigen der Klägerin zur Verwaltungspraxis der Beklagten gehöre” und dies auch als Rüge einer unzulässigen Überraschungsentscheidung verstanden werden könnte, führt auch diese nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 10
Es kann offenbleiben, ob der Verfahrensmangel einer unzulässigen Überraschungsentscheidung den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt wurde. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, die Beklagte habe die Einbürgerung der Klägerin nach § 14 StAG mit Hinweis auf die fehlende Entsendung ihres deutschen Ehemannes ermessensfehlerfrei abgelehnt, stellt keine Überraschungsentscheidung dar.
Rz. 11
Eine Überraschungsentscheidung ist gegeben, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (Beschluss vom 22. Juli 2009 – BVerwG 5 PKH 11.09 – juris Rn. 8 m.w.N.). Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt oder aus ihren Schlussfolgerungen zieht, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen oder von ihm für unrichtig gehalten werden (vgl. Beschluss vom 11. Januar 2012 – BVerwG 5 B 40.11 – juris Rn. 10 m.w.N.). So verhält es sich hier. Die Frage der Entsendung und deren Beachtlichkeit für die Annahme eines öffentlichen Interesses an einer Einbürgerung nach § 14 StAG war Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht. Der Vertreter des Bundesverwaltungsamtes hat – wie aufgezeigt – nach der insoweit nicht angegriffenen Feststellung des Oberverwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass das Kriterium der Entsendung in Fällen von Deutschverheirateten der ständigen Verwaltungspraxis des Bundesverwaltungsamtes bei der Feststellung des öffentlichen Interesses entspreche, welches für eine positive Ermessensausübung erforderlich sei. Auf die Schlüsse, die das Oberverwaltungsgericht aus dieser Aussage ziehen würde, brauchte und konnte vor der abschließenden Beratung nicht hingewiesen werden.
Rz. 12
2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 13
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Vormeier, Stengelhofen, Dr. Fleuß
Fundstellen