Verfahrensgang
VG Weimar (Urteil vom 31.08.2004; Aktenzeichen 8 K 1999/99) |
Tenor
Die Beiladung der Beigeladenen zu 1 wird aufgehoben.
Die Beschwerde der Klägerin zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 31. August 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 485 727 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Aufhebung der Beiladung der Beigeladenen zu 1 beruht darauf, dass dieselben natürlichen und juristischen Personen in dem Verfahren nicht zugleich Hauptbeteiligte und Beigeladene sein können (vgl. Beschluss vom 23. Juli 2003 – BVerwG 8 B 57.03 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 330 S. 47 m.w.N.).
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund des Verfahrensfehlers gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegt oder nicht. Denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich jedenfalls aus anderen als vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO analog).
In ständiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass § 144 Abs. 4 VwGO auch im Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision entsprechend anwendbar ist (vgl. Beschluss vom 27. April 1978 – BVerwG 1 B 103.78 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 166; Beschluss vom 13. Juni 1977 – BVerwG 4 B 13.77 – BVerwGE 54, 99 f.; Beschluss vom 17. März 1998 – BVerwG 4 B 25.98 – Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 66 S. 27 ≪28≫; Beschluss vom 25. April 2005 – BVerwG 7 B 159.04 –; auch Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte 1971, S. 102 f. m.w.N.).
Die von der Klägerin zu 2 angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich als richtig. Der Klägerin zu 2 hat das Verwaltungsgericht einen Anspruch auf Feststellung, dass sie rückübertragungsberechtigt hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks ist, im Hinblick darauf versagt, dass das streitbefangene Grundstück keiner Maßnahme nach § 1 Abs. 6 VermG unterlegen sei. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin zu 2 hat das Verwaltungsgericht die Vermutung eines verfolgungsbedingten Vermögensverlustes nach § 1 Abs. 2 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 der Anordnung BK/O (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin (Rückerstattungsanordnung – REAO –) vom 26. Juli 1949 (VOBl für Groß-Berlin S. 221) als durch Beweis widerlegt angesehen, da der damalige Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis erhalten habe und über diesen frei habe verfügen können.
Unabhängig von den hiergegen gerichteten Verfahrensrügen der Klägerin zu 2 würde das angefochtene Urteil in dem von der Klägerin zu 2 erstrebten Revisionsverfahren sich deshalb als richtig erweisen, weil bereits der Schädigungstatbestand nach § 1 Abs. 6 VermG durch den bestandskräftigen Bescheid des Thüringer Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 13. September 1991 (vgl. UA S. 3 f.) für die Beteiligten an diesem Verwaltungsstreitverfahren verbindlich verneint worden ist. Dieser Bescheid ist nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch der Klägerin zu 2 als Beteiligter mit Einschreiben-Rückschein zugestellt, aber von ihr nicht angefochten worden. Dementsprechend hatte auch das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in einem weiteren Bescheid vom 19. Mai 1993 einen Bescheid zur gütlichen Einigung auf den Antrag vom 6. Mai 1993 erlassen, mit dem die einvernehmliche Regelung vom 6. Mai 1993 gemäß § 31 Abs. 5 VermG zum Bescheid erhoben wurde. Infolge der Bestandskraft des Feststellungsbescheides vom 13. September 1991 hat die Klage der Klägerin zu 2 damit schon keinen Erfolg.
Die bindende Wirkung des Bescheids vom 13. September 1991, auf die sich der Kläger zu 1 in seiner Beschwerdeerwiderung berufen hat, kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass in diesem Bescheid lediglich über die Berechtigung hinsichtlich des ehemaligen Unternehmens E. Möschwitzer KG entschieden worden sei. Damit würden die Feststellungen, die in den Gründen des Bescheids enthalten sind, unberücksichtigt bleiben. Ihnen kann Regelungscharakter zukommen, wenn sich aus dem weiteren Inhalt des Bescheids hinreichende Anhaltspunkte für einen dahin gehenden Regelungswillen der Behörde ergeben (Urteil vom 8. Mai 2002 – BVerwG 7 C 18.01 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 66 S. 64 f. m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Die Adressaten konnten den Bescheid nach seinem objektiven Erklärungsgehalt nur dahin verstehen, dass die Behörde auch zu einer Schädigung durch den Verkauf der Grundstücke im Jahr 1933 eine Regelung treffen wollte. Für das Landesamt war die Verneinung eines „Erstschädigungstatbestandes” im Sinne des § 3 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 6 VermG Voraussetzung dafür, dass der Kläger zu 1 Berechtigter auf Grund der Schädigung des Unternehmens in der DDR war. Denn der Bescheid hat zur Grundlage, dass die im Einzelnen bezeichneten Grundstücke, die Gegenstand des Verkaufs durch den Kaufmann Wachtel an den Einzelunternehmer E. Möschwitzer im Jahr 1933 waren, zum Unternehmensvermögen der E. Möschwitzer KG gehörten.
Im Übrigen bestehen auch erhebliche Zweifel, ob die geltend gemachten Verfahrensfehler in der Sache bestehen. Soweit die Beschwerde Angriffe auf die tatsächlichen Feststellungen, auf deren Würdigung, auf die Beweiswürdigung und den Vorwurf der Verletzung von Denkgesetzen und Erfahrungssätzen sowie das Unterbleiben der Auseinandersetzung mit Behauptungen der Klägerin geltend macht, sind dies Angriffe auf die Rechtsfindung, nicht aber auf das prozessuale Verfahren, die einen Verfahrensmangel nicht begründen können (vgl. Beschluss vom 9. Juni 1970 – BVerwG 6 B 22.69 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 62; BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271 ≪272 f.≫; Beschluss vom 24. September 2004 – BVerwG 8 B 44.04). Die Zulässigkeit der Klage wurde vom Verwaltungsgericht gesehen. Es handelt sich im Urteil um ein Schreibversehen.
Soweit die Beschwerde im Zusammenhang mit der Rüge einer „aktenwidrigen Verfahrensweise” einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts geltend machen will, übersieht sie, dass nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts dann nicht verletzt, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei nicht ausdrücklich beantragt hat (vgl. Beschluss vom 26. Juni 1975 – BVerwG 6 B 4.75 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 135; Beschluss vom 4. November 2004 – BVerwG 8 B 50.04). In den beiden mündlichen Verhandlungen vom 18. September 2002 und 31. August 2004 hat die Klägerin zu 2 jedoch keine Beweisanträge gestellt, was im Hinblick auf die Feststellungen in den gerichtlicherseits eingeholten Sachverständigengutachten aber nahe lag, wenn die Klägerin zu 2 diesem Vorbringen nicht folgen wollte. Im Übrigen spielt die von der Beschwerde vorgetragene anwaltliche Versicherung, dass es im Verlauf der mündlichen Verhandlung zu einem bestimmten Disput kam (vgl. Beschwerdeschrift S. 6), keine Rolle. Denn für das, was in der mündlichen Verhandlung geschehen ist, entfaltet nur die Wiedergabe in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung Beweiskraft (§§ 105, 173 VwGO i.V.m. §§ 165, 418 ZPO).
Soweit die Beschwerde meint, es liege ein Überraschungsurteil vor, so begründet auch dies keinen durchgreifenden Verfahrensmangel. Ein unzulässiges Überraschungsurteil ist nämlich nicht schon dann gegeben, wenn eine Partei auf Grund ihrer Einschätzung des Ganges der mündlichen Verhandlung mit einem anderen, für sie günstigeren Ausgang des Verfahrens gerechnet hatte. Entscheidend ist vielmehr, ob das Gericht durch die Art seiner Sachbehandlung die Partei davon abgehalten hat, für die Entscheidung wesentliche Gesichtspunkte vorzutragen und dadurch den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383.90 – NJW 1991, 2823 f.). Dafür gibt das Beschwerdevorbringen jedoch nichts Zureichendes her.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Dr. Hauser
Fundstellen