Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 16.04.2014; Aktenzeichen 3 S 1962/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. April 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Die Beschwerde sieht grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der Fragen,
ob ein Sanierungs- und Handlungskonzept zum Vorgehen gegen sogenannte Schwarzbauten mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist, nach welchem lediglich für ab einem bestimmten Zeitpunkt errichtete bauliche Anlagen eingeschritten wird und vor diesem Zeitpunkt errichtete vergleichbare illegale Baulichkeiten geduldet werden,
und ob dies auch dann der Fall ist, wenn der maßgebliche Zeitpunkt des Konzeptes in der Vergangenheit liegt.
Mit den vorstehenden Fragen möchte der Kläger klären lassen, inwiefern die Ermessensausübung in den verfahrensgegenständlichen Bescheiden mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings dem Landesrecht zu entnehmen, wie bei Erlass einer Beseitigungsanordnung das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben ist und wo die Grenzen des Ermessens liegen (vgl. zuletzt Urteil vom 21. März 2013 – BVerwG 4 C 14.11 – juris Rn. 10 m.w.N.). Der Kläger rügt damit in der Sache die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht. Die Zulassung der Grundsatzrevision lässt sich in einem solchen Fall allerdings nur mit der Darlegung erreichen, dass der bundesrechtliche Maßstab selbst einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufweist (vgl. etwa Beschluss vom 7. Mai 2014 – BVerwG 4 B 17.14 – juris Rn. 3 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Hiervon unabhängig, sind die Fragen auch nicht klärungsbedürftig, weil sie bereits geklärt sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, von der auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen ist (UA S. 18), ist das bundesrechtliche Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG bei jeder Ermessensausübung zu beachten. Die Behörde darf daher ihr Ermessen nicht ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausüben. Die Bauaufsichtsbehörde darf sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe anzuführen mag. Dem behördlichen Einschreiten können Fälle, in denen noch nicht eingeschritten worden ist, ausnahmsweise dann entgegengehalten werden, wenn es nach der Art des Einschreitens an jedem System fehlt, für diese gewählte Art des zeitlichen Vorgehens keinerlei einleuchtende Gründe sprechen und die Handhabung deshalb als willkürlich angesehen werden muss (Beschlüsse vom 19. Februar 1992 – BVerwG 7 B 106.91 – Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 37 S. 26 und vom 23. November 1998 – BVerwG 4 B 99.98 – Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 68 S. 31 f.). Der Senat hat ferner bereits entschieden, dass den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG auch dann genügt werden kann, wenn die Behörde nur gegen Schwarzbauten vorgeht, die nach einem bestimmten Zeitpunkt errichtet oder verändert worden sind (Beschlüsse vom 13. Februar 1989 – BVerwG 4 B 16.89 – juris Rn. 3 und vom 6. Juli 1989 – BVerwG 4 B 130.89 – juris Rn. 3; zur Zulässigkeit von Stichtagsregelungen vgl. auch OVG Bremen, Urteil vom 25. August 1992 – 1 BA 9/92 – BauR 1993, 208; Köhler-Rott, in: Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, 2004, Kap. 15 Rn. 346), um so die Verschlechterung einer vorgefundenen Situation zu verhindern. Nach Art. 3 Abs. 1 GG ist ein Zeitpunkt als Stichtag für das zukünftige Einschreiten jedenfalls dann zulässig, wenn er nach sachlichen Kriterien bestimmt ist (Beschluss vom 6. Juli 1989 a.a.O.). Weiteren grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Hinsichtlich der zweiten Frage legt der Kläger nicht dar (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), welche Bedenken er gegen die Festsetzung eines in der Vergangenheit liegenden Stichtages erhebt, wenn – wie hier vom Verwaltungsgerichtshof angenommen (UA S. 9 f.) – der Erlass einer Abbruchsanordnung voraussetzt, dass die Anlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrem Beginn fortlaufend gegen materielles Baurecht verstößt, und so dem Bestandsschutz des Eigentümers Rechnung getragen wird. Auch der Senat hat in seiner Rechtsprechung Einwände gegen einen in der Vergangenheit liegenden Stichtag nicht erhoben (Beschluss vom 6. Juli 1989 a.a.O).
2. Die Beschwerde meint, der Verwaltungsgerichtshof habe aktenwidrig nicht festgestellt, dass der Beklagte sein Konzept zum Einschreiten aus dem April 2007 ausweislich eines Aktenvermerks vom „30. Juni 2007” (richtig: 13. Juni 2007) zu Gunsten eines anderen Konzeptes aufgegeben und erst nach Errichtung des streitigen Anbaus am 28. März 2008 das konkrete, hier zugrunde gelegte Konzept über das behördliche Einschreiten festgelegt habe.
Diese Rüge hat keinen Erfolg. Die von der Beschwerde als Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) erhobene Rüge der Aktenwidrigkeit bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf (Beschluss vom 3. Juni 2014 – BVerwG 4 BN 14.14 – juris Rn. 9). Hieran fehlt es. Nach der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichtshofs entspricht das Einschreiten im März 2008 dem im April 2007 entwickelten Konzept (UA S. 19). Diese Feststellung steht nicht in offensichtlichem Widerspruch zu dem Aktenvermerk vom 13. Juni 2007, der nach dem Verständnis des Klägers ein Vorgehen gegen alle Überschreitungen vorsah und das bisherige Konzept aufgab. Der Verwaltungsgerichtshof hat den vom ihm berücksichtigten Vermerk (vgl. UA S. 3 oben) nicht als Aufgabe des Konzeptes aus dem April 2007 verstanden, sondern als Teil der Maßnahmen für die Umsetzung dieses Konzeptes (UA S. 19). Diese Würdigung ist nicht offensichtlich aktenwidrig. Denn die von der Beschwerde angeführte Passage skizziert nur den Inhalt eines beabsichtigten Hinweises gegenüber der Standortgemeinde, um diese zu bewegen, entsprechend dem ursprünglichen Ziel des Konzeptes aus dem April 2007 einen Bebauungsplan zu erlassen. Dass der Aktenvermerk unter Verkürzung der Rechtslage andeutet, es müsse gegen alle Verstöße durch Abbruchanordnungen vorgegangen werden, erlaubt ebenso das Verständnis, dass es sich nur um eine lose interne Skizze zum weiteren Vorgehen handelte, aber nicht um eine grundsätzliche Abkehr von dem bisherigen Konzept.
Damit bleibt auch die erhobene Gehörsrüge erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Vermerk vom 13. Juni 2007 zur Kenntnis genommen; dies zeigt der Hinweis auf die in diesem Vermerk angeordnete Auflistung der feststellbaren baurechtlichen Verstöße (UA S. 3). Dass er diesem Vermerk im Rahmen seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht dieselbe Bedeutung beigemessen hat wie der Kläger, führt nicht auf einen Gehörsverstoß.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Decker, Dr. Külpmann
Fundstellen
Haufe-Index 7215155 |
BauR 2014, 1923 |
BauR 2015, 306 |
IBR 2015, 38 |