Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 23.02.2015; Aktenzeichen 5 A 2265/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 703,59 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Sie führt weder auf einen Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch lässt sie erkennen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat.
Rz. 2
1. Die Beschwerde meint, der Verwaltungsgerichtshof habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, weil er deren im Schriftsatz vom 28. Januar 2014 gestellten Beweisantrag, die Grundstücksgegebenheiten in Augenschein zu nehmen, nicht berücksichtigt und ausschließlich anhand der zu den Akten gereichten Fotos die örtliche Situation beurteilt habe. Diese Rüge kann nicht durchdringen. Die Pflicht zur förmlichen Vorabentscheidung gemäß § 86 Abs. 2 VwGO gilt im Grundsatz nur für in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisanträge, nicht dagegen für (nur) in vorbereitenden Schriftsätzen angekündigte Beweisanträge. Allerdings gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör im Falle einer vorangegangenen Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO, einen neuen schriftsätzlich gestellten Beweisantrag wie einen in der mündlichen Verhandlung gestellten unbedingten Beweisantrag zu behandeln und über ihn vor der Sachentscheidung zu entscheiden. Anders verhält es sich aber, wenn der Beweisantrag vor oder gleichzeitig mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist. In dieser Fallkonstellation ist der angekündigte Beweisantrag lediglich als Beweisanregung zu verstehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2013 – 1 B 15.13 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 72 Rn. 7 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht über den im Schriftsatz vom 28. Januar 2014 angekündigten Beweisantrag nicht vorab entschieden hat. Denn die Klägerin hat erst danach mit Schriftsatz vom 12. Februar 2015 auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet.
Rz. 3
Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) auch nicht dadurch verletzt, dass er der Beweisanregung der Klägerin, eine Ortsbesichtigung durchzuführen, nicht nachgekommen ist. Das Vorbringen der Beschwerde lässt nicht erkennen, dass die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Erkenntnisquellen für die Beantwortung der Frage, ob das Grundstück der Klägerin durch den M.-weg erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 BauGB ist, nicht ausgereicht haben.
Rz. 4
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt der allgemeine Grundsatz, dass das Gericht Umfang und Art der Tatsachenermittlung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Die Durchführung einer Ortsbesichtigung ist daher dann nicht notwendig, wenn für das Gericht aufgrund von Kartenmaterial, Fotos, Luftbildern oder auch von Schilderungen ortskundiger Verfahrensbeteiligter eine hinreichend sichere Beurteilungsgrundlage existiert (BVerwG, Urteil vom 14. November 1991 – 4 C 1.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 236 S. 64 f.; Beschlüsse vom 3. Dezember 2008 – 4 BN 26.08 – BauR 2009, 617 Rn. 3 und vom 3. Juli 2014 – 9 B 12.14 – juris Rn. 3 jeweils m.w.N). Ein in Erschließungsbeitragssachen erfahrenes Gericht wird regelmäßig in der Lage sein, die örtlichen Gegebenheiten allein mit Hilfe von Karten- und Bildmaterial beurteilen zu können (vgl. zu Baustreitigkeiten BVerwG, Beschluss vom 25. März 1992 – 4 B 30.92 – juris Rn. 3). Gemessen hieran hat das Berufungsgericht seine Untersuchungspflicht nicht verletzt. Der Verwaltungsgerichtshof konnte sich bei seiner Entscheidung auf die bei den Akten befindlichen Auszüge aus den Flurkarten, die umfangreichen, die Hanglage dokumentierenden Bauzeichnungen für die gegenwärtige Bebauung des Grundstücks der Klägerin und die ausführliche Fotodokumentation der Beklagten über die zum M.-weg gelegene Seite des klägerischen Grundstücks, insbesondere den Grundstückszugang und die Einfriedung stützen. Der Einwand der Beschwerde, Fotos vermittelten wegen der fehlenden Dreidimensionalität einen „eingeschränkten und offensichtlich unzutreffenden Eindruck”, ist zu pauschal und zeigt nicht konkret auf, inwieweit die von der Beklagten vorgelegten, die Stützmauer, den M.-weg und das Grundstück der Klägerin von unterschiedlichen Standorten zeigenden Fotos einen unzutreffenden Eindruck der Örtlichkeiten wiedergeben. Auch die Rüge, bei einer Ortsbesichtigung hätte der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass die in der Stützmauer vorhandene Lücke von sehr geringer Breite und deswegen als Zugang ungeeignet sei, führt nicht auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht. Denn die Beschwerde substantiiert diese Behauptung nicht, obwohl es der Klägerin als Grundstückseigentümerin ohne Weiteres möglich gewesen wäre, zentimetergenaue Angaben über die Breite der Lücke zu machen.
Rz. 5
Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Aufklärungspflicht auch nicht dadurch verletzt, dass er, ohne weitere Ermittlungen anzustellen, davon ausgegangen ist, es sei technisch möglich, in die Stützmauer als Zugang von der Straße eine die Stützfunktion der Mauer nicht beeinträchtigende Treppe einzubauen. Zwar weist die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass die Anlegung einer Treppe einen Eingriff in die Stützmauer und den Hang darstellt. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass ein solcher Eingriff technisch nicht möglich oder auch nur besonders schwierig wäre. Ein Hinweis auf eine technische Unmöglichkeit lässt sich insbesondere nicht der von der Beschwerde zitierten Passage des geologischen Gutachtens vom 8. Oktober 1989 entnehmen. Es ist nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar, dass sich das aus Anlass des Baus des Wohnhauses der Klägerin erstellte Gutachten überhaupt mit der Abstützung des Hangs zum M.-weg beschäftigt. So wird die Stützmauer zum M.-weg in der Zusammenfassung der wesentlichen Fakten, die die Standsicherheit des Hanges „berücksichtigen und gewährleisten” (Gutachten S. 5), nicht erwähnt. Vor diesem Hintergrund mussten sich dem Verwaltungsgerichtshof auch angesichts der dringenden Empfehlung des Gutachtens, weitere Eingriffe in den Hang zu unterlassen, keine zusätzlichen Ermittlungen zur technischen Realisierbarkeit der Anlage einer Treppe in der Stützmauer aufdrängen. Dies gilt umso mehr, als es sich nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs im hier interessierenden Bereich um einen teilweise aufgeschütteten und nicht um einen vollständig gewachsenen Hang handelt und mehrere andere Anlieger Zugänge und sogar Garagen vom M.-weg aus errichtet haben.
Rz. 6
Als weiteren Verstoß gegen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO rügt die Beschwerde, die Zumutbarkeit des finanziellen Aufwandes des Baus einer Treppe hätte der Verwaltungsgerichtshof nicht ohne eine substantiierte Kostenschätzung bejahen dürfen. Auch diese Rüge rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass sich dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Ermittlung des Kostenaufwands aufdrängen musste. Es liegt auf der Hand und bedurfte angesichts der Größe des Grundstücks, die die Klägerin in der Klageschrift mit 879 m² angibt, keiner zusätzlichen Ermittlungen, dass die Herstellung der Bebaubarkeit dieses Grundstücks mit einem ganz erheblichen Wertzuwachs verbunden ist. Dagegen stellt die Errichtung einer Treppe in der bereits vorhandenen Stützmauer insbesondere im Vergleich mit der Errichtung des Wohnhauses und der Stützmauer selbst eine kleinere nachträgliche Baumaßnahme dar. Dass keine dieser Baumaßnahme entgegenstehenden technischen und geologischen Hindernisse erkennbar sind, hat der Verwaltungsgerichtshof – wie gezeigt – verfahrensfehlerfrei bejaht.
Rz. 7
2. Die Beschwerde leitet die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) allein daraus her, dass das Verwaltungsgericht die Berufung aus diesem Grund zugelassen hat. Damit wird sie schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gerecht, wonach die Grundsatzrüge die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch nicht geklärten und für die Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Frage des revisiblen Rechts erfordert.
Rz. 8
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Bier, Prof. Dr. Korbmacher, Steinkühler
Fundstellen