Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 10.02.2011; Aktenzeichen 21 B 10.188) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Der Kläger ist Masseur und medizinischer Bademeister. Er begehrt eine auf die selbständige Ausübung dieser Tätigkeit beschränkte Heilpraktikererlaubnis unter Freistellung von der Verpflichtung, die Berufsbezeichnung “Heilpraktiker” zu führen. Das Verwaltungsgericht hat seiner Klage stattgegeben und den Beklagten zur Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis verpflichtet. Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 19. März 2009 (9 S 2518/08 – juris) angeschlossen, nach denen die selbständige Ausübung dieses Berufs nicht der Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz – HeilprG – unterfalle, weil es sich nicht um die Ausübung der Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes handele.
Rz. 2
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf; dies gilt auch unter Berücksichtigung der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erhobenen Verfahrensrüge (1.). Ebenso wenig ist die nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erkennbar (2.).
Rz. 3
1. Der Kläger hält für klärungsbedürftig,
ob ein Masseur und medizinischer Bademeister Heilkunde im Sinne des § 1 Heilpraktikergesetz ausübt, wenn er Leistungen nach § 3 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie – MPhG – und der dazu gehörenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Masseure erbringt,
und verbindet dies mit der Frage,
ob die Grundsätze aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 2009 – BVerwG 3 C 19.08 – (BVerwGE 134, 345 ff.) für den Beruf des Masseurs entsprechend anwendbar sind.
Rz. 4
Diese Fragen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. März 2009 (a.a.O.) gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit einem, den Beteiligten bekannten Beschluss vom 28. Oktober 2009 – BVerwG 3 B 39.09 – (juris) zurückgewiesen. Dabei hat er Folgendes ausgeführt (a.a.O. Rn. 3):
“Der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts wirft keine grundsätzlichen Rechtsfragen auf. Es ist in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur solche Heiltätigkeiten der Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes unterfallen, die gesundheitliche Schäden verursachen können; heilkundliche Verrichtungen, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben, fallen nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes, auch wenn sie ärztliche Fachkenntnisse erfordern (s. nur Urteil vom 25. Juni 1970 – BVerwG 1 C 53.66 – BVerwGE 35, 308 ≪311≫ = Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 10 S. 23). In tatsächlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht angenommen, dass von der Tätigkeit eines Masseurs und medizinischen Bademeisters keine nennenswerten Gefahren ausgehen. Diese Feststellung greift der Kläger nicht an. Sie wäre für den Senat in einem Revisionsverfahren bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) und stünde der Annahme einer Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz entgegen.”
Rz. 5
Dasselbe gilt hier, weil das Berufungsgericht nicht nur die rechtlichen Ausführungen, sondern auch die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat. Daraus ergibt sich zugleich, dass die im Urteil des Senats vom 26. August 2009 (a.a.O.) entwickelten Grundsätze zu der Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz für die eigenverantwortliche Tätigkeit ausgebildeter Physiotherapeuten hier nicht entsprechend anwendbar sind.
Rz. 6
Die Auffassung des Klägers, anders als der Beschwerdeführer in dem Verfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg habe er eine Verfahrensrüge erhoben, so dass die tatsächlichen Feststellungen zu den von der Tätigkeit eines Masseurs und medizinischen Bademeisters ausgehenden Gefährdungen von Patienten in einem Revisionsverfahren nicht bindend wären, geht fehl. Zwar trifft es zu, dass der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG gerügt hat. Diese Rüge richtet sich aber vornehmlich dagegen, dass das Berufungsgericht entgegen der Auffassung beider Verfahrensbeteiligter die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verneint und dabei den Vortrag der Beteiligten dazu außer Acht gelassen habe. In diesem Zusammenhang verkennt der Kläger, dass Mängel der Revisionszulassungsentscheidung der Vorinstanz allein die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen können; denn diese Nebenentscheidung ist weder Gegenstand der angestrebten Revision noch kann die Sachentscheidung, mit der sich das Revisionsverfahren zu befassen hat, auf dieser Nebenentscheidung beruhen (vgl. auch Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn. 98 zu § 132 m.w.N.); vielmehr ist das Bundesverwaltungsgericht im Falle der Nichtabhilfe zu einer eigenen Entscheidung über die Zulassung der Revision aufgerufen, die sich ausschließlich daran auszurichten hat, ob die Sachentscheidung der Vorinstanz Revisionszulassungsgründe aufweist.
Rz. 7
Soweit das Vorbringen des Klägers bei wohlwollender Auslegung auch dahin verstanden werden kann, dass er die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg übernommenen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Heilkundequalität der Tätigkeit eines Masseurs und medizinischen Bademeisters angreift, weil es sich diese Feststellungen zu eigen gemacht habe, ohne sich hinreichend mit seinem Gegenvorbringen auseinanderzusetzen, erhebt er ebenfalls keine durchgreifende Verfahrensrüge; denn dazu reicht es nicht aus, pauschal auf dieses Gegenvorbringen zu verweisen. Vielmehr ist es erforderlich, in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise konkreten Vortrag zu bezeichnen, den das Gericht erkennbar nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen hat und auf dessen Nichtberücksichtigung die angegriffenen Feststellungen beruhen können. Dies leistet der Kläger nicht. Er beruft sich insoweit im Wesentlichen darauf, auf die normativen Anforderungen an den in Rede stehenden Beruf hingewiesen zu haben, aus denen er das die Heilkundequalität begründende Gefährdungspotenzial der Tätigkeit entnimmt; eine Auffassung, die das Berufungsgericht unter Heranziehung der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, der sich durchaus mit den normierten Ausbildungszielen dieses Berufs auseinandersetzt, nicht teilt. Der Kläger wendet sich daher der Sache nach dagegen, dass das Gericht seinen Argumenten im Ergebnis nicht gefolgt ist. Dass es dabei möglicherweise nicht jede Einzelheit seines Vorbringens in den Entscheidungsgründen beschieden hat, begründet noch keine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (BVerfGE 22, 267 ≪274≫; stRspr), solange – wie hier – das wesentliche Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeitet worden ist (BVerfGE 47, 182 ≪189≫).
Rz. 8
2. Die gerügte Abweichung von dem Urteil des Senats vom 26. August 2009 (a.a.O.) ist ebenfalls nicht feststellbar.
Rz. 9
a) Diese Divergenz soll zunächst darin begründet sein, dass nach der Auffassung des Senats unter Randnummer 12 seines Urteils die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz nicht deshalb entfalle, weil der dortige Kläger ausgebildeter Physiotherapeut sei, während unter Randnummer 24 der angegriffenen Entscheidung des Berufungsgerichts die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 19. März 2009 (a.a.O.) zitiert werde, wonach weder den Berufsgesetzen selbst noch einer anderen ersichtlichen Rechtsbestimmung eine Beschränkung der Berufsausübung auf unselbständige, erst nach ärztlicher Verordnung zulässige Maßnahmen entnommen werden könne. Genau dieser Auffassung, dass schon aus der Berufsausbildung auch ein Tätigkeitsschutz herrühre, sei der Senat für den Bereich Physiotherapie nicht gefolgt. Es sei deshalb nicht ersichtlich, warum für den Bereich des Masseurs etwas anderes gelten solle.
Rz. 10
Die Abweichung besteht schon deshalb nicht, weil die Ausführungen des Senats – wie der Kläger selbst einräumt – sich auf ausgebildete Physiotherapeuten beziehen, während die Darlegungen des Berufungsgerichts einen Masseur und medizinischen Bademeister, also einen anderen Beruf zum Gegenstand haben. Zwar meint der Kläger, die Ausführungen des Senats könnten auf diesen Beruf übertragen werden. Abgesehen davon, dass das eine vergleichende Bewertung voraussetzt, die bereits die Annahme einer Divergenz im Rechtssinne ausschließt, unterliegt der Kläger einem Missverständnis: Die Erlaubnispflicht für Physiotherapeuten hat der Senat allein deswegen bejaht, weil unter Berücksichtigung der gesetzlichen Aufgabenstellung des Berufs die eigenverantwortliche Anwendung physiotherapeutischer Methoden zur Krankenbehandlung wegen der damit verbundenen Gefahren gesundheitlicher Schäden Ausübung der Heilkunde ist. Nennenswerte Gefahren für die Patienten hat das Berufungsgericht in Hinblick auf die Tätigkeit eines Masseurs und medizinischen Bademeisters aber gerade verneint.
Rz. 11
b) Ebenso wenig ergibt sich eine Divergenz bei der Beantwortung der Frage, wie heilkundliche Tätigkeit festzustellen oder abzugrenzen ist. Nach Auffassung des Klägers soll die Abweichung hier darin liegen, dass der Senat unter Randnummer 24 seines Urteils eine auf die selbständige Ausübung der Heilkunde bezogene Lücke in den Vorschriften über die Ausbildung von Physiotherapeuten festgestellt, diese Ausbildungslücke also normativ ermittelt habe, während das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Tätigkeit des Masseurs und medizinischen Bademeisters das Berufsgesetz und die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung gerade nicht herangezogen habe. Hätte das Berufungsgericht dies getan, hätte es von Heilkunde ausgehen müssen.
Rz. 12
Diese Rüge geht daran vorbei, dass – worauf bereits oben unter 1. hingewiesen worden ist – der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sich in den vom Berufungsgericht zitierten Passagen durchaus mit den an seiner Aufgabenstellung orientierten gesetzlichen Ausbildungszielen des Masseurs und medizinischen Bademeisters befasst und damit weder ausdrücklich noch konkludent die Selbstverständlichkeit bezweifelt hat, dass das gesetzliche Berufsbild zur Beurteilung der Frage, ob es sich bei der beruflichen Tätigkeit um Ausübung der Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG handelt, heranzuziehen ist. Ebenso zweifelsfrei ist allerdings auch – und dies war Grundlage der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde in dem Beschluss des Senats vom 28. Oktober 2009 (a.a.O.) –, dass zur Beantwortung der Frage, ob die im gesetzlich vorgegebenen Rahmen ausgeübte berufliche Tätigkeit wegen der Gefahren gesundheitlicher Schäden heilkundliche Fachkenntnisse erfordert und daher nach dem Heilpraktikergesetz erlaubnispflichtig ist, tatsächliche Feststellungen notwendig sind.
Rz. 13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Dr. Kuhlmann
Fundstellen