Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Aktenzeichen 2 S 5/97) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 19. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen führt nicht auf einen Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO.
1. Mit dem Streitfall verbindet sich zunächst keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Beschwerde will offenbar – nur so läßt sich das insoweit schwer verständliche Beschwerdevorbringen deuten, in dem keine abstrakte Rechtsfrage formuliert wird – als rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob „Inhaber” im Sinne der vom Berufungsgericht entscheidungstragend herangezogenen (ausgelaufenen) Vorschrift des § 10 Abs. 2 AbfG (die im wesentlichen der gültigen Vorschrift in § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG entspricht) bereits derjenige ist, „der den Betrieb der Deponie zunächst förmlich angezeigt und sich so als ‚Betreiber’ geriert hat, ohne gleichzeitig rechtlich, wirtschaftlich und nach sonstigen Gegebenheiten für die Anlage tatsächlich verantwortlich” zu sein. Indessen würde sich diese Frage in dem von der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen.
Allerdings ist die in den Gründen des angefochtenen Urteils dargelegte Annahme, die Inhaberschaft werde „allein durch den Umstand belegt, daß die Gesellschaft den Betrieb der Deponie zunächst förmlich angezeigt und sich damit selbst als ‚Betreiberin’ geriert hat”, nicht über jeglichen rechtlichen Zweifel erhaben. Indessen braucht entsprechenden Fragen aus Anlaß des Streitfalles nicht nachgegangen zu werden. Aus den insbesondere im Tatbestand des angefochtenen Urteils getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die insoweit nicht in zulässiger und begründeter Weise angegriffen worden sind, dem unstreitigen Inhalt der in das Verfahren ordnungsgemäß eingeführten Akten und dem eigenen Vortrag der Klägerseite namentlich im Berufungsverfahren ergibt sich, daß die Inhaberschaft rechtlich bedenkenfrei auf Umstände zu gründen ist, die über eine bloße Anzeige und ein „Sichgerieren” als Betreiber hinausreichen und die der Senat auch als Revisionsgericht mit der Folge der Zurückweisung der Revision zugrunde legen müßte:
Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) i.L., für die der Kläger als Gesamtvollstreckungsverwalter klagt, ist – eine andere Herleitung ihrer Existenz ist weder vorgetragen noch ersichtlich – offenbar durch Umwandlung des VEB J.S. entstanden. In den verwerteten Akten sind Schriftstücke enthalten, die sich mit Anträgen zur „schadlosen Beseitigung nicht nutzbarer Abprodukte gemäß 6. DVO zum Landeskulturgesetz” zum einen des VEB J.S. vom 7. August 1985 und zum anderen der GmbH vom 16. November 1990 befassen, wobei der Betriebssitz der beiden Betriebe identisch ist. In beiden Fällen ergingen Entscheidungen, einmal eine solche des Rates des Bezirkes und einmal der Kreisverwaltung, die sich jeweils auf eine „Deponie” bezogen.
Hiervon sowie davon ausgehend, daß in von der GmbH verfaßten Schriftstücken einmal von einer „ortsfesten Abfallentsorgungsanlage der … GmbH” (Schreiben vom 5. Dezember 1991), ein andermal von einem „Weiterbetrieb der Betriebsdeponie” (Schreiben vom 2. März 1992, wo auch „die Deponie der … GmbH” erwähnt ist) und schließlich davon die Rede ist, daß die „zu diesem Zeitpunkt angedachte weitere Nutzung der Betriebsdeponie” sich erübrige (Schreiben vom 11. September 1992), fügen sich die Darlegungen der Klägerseite im Schriftsatz zur Begründung der Berufung vom 20. Mai 1997 (insbesondere S. 8 f.), mit denen die Inhaberschaft bestritten worden ist – die Gesellschaft sei keine Eigentümerin des Deponiegrundstücks, sie habe zwischen 1990 und 1992 nur zwei Anträge zur Beseitigung nicht nutzbarer Abprodukte gestellt und seit dem 25. Januar 1991 habe eine Ablagerung durch die Gemeinschuldnerin nicht mehr stattgefunden, vielmehr hätten sich Dritte dieser Deponie „bedient” –, zwingend zu der Erkenntnis, daß vor dem Beitritt der DDR der VEB und zumindest in der Zeit unmittelbar danach die GmbH jedenfalls auch – womöglich neben anderen – Inhaber der Deponie war, weil zumindest ein maßgeblicher Teil der zulässigerweise auf der Deponie gelagerten Abfälle aus der Produktion der beiden genannten Betriebe stammte. Damit waren der VEB und die GmbH Inhaber oder Betreiber (vgl. zur synonymen Verwendung der Begriffe „Inhaber” und „Betreiber” das Urteil vom 29. November 1991 – BVerwG 7 C 6.91 – BVerwGE 89, 215 ff.) und nicht lediglich Nutzer. Der Umstand, daß das Deponiegelände bis zur Umwandlung des VEB in einer anderen Rechtsträgerschaft stand und demgemäß aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Umwandlung kein Betriebsvermögen der GmbH geworden ist, ist insoweit unerheblich, weil das Abfallrecht im vorliegenden Zusammenhang an die rechtliche und tatsächliche Verantwortlichkeit und nicht an die sachenrechtliche Eigentümerstellung und noch weniger an die frühere Rechtsträgerschaft anknüpft.
b) Auch die sinngemäß aufgeworfene Frage, ob unter einem „Inhaber” im Sinne der vorgenannten Vorschriften „auch ohne Hinzutreten weiterer Abgrenzungsmerkmale ein Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen einer Gesamtschuldnerin” verstanden und damit der Verwalter „mit dem Gemeinschuldner ohne weiteres gleichgesetzt” werden darf, kann einen Klärungsbedarf nicht deutlich machen. Insoweit läßt das Beschwerdevorbringen bereits nicht erkennen, welche Frage aus dem zum Teil schwierigen Fragenkreis „Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsverwalter und ordnungsrechtliche Verpflichtung” die Beschwerde im Revisionsverfahren näher behandelt wissen will. Zwar lassen sich im vorgenannten Zusammenhang berechtigterweise Fragen stellen (vgl. lediglich K. Schmidt, Bodensanierung, Ordnungspflicht und Ersatzvornahme im Konkurs einer Handelsgesellschaft, BB 1991, 1273 ff. m.w.N.; ders., Altlasten, Ordnungspflicht und Beseitigungskosten im Konkurs, NJW 1993, 2833 ff. m.w.N.); im Streitfall steht jedoch lediglich die Problematik in Rede, ob eine Ordnungsverfügung, die auf einer ordnungsrechtlichen Verpflichtung einer Gemeinschuldnerin als Handlungshafterin beruht, nach der Eröffnung des Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsverfahrens an den Verwalter gerichtet werden darf. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Urteil vom 20. Januar 1984 – BVerwG 4 C 37.80 – (Buchholz 402.41 Nr. 35 S. 8 f.) ausgeführt, daß nach § 6 KO der Gemeinschuldner mit der Eröffnung des Konkursverfahrens die Befugnis verliert, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, und ab diesem Zeitpunkt das Verwaltungs- und Verfügungsrecht einschließlich der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten durch den Konkursverwalter ausgeübt wird. Diesen Standpunkt hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 10. Februar 1999 – BVerwG 11 C 9.97 – (BVerwGE 108, 269) bekräftigt und entschieden, daß unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ein Gesamtvollstreckungsverwalter richtiger Adressat einer Ordnungsverfügung sein und insoweit die von ihm verwaltete Masse für die Beseitigung einer Gefahrenlage in Anspruch genommen werden kann.
Im Ergebnis nichts anderes gilt für den hier gegebenen Fall der förmlichen Schließung einer früher von der Gemeinschuldnerin betriebenen und seit längerem faktisch stillgelegten Deponie sowie die Auferlegung von Nebenbestimmungen, auch wenn das Gelände, auf dem die Deponie betrieben wurde, nicht zu den Massegegenständen gehört; hiervon bleibt die Verpflichtung zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten unberührt, die im früheren Betrieb und damit auch im Betriebsvermögen der Gemeinschuldnerin begründet liegen. Weitere Erkenntnisse wären im Streitverfahren nicht zu erwarten; daß die Kosten der im Streitfall behördlicherseits verlangten Maßnahmen das zur Befriedigung der Gläubiger der GmbH zur Verfügung stehende Vermögen vermindern können, versteht sich vor dem dargelegten Hintergrund von selbst; inwiefern dies zu einer „extremen Benachteiligung der anderen Gläubiger” führen soll, wie die Beschwerde meint, ist ohne weitere Darlegungen nicht nachvollziehbar; im Gegenteil wäre es schwer verständlich, wenn sich die Gläubiger zu Lasten der Allgemeinheit aus einer ungeschmälerten Vermögensmasse befriedigen könnten.
c) Die rechtsgrundsätzliche Bedeutung des Streitfalles läßt sich auch nicht aus dem Umstand ableiten, daß gegen den Eigentümer des Deponiegeländes nach dem Vorbringen der Beschwerde keine Duldungsverfügung ergangen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, daß eine womöglich fehlende Duldungsverfügung nicht die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsverfügung sondern allein deren Durchsetzbarkeit berühren kann (Urteil vom 28. April 1972 – BVerwG IV C 42.69 – BVerwGE 40, 101, 103; stRspr). Folglich besteht auch im Streitverfahren noch die Möglichkeit, eine Duldungsverfügung gegenüber dem Eigentümer des Deponiegeländes zu erlassen, soweit dieser mit den angeordneten Maßnahmen nicht einverstanden sein sollte.
2. Entgegen dem Beschwerdevorbringen haftet dem angefochtenen Urteil auch kein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO an.
Der Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, geht schon deswegen fehl, weil weitere Ermittlungen nach dem vom Oberverwaltungsgericht eingenommenen – wenn auch womöglich unzutreffenden – rechtlichen Standpunkt nicht notwendig waren. Da das Berufungsgericht das Merkmal der Inhaberschaft bereits deswegen als erfüllt angesehen hat, weil die GmbH den Betrieb der Deponie förmlich angezeigt und sich damit als Betreiberin geriert habe, brauchte es weitere Ermittlungen zum Umfang der Inhaberschaft bzw. zu anderen Inhabern nicht anzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der Streitwertfestsetzung folgt der Senat der berufungsgerichtlichen Festsetzung.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, Dr. Borgs-Maciejewski, Dr. Brunn
Fundstellen