Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 31.05.2011; Aktenzeichen 1 L 86/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 31. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt
Gründe
Rz. 1
Die auf die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
Der Kläger, ein Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14 BBesO), wendet sich gegen seine Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 31. März 2006 bis zum 30. März 2008. Er macht unter anderem geltend, dass die dienstliche Beurteilung nicht alle von ihm wahrgenommenen wesentlichen Aufgaben erfasse und die Bildung des Gesamturteils auf einer unzulässigen Arithmetisierung beruhe. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, dem Kläger eine erneute Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die dienstliche Beurteilung sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rz. 3
1. Der Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) in der Frage,
“ob es sich bei der Wahrnehmung der als ‘ständige Vertretung’ bezeichneten Funktion um die Wahrnehmung eines Statusamtes oder nur um eine untergeordnete Aufgabe, die nicht wesentlich ist und nicht bei der dienstlichen Beurteilung aufgeführt werden braucht, handelt,”
beziehungsweise
“wie der Begriff ‘wesentliche Aufgaben’ i.S.v. Ziffer 6. Abschnitt A VorlBeurtRLBAI als unbestimmter Rechtsbegriff auszulegen ist.”
Rz. 4
Der Kläger beanstandet insoweit, dass seine Funktion der “ständigen Vertretung des Hauptstellenleiters FM” für den hier maßgeblichen (Beurteilungs-) Zeitraum nicht ausdrücklich in die “Kurzbeschreibung” seiner dienstlichen Tätigkeit aufgenommen worden sei, obwohl nach der Beurteilungsrichtlinie der Beklagten die wesentlichen im Beurteilungszeitraum wahrgenommenen Aufgaben anhand der Aufgabenbeschreibung/Anforderungsprofile für die jeweiligen Dienstposten/Arbeitsplätze kurz zu beschreiben seien.
Rz. 5
Die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen sind als Tatsachenfrage schon keine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfragen. Beurteilungsrichtlinien sind keine Rechtsnormen. Ihre Aufgabe ist es, gleiche Bewertungsmaßstäbe bei dem Leistungsvergleich nach Art. 33 Abs. 2 GG herzustellen (stRspr, vgl. Urteil vom 2. März 2000 – BVerwG 2 C 7.99 – Buchholz 237.8 § 18 RhPLBG Nr. 1 LS 2 und S. 3 f., zuletzt Urteil vom 26. September 2012 – BVerwG 2 A 2.10 – NVwZ-RR 2013, 54 Rn. 9). Für die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung kommt es nicht entscheidend auf den Wortlaut einer Beurteilungsrichtlinie an, sondern darauf, welchen Bedeutungsgehalt die Beurteiler den Begrifflichkeiten (tatsächlich) beimessen. Wird bei einer Beurteilungskampagne einzelnen Begrifflichkeiten einer Beurteilungsrichtlinie von den Beurteilern einheitlich ein Aussagegehalt beigelegt, der von der Definition in der Beurteilungsrichtlinie abweicht, kann deshalb sogar eine dienstliche Beurteilung, bei der sich der Beurteiler an die Notendefinition der Richtlinie gehalten hat, rechtswidrig sein (Urteil vom 2. März 2000 a.a.O. und LS 2). Auch ist das Gebot der Gleichbehandlung bei dienstlichen Beurteilungen bereits dann verletzt, wenn in Teilbereichen des Verwaltungszweiges, für den einheitliche Beurteilungsrichtlinien erlassen worden sind, aufgrund eines unterschiedlichen Verständnisses des Inhaltes von Bewertungsmaßstäben eine uneinheitliche Beurteilungspraxis eingetreten ist (Urteil vom 2. März 2000 a.a.O.).
Rz. 6
Im Übrigen wendet sich der Kläger mit den von ihm aufgeworfenen Fragen nur gegen eine von drei jeweils selbstständig tragenden Erwägungen des Berufungsgerichts, sodass die Fragen auch nicht entscheidungserheblich sind. Das Berufungsgericht ist zum einen davon ausgegangen, dass die Tätigkeit der ständigen Vertretung des Hauptstellenleiters FM bereits in der “Kurzbeschreibung” enthalten sei, da sie zu den Aufgaben des vom Kläger wahrgenommenen und dort aufgeführten Dienstpostens des Abteilungsleiters MDFM 2 gehöre; sie habe deshalb nicht auch noch zusätzlich ausdrücklich aufgenommen werden müssen. Es hat des Weiteren angenommen, dass es sich nach dem tatsächlichen Arbeitsanfall bei der ständigen Vertretung des Hauptstellenleiters FM um eine nur unwesentliche, den Aufgabenbereich des Klägers nicht prägende Tätigkeit handele. Schließlich hat es darauf abgestellt, dass die Tätigkeit der ständigen Vertretung des Hauptstellenleiters FM außerdem tatsächlich in die Bewertung der Einzelmerkmale und das Gesamturteil eingeflossen sei.
Rz. 7
Insofern ist darauf hinzuweisen, dass zwar der Umstand, dass in einer dienstlichen Beurteilung bei der “Kurzbeschreibung” der dienstlichen Tätigkeit bestimmte Aufgaben nicht erfasst werden, grundsätzlich ein Indiz dafür sei kann, dass die dienstliche Beurteilung unvollständig ist. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit einer Beurteilung ist aber nicht, ob alle Aufgaben des Beamten in der informatorischen Mitteilung über seine Tätigkeiten im Beurteilungszeitraum aufgenommen worden sind, sondern allein, ob die die vom Beamten im zu beurteilenden Zeitraum wahrgenommenen Aufgaben vollständig bei der Beurteilung von Eignung, Leistung und Befähigung berücksichtigt worden sind. Dies ist hier nach den insoweit von der Beschwerde nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) der Fall. Aus diesem Grund liegt auch nicht die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang gerügte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, nach der die dienstlichen Beurteilungen die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen müssen (stRspr, vgl. Urteile vom 26. September 2012 a.a.O. Rn. 13 und vom 4. November 2010 – BVerwG 2 C 16.09 – BVerwGE 138, 102 = Buchholz 11 Art 33 Abs. 2 GG Nr. 47, jeweils Rn. 47 m.w.N.).
Rz. 8
2. Die Beschwerde rügt des Weiteren eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der das Gesamturteil nicht aus dem arithmetischen Mittel der Einzelnoten gebildet werden darf (Urteil vom 24. November 1994 – BVerwG 2 C 21.93 – BVerwGE 97, 128 ≪132≫ = Buchholz 232.1 § 41 BLV Nr. 3 S. S. 3 und LS 2). Es ist vielmehr durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden (stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 4. November 2010 a.a.O. Rn. 46 und vom 30. Juni 2011 – BVerwG 2 C 19.10 – BVerwGE 140, 83 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 49, jeweils Rn. 16). Es ist nicht zu erkennen, dass das Berufungsgericht hiervon mit seinem Urteil abgewichen wäre.
Rz. 9
Zwar liegt eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in seinen Obersätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Wiedergabe der maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen hat, die fallbezogenen Rechtsausführungen aber erkennen lassen, dass es der Sache nach einen anderen rechtlichen Standpunkt eingenommen und von dort aus abweichende Rechtssätze zugrunde gelegt hat (Beschluss vom 15. September 2005 – BVerwG 1 B 12.05 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 316 Rn. 4 ff. und BFH, Beschluss vom 23. April 1992 – VIII B 49/90 – BFHE 167, 488). Eine solche Abweichung versucht die Beschwerde darzustellen. Sie gibt die Ausführungen des Berufungsgerichts aber nur verkürzt wieder.
Rz. 10
Das Berufungsgericht hat zunächst unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 1994 darauf hingewiesen, dass das Gesamturteil nicht aus dem arithmetischen Mittel der Einzelnoten gebildet werden dürfe. Sodann hat es dargelegt, dass dies auch nach den Beurteilungsrichtlinien nicht der Fall sei. Danach werde zwar im ersten Schritt eine Gesamtnote aus dem arithmetischen Mittel der Einzelnoten gebildet. Seien Erst- und/oder Zweitbeurteiler aber der Auffassung, dass die errechnete Gesamtnote nicht dem Gesamtbild von Eignung, Leistung und Befähigung gerecht werde, hätten diese die Einzelmerkmale zu überprüfen und ggf. Korrekturen vorzunehmen. Deshalb handele es sich nur um ein rechnerisch ermitteltes Zwischengesamtergebnis, das auf jeden Fall in einer gesondert vorzunehmenden Gesamtbewertung zu überprüfen sei. Die Bewertung der Einzelmerkmale wie auch des Gesamturteils durchlaufe auf diese Weise mehrere Verfahrensstadien. Die Korrektur(möglichkeit) von Einzelmerkmalbewertungen sei Ausdruck einer eigenständigen Gesamturteilsbildung. Damit wirke die eigenständige Gesamturteilsbildung auf die Bewertung der Einzelmerkmalsbewertungen zurück und diese determinierten gerade nicht allein das Gesamturteil.
Rz. 11
3. Schließlich rügt die Beschwerde eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Zusammenhang von Regelbeurteilungen und laufenden Stellenausschreibungen.
Rz. 12
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18 S. 3). Ein solcher Rechtssatz des Berufungsurteils wird von der Beschwerde bereits nicht aufgezeigt.
Rz. 13
Auch legt die Beschwerde den näher genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts eine Bedeutung bei, die ihr nicht zu entnehmen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass Regelbeurteilungen nicht von laufenden Stellenausschreibungen abgetrennt werden dürften. Insofern ist zwischen Klagen gegen Beurteilungen und Klagen gegen Auswahlentscheidungen zu unterscheiden. In dem Urteil vom 19. Dezember 2002 – BVerwG 2 C 31.01 – (Buchholz 237.9 § 20 SaarLBG Nr. 1 S. 2 f.) ging es um das Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses bei Klagen gegen ältere dienstliche Beurteilungen. Dies ist darin begründet, dass Auswahlentscheidungen zwar in erster Linie aufgrund aktueller dienstlicher Beurteilungen zu treffen sind. Ältere Beurteilungen können aber zusätzlich berücksichtigt werden; sie sind vor Hilfskriterien heranzuziehen. In dem außerdem genannten Urteil vom 4. November 2010 (a.a.O.) ging es demgegenüber um eine Auswahlentscheidung; in Ansehung dieser Auswahlentscheidung war die Rechtmäßigkeit der Beurteilungen der Konkurrenten zu überprüfen. Denn Grundlage einer Auswahlentscheidung sind in erster Linie die aktuellen dienstlichen Beurteilungen. In keiner der Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht beanstandet, dass – wie im Regelfall – der Beurteiler sowohl für die Beurteilung des Klägers als auch seines Konkurrenten um eine Stelle zuständig war.
Rz. 14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht für das Beschwerdeverfahren auf § 47 Abs. 1, 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Domgörgen, Thomsen, Dr. Hartung
Fundstellen