Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 11.02.2004; Aktenzeichen 5 S 386/03) |
Tenor
Die Beschwerden der Klägerin und der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Februar 2004 werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin und die Beigeladene je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerden der Beigeladenen und der Klägerin haben keinen Erfolg.
1. Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Beigeladenen ist unbegründet.
a) Die Divergenzrüge der Beigeladenen, mit der sie geltend macht, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs weiche, soweit es um die Anordnung eines Entscheidungsvorbehalts über ergänzende Schallschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem „Bypass Oberrhein” geht, von zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (Urteil vom 1. Juli 1988 – BVerwG 4 C 49.86 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 76 und Beschluss vom 11. November 1996 – BVerwG 11 B 65.96 – Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 5), greift nicht durch. Sie erfüllt bereits nicht die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines solchen Zulassungsgrundes stellt. Danach ist eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines obersten Bundesgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 m.w.N.). Einen solchen abweichenden Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs benennt die Beschwerde jedoch nicht. Sie macht lediglich geltend, zwischen der Verkehrszunahme im Zusammenhang mit der Errichtung eines etwaigen „Bypass Oberrhein”, die den Verwaltungsgerichtshof zur Anordnung eines Entscheidungsvorbehalts veranlasst habe, und dem planfestgestellten Vorhaben und seinen Auswirkungen bestehe nicht der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geforderte „Kausalzusammenhang”. Vielmehr sei die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Verkehrslärmschutzverordnung keine Schutzansprüche für die Eigentümer solcher Grundstücke begründe, die nicht von dem auf einer neuen Eisenbahn-Zweigstrecke entstehenden Lärm betroffen werden, sondern lediglich von der Verkehrs- und Lärmzunahme, die auf der Stammstrecke infolge des Neubaus eintrete, auf den hier zu beurteilenden Fall „uneingeschränkt übertragbar”. Damit zeigt die Beschwerde aber lediglich eine – vermeintlich – fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts auf, die die Zulassung der Revision nicht begründen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – a.a.O.).
Unabhängig hiervon ist eine Abweichung des Verwaltungsgerichtshofs von den genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht erkennbar. Der von der Beschwerde hervorgehobene „Kausalzusammenhang” bezieht sich nach der zitierten Rechtsprechung ausschließlich darauf, dass es für die Berechnung des nach § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV maßgeblichen Beurteilungspegels allein auf den von dem zu bauenden oder zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärm ankommt. Deswegen wird Lärm, der nicht gerade auf der zu bauenden oder zu ändernden Strecke entsteht, nicht berücksichtigt. Daraus folgt, dass Grundstückseigentümern Ansprüche nach der 16. BImSchV nicht zustehen, wenn ihre Grundstücke nicht von dem von einer planfestgestellten Aus- oder Neubaustrecke ausgehenden Lärm betroffen werden, sondern lediglich von der Verkehrs- und Lärmzunahme, die infolge des Vorhabens an anderen Teilen des Streckennetzes auftritt. Dagegen kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, in die Ermittlung des Beurteilungspegels nach § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV dürfe nicht derjenige Lärm prognostisch einbezogen werden, der sich auf der planfestzustellenden Aus- oder Neubaustrecke erst aufgrund von baulichen Maßnahmen an anderen Strecken ergibt. Denn auch dieser Lärm „entsteht” im maßgeblichen Prognosezeitpunkt auf der planfestzustellenden Aus- oder Neubaustrecke und wirkt auf die Grundstücke der dortigen Anlieger ein unabhängig davon, welche weiteren Gründe für sein Auftreten verantwortlich sein mögen. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgegangen.
b) Als grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wirft die Beschwerde folgende Frage auf:
Muss die Planfeststellungsbehörde dem Vorhabenträger bei der geplanten Erweiterung einer Eisenbahn-Stammstrecke im Planfeststellungsbeschluss Schutzvorkehrungen (ggf. im Wege eines Vorbehalts gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG) bezüglich Schall- und Erschütterungswirkungen auferlegen, die daraus resultieren (können), dass es bahninterne, politisch jedoch noch nicht im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung umgesetzte Langfristplanungen für den künftigen Bau einer Eisenbahn-Zweigstrecke gibt, die ihrerseits zu einer Verkehrszunahme auf der Stammstrecke führen kann?
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht ohnehin höchstrichterlich geklärt ist, auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.
Unter welchen Voraussetzungen die Bewältigung nachteiliger Wirkungen durch ein Planvorhaben gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG einer späteren abschließenden Prüfung und Entscheidung vorbehalten bleiben kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach muss sich aufgrund besonderer Anhaltspunkte die konkrete Möglichkeit abzeichnen, dass nachteilige Wirkungen in absehbarer Zeit eintreten werden, ihr Ausmaß sich jedoch noch nicht abschätzen lässt, sodass sie mangels hinreichender Zuverlässigkeit der Voraussagen ihres Eintretens noch keinen Anlass zu Anordnungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG geben, sich aber auch nicht dem Bereich nicht voraussehbarer Wirkungen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG zuordnen lassen (BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 – BVerwG 11 C 2.00 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 55 S. 17 ff.). Ob auch „bahninterne, politisch jedoch noch nicht im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung umgesetzte Langfristplanungen” diese Anforderungen erfüllen können, hängt danach von der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung und dem hierfür erforderlichen Zeitraum ab und lässt sich deswegen nicht von vornherein verneinen.
Von diesen Grundsätzen ist der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. Ob er sie zutreffend angewandt hat, ist eine Frage des Einzelfalls, die auch im Blick auf die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründen kann.
Grundsätzliche Bedeutung gewinnt die aufgeworfene Frage auch nicht dadurch, dass sich die „bahninternen” Planungen nicht unmittelbar auf die hier in Rede stehende Bahnstrecke beziehen, sondern auf den Neubau einer weiteren Strecke „Bypass Oberrhein”), der eine Verkehrszunahme auf der jetzt planfestgestellten Strecke bewirken kann. Die Beschwerde meint offenbar, dass dieser Lärm im Rahmen des nach § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV zu ermittelnden Beurteilungspegels mangels Kausalzusammenhangs zwischen Vorhaben und Beeinträchtigung nicht berücksichtigt werden dürfe. Damit ist zunächst keine spezielle Frage des § 74 Abs. 3 VwVfG aufgeworfen, sondern eine solche nach dem Regelungsumfang der §§ 41 ff. BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV. Denn der erwähnte Kausalzusammenhang muss auch im Falle einer Schutzvorkehrung nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gegeben sein. Insoweit ist allerdings in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – u.a. aufgrund des erwähnten Beschlusses vom 11. November 1996 (a.a.O.) – geklärt, dass es für den Kausalzusammenhang ausreicht, wenn der Lärm auf dem planfestgestellten Abschnitt „entsteht”. Ob bestimmte Verkehrsmengen erst aufgrund weiterer baulicher Maßnahmen an anderen Streckenteilen zu erwarten sind, ist hierfür ohne Bedeutung und kann insbesondere nicht zum Anlass genommen werden, diese Verkehrsmengen aus dem prognostizierten Beurteilungspegel „herauszurechnen”.
Die Beschwerde scheint hierin allerdings einen Wertungswiderspruch zu dem im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 1996 (a.a.O.) entschiedenen Fall zu sehen, wenn sie meint, die Grundsätze dieser Entscheidung müssten auf den vorliegenden Fall „übertragen” werden. Dabei geht die Beschwerde jedoch von der unzutreffenden Annahme aus, dass Veränderungen an anderen Stellen des Schienennetzes für die Anordnung von Schutzvorkehrungen grundsätzlich irrelevant seien und deswegen auch bei der Prognose zukünftiger nachteiliger Wirkungen planfestgestellter Vorhaben von vornherein nicht einzubeziehen seien. Denn dass die 16. BImSchV Anliegern an einer anderen als der planfestgestellten Strecke wegen des bei ihnen zunehmenden Lärms keine im Rahmen der Planfeststellung zu berücksichtigenden Schutzansprüche gewährt, schließt Ansprüche dieser Anlieger auf den früheren Planfeststellungsbeschluss ihrer Strecke ergänzende Schutzvorkehrungen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nicht aus, wenn die Lärmprognose, die diesem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag, wegen einer bei Erstellung der Verkehrsprognose nicht vorhersehbaren und deswegen außer Ansatz gebliebenen weiteren Baumaßnahme fehlschlägt (vgl. zu den Anforderungen etwa BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1998 – BVerwG 11 A 44.97 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 24 S. 75). Deswegen ist es nicht widersprüchlich, sondern folgerichtig, dass bereits vorhersehbare Entwicklungen im Streckennetz, die sich auf die Verkehrsmenge der planfestgestellten Strecke auswirken, von vornherein bei der Verkehrsprognose berücksichtigt und im Planfeststellungsbeschluss bewältigt werden müssen.
c) Die Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO greift ebenfalls nicht durch. Die Beigeladene macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Aufklärungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) dadurch verletzt, dass er nicht aufgeklärt habe, ob die in der „strategischen Gesamtplanung Basel” genannte, den zusätzlichen Verkehr durch den „Bypass Oberrhein” einbeziehende Belegung von 718 Zügen auf der planfestgestellten Strecke überhaupt möglich sei. Da die im vorinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Beigeladene dort keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, kann die Aufklärungspflicht des Verwaltungsgerichtshofs nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann verletzt sein, wenn sich eine weitere Ermittlung durch die Vorinstanz aufgedrängt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.
Die gegenteilige Auffassung der Beschwerde trifft schon deswegen nicht zu, weil sie auf einer Annahme beruht, die mit den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Einklang steht. Der Verwaltungsgerichtshof ist gerade nicht von einer zukünftigen Belegung der planfestgestellten Strecke mit 718 Zügen ausgegangen, sondern hat ausdrücklich festgestellt, dass sichere, konkret belastbare Zugzahlen im Zusammenhang mit der Bypass-Lösung fehlen. Hiergegen hat die Beschwerde keine Verfahrensrüge erhoben. Auf dieser Grundlage wäre die weitere Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, es werde auf der planfestgestellten Strecke zu Bypass-bedingtem zusätzlichem Verkehr und hierdurch zu verstärkten Immissionen kommen, nur zu beanstanden, wenn jeder Bypass-bedingte Zusatzverkehr auf der planfestgestellten Strecke tatsächlich ausgeschlossen wäre. Das macht die Beigeladene aber nicht geltend. Dass möglicherweise nicht der gesamte denkbare Zusatzverkehr ohne bauliche Erweiterung der planfestgestellten Strecke aufgenommen werden kann, steht einer – auch von der Beigeladenen nicht infrage gestellten – zumindest teilweisen Verlagerung des Bypass-bedingten Verkehrs auf die planfestgestellte Strecke und mithin der Anordnung eines Entscheidungsvorbehalts ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass sich aufgrund etwaiger Bypass-bedingter baulicher Erweiterungen der planfestgestellten Strecke möglicherweise selbständige Schutzansprüche nach der 16. BImSchV zugunsten der Klägerin ergeben.
2. Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Klägerin ist ebenfalls unbegründet.
a) Die Divergenzrüge der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Ihre Beschwerde macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof weiche hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich die gemeindliche Planung gegen ein Vorhaben der Fachplanung durchsetzt, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 26.94 – BVerwGE 100, 388 ≪394≫ und Beschluss vom 30. Dezember 1996 – BVerwG 11 VR 24.95 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 23 S. 99) ab. Danach gelte im Falle des Konflikts einer hinreichend verfestigten gemeindlichen Planung mit einer Fachplanung grundsätzlich der Prioritätsgrundsatz, während beim Aufeinandertreffen von noch nicht hinreichend verfestigter Planung und Fachplanung gegenseitige Rücksichtnahme zu üben sei. Demgegenüber stelle der Verwaltungsgerichtshof deutlich höhere Anforderungen an die Verletzung der Planungshoheit, wenn er auch im Falle hinreichend verfestigter gemeindlicher Planung den Nachweis verlange, dass die Planung insgesamt obsolet zu werden drohe und der Konflikt nicht mit den Mitteln des Bauplanungsrechts beherrschbar sei.
Die behauptete Divergenz besteht jedoch nicht. Denn die Beschwerde geht unzutreffend davon aus, dass jede Beeinträchtigung einer hinreichend konkreten und verfestigten gemeindlichen Planung auch eine Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit darstellt. Das ist jedoch nicht der Fall und lässt sich auch den angeführten Entscheidungen nicht entnehmen. Es entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Prioritätsgrundsatz nur ein – wenn auch wichtiges – Abwägungskriterium darstellt (BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002 – BVerwG 9 VR 14.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 171 S. 133 m.w.N.), sodass Eingriffe in die Planungshoheit – etwa durch die nachhaltige Störung einer hinreichend verfestigten gemeindlichen Planung – nicht ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen, sondern durch andere, für das Vorhaben sprechende Belange im Wege der Abwägung überwunden werden können (BVerwG, Beschluss vom 3. September 1997 – BVerwG 11 VR 20.96 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 31 S. 154). Eine Verletzung der Planungshoheit der Gemeinde kann sich deswegen erst aufgrund von Fehlern im Rahmen dieser Abwägung ergeben. Dabei ist aber zu beachten, dass es Sache der Gemeinde ist, Beeinträchtigungen ihrer Planungshoheit geltend zu machen und im Einzelnen insbesondere darzulegen, welche Konflikte auftreten und warum diese – auch unter Berücksichtigung ihrer bauleitplanerischen Mittel – dazu führen, dass die vorgesehene Planung nicht verwirklicht werden kann (vgl. das in der von der Beschwerde angeführten Entscheidung vom 21. März 1996 – a.a.O. – in Bezug genommene Urteil vom 30. August 1993 – BVerwG 7 A 14.93 – Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 23 S. 51 f.). Diese Rechtssätze hat der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung ausdrücklich und zutreffend zugrunde gelegt.
b) Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde der Klägerin folgende Fragen auf:
- „Welche Bedeutung hat der Bundesverkehrswegeplan für die Immissionsprognose bei einem Schienenausbauvorhaben?
- Dürfen der Immissionsprognose für ein Schienenbauvorhaben die Verkehrszahlen eines Bundesverkehrswegeplanes zugrunde gelegt werden, wenn dieser im Zeitpunkt der Planfeststellung schon zehn Jahre alt ist und mit seiner Fortschreibung bereits begonnen wurde?
- Darf die Planfeststellungsbehörde ihrer Immissionsprognose für die Zukunft die erwartete Verkehrsentwicklung zu einem Zeitpunkt zugrunde legen, der mehrere Jahre vor der Fertigstellung und Inbetriebnahme des planfestgestellten Vorhabens liegt?”
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Denn sie lassen sich, soweit ihnen Entscheidungserheblichkeit zukommt, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass das Gericht eine Prognose und mithin auch eine der Verkehrslärmberechnung zugrunde liegende Verkehrsprognose grundsätzlich nur darauf prüfen kann, ob sie mit den seinerzeit zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln methodengerecht erstellt wurde (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19. März 2003 – BVerwG 9 A 33.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 173 S. 158 m.w.N.). Speziell für die genannte Verkehrsprognose hat das Gericht festgestellt, dass normative Vorgaben für den Prognosezeitraum fehlen. Für Fernstraßenvorhaben hat es das Bundesverwaltungsgericht bisher nicht beanstandet, auf den Prognosehorizont des Jahres 2010 abzustellen, weil sich dies nicht als Ausdruck unsachlicher Erwägungen darstelle, sondern sich nahtlos in die Konzeption einfüge, die dem Fernstraßenausbaugesetz 1993 und dem entsprechenden Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zugrunde liege, der sich an der Verkehrsentwicklung des Jahres 2010 orientiere, sodass es nahe liegend, wenn nicht gar geboten sei, bei Vorhaben, die im Bedarfsplan als vordringlicher Bedarf dargestellt sind, auf denselben Zeitpunkt abzustellen (BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 A 10.95 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13 S. 36 f.). Diese Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht auch auf den – ebenso wie der Fernstraßenbedarfsplan auf dem Bundesverkehrswegeplan 1992 aufbauenden – Bedarfsplan des Schienenwegeausbaugesetzes angewandt (vgl. etwa Urteil vom 1. Oktober 1997 – BVerwG 11 A 10.96 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 32 S. 165). Sie werden – wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat – durch die fortschreitende Annäherung an das Jahr 2010 und den insoweit nahe liegenden Einwand, der noch verbleibende Prognosezeitraum sei „zu kurz”, nicht ohne weiteres infrage gestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 – BVerwG 4 A 24.01 – n.v.). Davon ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgegangen. Unter welchen Voraussetzungen die Wahl des Bezugspunktes 2010 sich im Hinblick auf den noch verbleibenden Prognosezeitraum nicht mehr als Ausdruck sachlicher Erwägungen darstellt, ist eine auch von tatsächlichen Feststellungen abhängige Frage des Einzelfalls, die die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht begründen kann.
Die zweite von der Beschwerde aufgeworfene Frage zeigt keinen weitergehenden Klärungsbedarf auf. Erweist sich die Anknüpfung an die laufende Verkehrswegeplanung und ihren Prognosehorizont bei einem hiervon erfassten Vorhaben grundsätzlich als Ausdruck sachlicher Erwägungen, so kann die bisherige Verkehrswegeplanung Verkehrsprognosen jedenfalls dann nicht mehr zugrunde gelegt werden, wenn eine neue Verkehrswegeplanung beschlossen ist oder sich zumindest als verlässliche und deswegen zu Planungszwecken bereits „freigegebene” Grundlage erweist. Diese Voraussetzungen waren im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht gegeben. Ob sich dennoch eine Anknüpfung an die bestehende Verkehrswegeplanung verbietet, was nur ausnahmsweise, etwa im Falle einer unangemessenen Verzögerung der Planungsfortschreibung denkbar ist, ist – wie schon die Formulierung der Frage der Beschwerde nahe legt – wiederum eine Frage des Einzelfalls und rechtfertigt deswegen die Zulassung der Revision nicht.
Auch mit ihrer dritten Frage zeigt die Beschwerde keinen Revisionszulassungsgrund auf. Die Frage ist vielmehr auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens dahin zu beantworten, dass der Zeitpunkt der Inbetriebnahme für die Bemessung des Prognosezeitraums nur insofern Bedeutung hat, als die Prognose nicht auf einen Zustand begrenzt werden darf, der aller Voraussicht nach bereits vor der Inbetriebnahme endet.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses ankommt (BVerwG, Urteil vom 23. April 1997 – BVerwG 11 A 7.97 – Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 S. 35 f. m.w.N.). Für die rechtliche Beurteilung des der Lärmberechnung zugrunde liegenden Prognosehorizonts gilt nichts anderes (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 A 10.95 – a.a.O. S. 36). Aus dieser Sicht kann es darauf, ob die geplante Strecke möglicherweise erst nach dem Ende des Prognosezeitraums in Betrieb genommen wird, grundsätzlich nicht ankommen. Denn selbst bei Zugrundelegung einer Prognosefrist von 15 Jahren, wie sie im vorliegenden Fall nicht einmal von der Klägerin verlangt wird, wäre nicht auszuschließen, dass die Inbetriebnahme aufgrund eines Rechtsschutzverfahrens, der vollen Ausnutzung der maximal 10-jährigen Gültigkeitsdauer des Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 20 Abs. 4 AEG ab Unanfechtbarkeit und einer entsprechenden Bauzeit, die vor Ablauf dieser Frist beginnen muss, außerhalb des Prognosehorizonts liegt. Vielmehr ergibt sich bei späterer Inbetriebnahme eher die Möglichkeit, dass fehlgeschlagene Prognosen noch vor der Inbetriebnahme der Strecke erkannt werden und ihnen im Wege des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG angemessen begegnet werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 A 10.95 – a.a.O. S. 36).
Unsachgemäß wäre allerdings die Beschränkung auf einen Prognosehorizont, für den im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bereits verlässlich absehbar ist, dass das Vorhaben bei seinem Eintritt noch nicht fertiggestellt und in Betrieb genommen sein wird. Die Verkehrsprognose soll die Grundlage zur Bewältigung der Probleme schaffen, die durch den Betrieb der geplanten Strecke unter Lärmschutzaspekten aufgeworfen werden. Eine Prognose, von der von vornherein feststeht, dass ihr für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme keine Aussagekraft mehr zukommt, ist für diesen Zweck ungeeignet. Dem hat die Vorinstanz indessen durchaus Rechnung getragen. Das Berufungsurteil billigt zwar, dass sich der Planfeststellungsbeschluss an der auf das Jahr 2010 bezogenen Verkehrsprognose der Bundesverkehrswegeplanung orientiert hat, obgleich nach seinen Feststellungen bis dahin nicht mit der Realisierung des Vorhabens zu rechnen ist, misst dieser Prognose aber Aussagekraft auch für die Zeit danach zu. Nur so lassen sich seine Ausführungen verstehen, „dass im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses auch für eine über das Jahr 2010 hinausreichende Prognose für die Immissionsbeurteilung kein anderes ‚belastbares’ Betriebsprogramm als das zugrunde gelegte zur Verfügung gestanden hat” (S. 56 des Urteilsabdrucks) und – abgesehen von der Bypass-Problematik – die konkrete Möglichkeit einer stärkeren Verkehrsentwicklung in absehbarer Zeit nicht feststellbar sei (S. 57 des Urteilsabdrucks). Ob diese Einschätzungen des Gerichts zutreffen, ist erneut eine Frage des Einzelfalls und damit im Rahmen der Grundsatzrüge ohne Belang.
3. Die Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass beide Beschwerden erfolglos geblieben sind (vgl. § 154 Abs. 2 und 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel, Dr. Nolte
Fundstellen