Tenor
Das Ablehnungsgesuch des Klägers und des Beigeladenen gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und Dr. Bick wird zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Ablehnungsgesuch, über das gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO ohne die Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden ist, hat keinen Erfolg. Eine weitere Stellungnahmefrist war dem Kläger und dem Beigeladenen nicht einzuräumen; ebenso wenig bedurfte es einer vorherigen Ablehnung des dahingehenden Gesuches. Mit Verfügung vom 17. Juni 2015 ist ihnen – nachdem zuvor durch Verfügung vom 6. Mai 2015 Einsicht in die Akten unter Mitnahme in die Kanzleiräume und eine zweiwöchige Stellungnahmefrist gewährt worden war – die Frist zur abschließenden Stellungnahme zu den dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter bis zum 22. Juni 2015 verlängert worden. Diese Frist ist auch in Ansicht der Ausführungen der Beteiligten in den Schriftsätzen vom 19., 22. und 23. Juni 2015 ausreichend bemessen.
Rz. 2
Es kann dahinstehen, ob eine Richterablehnung bereits unzulässig ist, wenn sie nach Abschluss der Instanz im Rahmen einer Anhörungsrüge erfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. April 2011 – 3 B 13.11 – juris Rn. 2 m.w.N.). Auch kann zugunsten des Klägers und des Beigeladenen angenommen werden, dass ihr Ablehnungsgesuch nicht deshalb unzulässig ist, weil es die gesamte Richterbank erfasst. Dies ist ausnahmsweise zulässig, wenn die Befangenheit aus Anhaltspunkten in einer von der abgelehnten Richterbank getroffenen Kollegialentscheidung hergeleitet wird (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 8. März 2006 – 3 B 182.05 – juris Rn. 4).
Rz. 3
Der Ablehnungsantrag ist jedenfalls unbegründet. Der Kläger und der Beigeladene haben die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) nicht im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit setzt voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des betreffenden Richters zu rechtfertigen. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 – 1 BvR 182/09 – BVerfGK 15, 111 ≪114≫; BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 – 6 C 129.74 – BVerwGE 50, 36 ≪38 f.≫ und Beschluss vom 12. September 2012 – 2 AV 11.12 u.a. – juris Rn. 4 f., jeweils m.w.N.). Aus dem Vorbringen des Klägers und des Beigeladenen ergeben sich keine Anhaltspunkte, die Anlass zu derartiger Besorgnis geben könnten.
Rz. 4
Der Kläger und der Beigeladene machen im Wesentlichen geltend, in dem Beschluss des Senats über die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 11. März 2015 seien ihre Kernargumente nicht berücksichtigt und dadurch ihr Anspruch auf rechtliches Gehörs verletzt sowie der Wiedereinsetzungsantrag zu Unrecht abgelehnt worden. Außerdem sei ihnen eine sehr kurze Frist zur Stellungnahme zu einem Hinweis des Vorsitzenden gesetzt worden und der Senat habe bereits gut einen Tag nach Eingang seiner Stellungnahme vom 9. März 2015 entschieden. Dies vermittle den Eindruck einer unverständlichen Ergebnisorientierung und die Besorgnis der Befangenheit.
Rz. 5
Der Kläger und der Beigeladene machen damit Rechtsfehler der Entscheidung und der Verfahrensweise geltend. Diese ergeben, selbst wenn sie vorliegen sollten, grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund. Anderes kommt nur in Betracht, wenn die Rechts- oder Verfahrensverstöße auf einer offensichtlich sachwidrigen Entscheidung des Richters oder auf Willkür beruhen. Das gilt selbst für irrige Ansichten, solange sie nicht willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind und damit Anhaltspunkte dafür bieten, dass der Abgelehnte Argumenten nicht mehr zugänglich und damit nicht mehr unvoreingenommen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. Dezember 2009 – 4 BN 58.09 u.a. – juris Rn. 3; vom 7. April 2011 – 3 B 13.11 – juris Rn. 5 und vom 26. März 2015 – 4 BN 3.15 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dass sich in den Gründen des angefochtenen Beschlusses eine unsachliche, eine offensichtlich oder vielleicht sogar bewusst unrichtige oder irreführende oder gar eine von Willkür geprägte Einstellung der Richter andeutet (vgl. hierzu Meissner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand März 2015, § 54 Rn. 43), ist nicht erkennbar.
Rz. 6
Die Rüge, das Gericht habe „Kernaussagen” des Vortrages nicht berücksichtigt, ist offensichtlich nicht berechtigt. Der Senat hat sich in seinem Beschluss vom 11. März 2015 mit der Rüge, die Rechtsmittelbelehrung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs sei fehlerhaft gewesen, auseinander gesetzt. Er hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die vom Gesetzeswortlaut abweichende Formulierung in der Rechtsmittelbelehrung nicht geeignet gewesen sei, einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen der Nichtzulassungsbeschwerde als des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen oder den Kläger und den Beigeladenen gar davon abzuhalten, diesen Rechtsbehelf rechtzeitig und in der richtigen Form einzulegen; dies gelte selbst dann, wenn unterstellt werde, das Berufungsurteil weise unter dem einen oder anderen Gesichtspunkt einen Begründungsmangel auf. Soweit der Kläger und der Beigeladene rügen, diese Aussage stehe im Gegensatz zu anderen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sie in der Beschwerdebegründung hingewiesen hätten, ist dies nicht geeignet, das Befangenheitsgesuch zu stützen. Es trifft schon nicht zu, dass es nach der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesverwaltungsgerichts nur auf die objektive Fehlerhaftigkeit einer Rechtsmittelbelehrung und nicht auf die Eignung des Fehlers zur Erregung eines Irrtums ankommt. So hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 14. Februar 2000 – 7 B 200.99 – (Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 77 = juris Rn. 3) eine irreführende Rechtsbehelfsbelehrung gleichfalls nur dann bejaht, „wenn sie den Adressaten davon abhalten kann, das Rechtsmittel überhaupt, rechtzeitig oder formgerecht einzulegen”. Der Senat hat sich im Beschluss vom 11. März 2015 auch mit der Frage auseinander gesetzt, welche Anforderungen an eine vollständige Urteilsausfertigung im Sinne des § 133 VwGO zu stellen sind. Auch insoweit erschöpft sich das Vorbringen des Klägers und des Beigeladenen darin, diese Auffassung als fehlerhaft zu rügen.
Rz. 7
Dies gilt auch insoweit, als sich der Kläger und der Beigeladene gegen die Ablehnung ihres Wiedereinsetzungsantrags wenden. Das Gericht hat sich mit ihrem Vorbringen auseinander gesetzt, hierin jedoch keinen Wiedereinsetzungsgrund gesehen. Dies vermag eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen.
Rz. 8
Ein Ablehnungsgrund folgt ferner nicht aus der mit Schriftsatz vom 15. Juni 2015 erhobenen Rüge, der Nichtabhilfebeschluss des Berufungsgerichts hätte wegen offenkundiger Verletzung des Grundrechts des Klägers und des Beigeladenen auf den gesetzlichen Richter aufgehoben werden müssen. Selbst wenn unterstellt wird, das Berufungsgericht habe zu Unrecht das Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen, folgt daraus, dass der Senat auf diesen – unterstellten – Verfahrensmangel in seiner Entscheidung vom 11. März 2015 nicht eingegangen ist, kein Anlass an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Denn der Senat konnte und durfte nur die das Berufungsurteil betreffenden und mit der Nichtzulassungsbeschwerde bezeichneten Verfahrensfehler berücksichtigen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Im Übrigen wäre angesichts der verschuldeten Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist auch bei einer rechtzeitig erhobenen und begründeten Verfahrensrüge eine andere Entscheidung in der Sache nicht möglich gewesen. Nur ergänzend ist anzufügen, dass die Auffassung des Berufungsgerichts, das Ablehnungsgesuch sei unzulässig gewesen, angesichts der vorangegangenen und in der Sache beschiedenen Ablehnungsgesuche nicht erkennbar unhaltbar war.
Rz. 9
Die Verfahrensweise des Senats erweist sich ebenfalls nicht als willkürlich oder sachlich unhaltbar. Mit Schreiben des Vorsitzenden vom 26. Februar 2015 haben der Kläger und der Beigeladene Gelegenheit erhalten, die Nichtzulassungsbeschwerde wegen Versäumung der Begründungsfrist innerhalb einer Woche zurückzunehmen. Hierauf haben der Kläger und der Beigeladene mit Schreiben vom 9. März 2015 reagiert und ihre Auffassung dargetan, dass die Rechtsmittelfrist wegen der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu laufen begonnen habe. Dass der Senat daraufhin am 11. März 2015 die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen hat, lässt nicht den Schluss zu, er sei voreingenommen gewesen. Denn der Senat hat – wie dargelegt – den Sachvortrag des Klägers und des Beigeladenen zur Kenntnis genommen und ihr Vorbringen in dem Beschluss gewürdigt. Ebenso wenig ergibt sich ein Anhaltspunkt für eine Befangenheit daraus, dass der Senat über das Ersuchen um eine verlängerte Äußerungsfrist im Schriftsatz vom 9. März 2015 nicht vorab entschieden hat. Zwar ist ein Gericht regelmäßig verpflichtet, über ein solches Ersuchen vor der Entscheidung in der Sache zu befinden und dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, darauf zu reagieren. Wird jedoch – wie vorliegend – ein Verlängerungsantrag ohne Begründung gestellt, kann hierauf verzichtet werden (BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2010 – 8 B 10.10 – Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 90 Rn. 11 f.).
Unterschriften
Prof. Dr. Korbmacher, Petz, Steinkühler
Fundstellen