Tenor
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesministeriums des Innern vom 18. April 2008 wird abgelehnt.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird verworfen.
Der Antrag des Antragstellers, ihm für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 16 500 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 18. April 2008 fest, dass der Antragsteller sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurden die Bildung von Ersatzorganisationen und die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen sowie die Verwendung von Kennzeichen für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots verboten und das Vermögen des Antragstellers beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnung wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt. Das Vereinsverbot wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Zweck und Tätigkeiten des Antragstellers würden den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Der satzungsmäßige Vereinszweck “Bildungsarbeit” bestehe tatsächlich in der nach § 130 Abs. 3 und 5 StGB strafbaren Verbreitung revisionistischer, den Holocaust leugnender Propaganda. Die insoweit von der Vorsitzenden und anderen Mitgliedern des Antragstellers durch Veröffentlichung von Beiträgen in der Vereinszeitschrift “Lebensschutz-Informationen – LSI” begangenen Straftaten seien dem Verein zuzurechnen und prägend für seinen Charakter. Darüber hinaus richte der Antragsteller sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung.
Der Antragsteller hat Anfechtungsklage erhoben. Zudem begehrt er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage, “hilfsweise” den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dass von der Beschlagnahme des Vereinsvermögens der zur Deckung der Kosten des vorliegenden Verfahrens erforderliche Betrag ausgenommen wird, sowie “weiter hilfsweise” die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Voraussetzungen für ein Vereinsverbot seien nicht erfüllt. Er richte sich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Der Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit sei ebenfalls nicht erfüllt. Den wegen Volksverhetzung strafgerichtlich verurteilten Vereinsmitgliedern gehe es nicht um die Leugnung oder Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen, sondern um eine aus ihrer Sicht notwendige Richtigstellung historischer Tatsachen.
Die Antragsgegnerin tritt dem Begehren entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II
1. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung ist in formeller (a) und materieller (b) Hinsicht nicht zu beanstanden.
a) Die Antragsgegnerin hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung schriftlich hinreichend begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Sie hat zum einen auf das besondere Gewicht der bei einer zu erwartenden Fortsetzung der Vereinstätigkeit bedrohten Rechtsgüter abgestellt. Zum anderen hat sie auf die Gefahr verwiesen, dass Vermögensgegenstände, nicht veröffentlichte Unterlagen, Propagandamaterial und dergleichen, die Grundlage der Vereinstätigkeit seien, beiseite geschafft und später zur Fortsetzung derselben verfassungswidrigen Tätigkeit verwendet werden würden. Die verfassungswidrigen Zwecke der Vereinstätigkeit werden in der Verfügung umfassend dargelegt. Damit ist dem formellen Begründungserfordernis genügt.
b) Der Antrag hat auch in der Sache keinen Erfolg, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt. Dies folgt insbesondere daraus, dass die Klage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 21. April 1995 – BVerwG 1 VR 9.94 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 41 und vom 10. Januar 2003 – BVerwG 6 VR 13.02 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61). Nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand spricht Überwiegendes dafür, dass die Verbotsverfügung in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) – VereinsG – vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG ihre rechtliche Grundlage findet und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) Einer Anhörung des Antragstellers vor Erlass der Verfügung im Sinne von § 28 Abs. 1 VwVfG bedurfte es nicht. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Es genügt, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte (vgl. Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 61). Das war hier der Fall. Die Antragsgegnerin hat nach ihren Ausführungen in der Verbotsverfügung von einer Anhörung des Antragstellers deshalb abgesehen, um ihm im Hinblick auf den mit einer Anhörung verbundenen “Ankündigungseffekt” keine Gelegenheit zu bieten, seine Infrastruktur und sein Vermögen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Diese Befürchtung ist nach den Umständen nicht zu beanstanden. Das Bestreben, der Verbotsverfügung auf diese Weise größtmögliche Wirksamkeit zu geben, rechtfertigt danach ein Absehen von der Anhörung. Dem steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass das Verbot des Antragstellers vor Erlass der streitigen Verfügung Gegenstand der öffentlichen Erörterung war (vgl. BTDrucks 16/8214, 16/8497 und 16/9230). Diese hatte nicht den gleichen “Ankündigungseffekt” wie die Anhörung im Rahmen eines konkreten Verwaltungsverfahrens.
bb) Die angefochtene Verbotsverfügung erweist sich bei summarischer Prüfung auch in der Sache als rechtmäßig.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG ist ein Verein u.a. dann verboten, wenn seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Dabei ist nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 VereinsG ein Verein ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Dass der Antragsteller diese Begriffsmerkmale erfüllt, ist unstreitig und bedarf keiner näheren Darlegung. Nach vorläufiger Würdigung geht die Antragsgegnerin auch zu Recht davon aus, dass der Zweck und die Tätigkeit des Antragstellers den Strafgesetzen zuwiderlaufen.
Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder. Denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestands nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebenso wenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt (vgl. zum Vorstehenden Urteil vom 18. Oktober 1988 – BVerwG 1 A 89.83 – BVerwGE 80, 299 ≪306 f.≫ = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 13 S. 23). Danach ist die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung auch anzunehmen, wenn strafbares Verhalten von Mitgliedern der Vereinigung dieser zuzurechnen ist und erkennbar Ausdruck des Selbstverständnisses des Vereins ist. Gemessen an den vorstehenden Kriterien laufen der Zweck und die Tätigkeit des Antragstellers den Strafgesetzen zuwider.
(1) Die Strafrechtswidrigkeit ergibt sich allerdings nicht schon aus der Satzung des Antragstellers. Nach § 2 der Satzung ist der Antragsteller “eine Einrichtung des freien Geisteslebens mit dem Schwerpunkt der Bildung im umfassenden Sinn”. Der Antragsteller “möchte sich mit seiner Bildungsarbeit als Orientierungshilfe insbesondere an junge Menschen wenden”. Dieser Zielsetzung ist eine Strafrechtswidrigkeit nicht zu entnehmen. Die Ziele einer Vereinigung lassen sich aber in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (vgl. Urteil vom 13. April 1999 – BVerwG 1 A 3.94 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 4 m.w.N.). Deshalb ist dem Umstand, dass die Satzung keinen Hinweis auf eine Strafrechtswidrigkeit enthält, im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung beizumessen.
(2) Der Charakter des Antragstellers ist jedoch nach dem vom Antragsgegner ermittelten Sachverhalt durch die strafbare Leugnung oder Verharmlosung der systematischen Ermordung Millionen von Juden unter der nationalsozialistischen Herrschaft geprägt. Die entsprechenden von Mitgliedern begangenen Straftaten sind ersichtlich Ausdruck des Selbstverständnisses des Antragstellers.
(a) Mehrere Mitglieder des Antragstellers sind wegen Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch Urteil des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 18. Juni 2004 wurden die Vorsitzende des Antragstellers U… H…-W… und das Mitglied des Antragstellers E…-O… C… rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt. Die Verurteilung beruhte darauf, dass die Angeklagten sich der Volksverhetzung in zwei Fällen dadurch schuldig gemacht haben, dass sie Schriften verbreitet bzw. zum Zwecke ihrer Verbreitung hergestellt haben, durch deren Inhalt die Vernichtung der Juden unter dem Nationalsozialismus in einer gegen § 130 Abs. 3 StGB verstoßenden Weise geleugnet wurde. Gegenstand der Verurteilung waren zwei von der Vorsitzenden des Antragstellers verfasste und in den Nummern 5/2003 und 6/2003 der Zeitschrift “Lebensschutz-Informationen – LSI – Stimme des Gewissens” (LSI) erschienen Artikel. Die Zeitschrift wird – wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen – von dem Antragsteller herausgegeben. E…-O… C… war zum damaligen Zeitpunkt Schriftleiter der Zeitschrift. In den zur Grundlage der Verurteilungen gemachten Artikeln legte die Vorsitzende des Antragstellers u.a. dar: “Den staatlicherseits wissenschaftlich vorgeplanten Holocaust wie bisher behauptet gab es nicht”. Mit Blick auf die gegen Juden gerichteten Pogrome am 9. und 10. November 1938 führte sie aus: “Es war der Beginn der großen Lüge, die endgültig zu Fall zu bringen Anliegen unseres Vereins sein wird: Der Ausschwitz-Lüge …”. In dem Urteil wird überzeugend aufgezeigt, dass die Ausführungen in den in Rede stehenden Artikeln in Verbindung mit den Einlassungen der Angeklagten anlässlich der Hauptverhandlung nur dahin ausgelegt werden können, dass der Holocaust an sich geleugnet werden soll.
Das Landgericht Dortmund verurteilte die Vorsitzende des Antragstellers mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Juni 2007 wegen Volksverhetzung im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB. Der Verurteilung lag ein von der Vorsitzenden verfasster Artikel in der Nummer 6/2005 der LSI zugrunde, in dem u.a. die Wendung “geglaubter Holocaust” verwendet wird. Das Landgericht weist in der Urteilsbegründung nach, dass diese Formulierung im Zusammenhang mit anderen Textpassagen und der Einlassung der Angeklagten nur die Deutung zulässt, dass die Angeklagte den während des Nationalsozialismus verübten Genozid an den europäischen Juden geleugnet hat.
Das Vereinsmitglied K… K…, der in den LSI Nr. 6/2003 von der “Behauptung, dass wir Deutschen in Auschwitz 4 Millionen Juden durch das Giftgas Zyklon B… ermordet hätten”, als einer “talmudischen Lüge” und einer “Lüge, die den Seelenmord am deutschen Volk seit nunmehr fast sechzig Jahren ermöglicht hat” gesprochen hatte, wurde durch Urteil des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 11. Januar 2005 rechtskräftig wegen Volksverhetzung im Sinne von § 130 Abs. 3 StGB verurteilt. Das Gericht ist davon ausgegangen, dass durch diese Äußerungen des Angeklagten der Holocaust zumindest verharmlost werden sollte, indem das wahre Gewicht der an den Juden begangenen Verbrechen verschleiert werden sollte.
Soweit der Antragsteller einwendet, seine Mitglieder hätten geglaubt, ihre Äußerungen bewegten sich im Bereich des Legalen und die Begehung von Straftaten sei nicht “intendiert” oder beabsichtigt gewesen, kann er damit schon deshalb nicht gehört werden, weil die Strafgerichte das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit festgestellt haben. Auch der Vortrag des Antragstellers, dass sich seine Mitglieder in den fraglichen Artikeln auf Publikationen anderer Autoren bezogen hätten, die strafrechtlich nicht belangt worden seien, stellt die Strafbarkeit ihres Handelns nicht in Frage.
(b) Die strafbaren Handlungen der Vereinsmitglieder sind dem Antragsteller zuzurechnen und prägen seinen Charakter.
(aa) Dass die aufgezeigten strafrechtlichen Verfehlungen nicht nur Ausdruck individuellen Fehlverhaltens waren, sondern dem Antragsteller zuzurechnen sind, folgt bereits aus dem Umstand, dass die den Strafurteilen zugrunde liegenden Äußerungen in der von dem Antragsteller herausgegebenen Vereinszeitschrift veröffentlicht wurden. Der Antragsteller hat die strafgesetzwidrige Tätigkeit seiner Mitglieder nicht nur ermöglicht. Ihm ist auch der Inhalt der Äußerungen, also die Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust, zuzurechnen. Wird eine Publikation – wie hier – im Auftrag der Vereinsleitung herausgegeben, so sind die dort erschienenen Artikel in aller Regel der Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn es sich – wie beispielsweise bei Leserbriefen – um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (vgl. Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43 und Urteil vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f.). Bei den Beiträgen, die den strafrechtlichen Verurteilungen der Mitglieder des Antragstellers zugrunde liegen, handelt es sich weder um individuelle Meinungsäußerungen in diesem Sinne, noch hat der Antragsteller sich von ihrem Inhalt distanziert. Der im Impressum der LSI enthaltene pauschale Vermerk “Jeder Autor zeichnet für seinen Beitrag selbst verantwortlich. In einem demokratisch verfassten, eingetragenen Verein gibt es keinen Zensor” lässt die Zurechnung nicht entfallen.
Mit Blick auf die Zurechnung der bestraften Äußerungen zum Antragsteller ist auch von besonderem Gewicht, dass zwei Straftaten von herausgehobenen Mitgliedern des Antragstellers begangen worden. Die wiederholt straffällige U… H…-W… ist seit vielen Jahren Vorsitzende des Antragstellers und nimmt in der Vereinsorganisation und Vereinsarbeit eine herausragende Position ein. Dem Schriftleiter der Vereinszeitschrift, die für das Selbstverständnis und die Außendarstellung des Antragstellers zentrale Bedeutung hat, kommt eine maßgebliche Rolle im Verein zu.
Schließlich ist im vorliegenden Zusammenhang von erheblicher Bedeutung, dass die Vorsitzende des Antragstellers in einer der Verurteilung vom 18. Juni 2004 zugrunde liegenden Äußerungen es ausdrücklich als Anliegen des Antragstellers bezeichnet hat, der “Auschwitz-Lüge” den Boden zu entziehen.
(bb) Die Äußerungen, die zu den strafrechtlichen Verurteilungen der Mitglieder des Antragstellers geführt haben, fügten sich ein in das Selbstverständnis des Antragstellers, wie es in zahlreichen anderen ihm zuzurechnenden Beiträgen in der Vereinszeitschrift seinen Ausdruck findet. Die Leugnung und Verharmlosung der massenhaften Vernichtung der Juden unter dem nationalsozialistischen Regime nimmt in der Publikation breiten Raum ein, so dass sich aufdrängt, dass das dargestellte strafbare Verhalten den Charakter des Antragstellers prägt.
So wird in den LSI Nr. 4/2004 die “Einlassung” der Vorsitzenden des Antragstellers vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen abgedruckt, in der sie es als Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen darstellt, dass es “keine Vergasungen in Auschwitz” gegeben habe, und zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der “Holocaust … mit seinen Millionenvergasungen in Auschwitz … nicht mehr aufrecht zu halten” sei. In derselben Ausgabe der LSI heißt es, die Verurteilung vom 18. Juni 2004 beruhe auf einer Vorschrift, die nicht “mit der gewandelten Informationslage übereinstimmt”. An anderer Stelle werden die wegen Volksverhetzung angeklagten Vereinsmitglieder als “Gedankenkrieger für die Wahrheit” gewürdigt und ist von der “Holocaustreligion” die Rede. In den LSI Nr. 4/2006 wird die “Einlassung” der Vorsitzenden des Antragstellers vor dem Landgericht Bielefeld wiedergegeben, in der sie ausführt, es sei ihr unmöglich, den Holocaust zu leugnen,
“da ich auf Grund des gegenwärtigen Forschungsstandes erkennen muss, dass ein Holocaust als planmäßig durchgeführter Völkermord wissenschaftlich umstritten und unbewiesen ist … Forensische Beweise für den Holocaust gibt es nicht … Es gibt lediglich Zeugenaussagen, die sich aber alle auf die nicht aufrecht zu erhaltenden Gaskammern beziehen, also Erfindungen oder Lügen sind … In einem solchen Fall lässt sich nur beweisen, dass der Holocaust nicht stattgefunden hat. Und genau dieses haben seriöse Historiker und Forscher … getan.”
In ihrem ebenfalls in den LSI Nr. 4/2006 veröffentlichten “Schlusswort” vor dem Landgericht Bielefeld werden die “Leidensberichte” von Holocaust-Überlebenden deren “blühende(r) Phantasie” zugeschrieben. In den LSI Nr. 1/2007 behauptet die Vorsitzende des Antragstellers, die “Vergasung von 4 Millionen Juden in Auschwitz durch die Deutschen” sei “keine Tatsache”, und “die Nichttatsache der Millionenvergasung” bedürfe “ – da offenkundig – … keines Beweises.” In einem von ihr verfassten Rollenspiel lässt sie eine in erkennbar ironischer Absicht “Amalia Hinterwäldlerin” genannte Figur beteuern (LSI Nr. 1/2006):
“Aber ich habe doch gar nichts geleugnet. Es heißt in diesem Paragraphen, es ist strafbar, von den Nationalsozialisten begangene Straftaten zu leugnen … Ich bin aber der Ansicht, dass diese Straftat Holocaust von den Nationalsozialisten gar nicht begangen worden ist.”
Abhandlungen anderer Autoren in den LSI weisen in dieselbe Richtung. So werden in dem Artikel “Die Gedenkbücher (1. und 2. Auflage) der Bundesregierung über die Opfer der Judenverfolgung im Deutschen Reich von 1933 – 1945” in den LSI Nr. 5/2007 die nationalsozialistischen Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung mit den Worten in Abrede gestellt:
“Berücksichtigt man all diese Faktoren, dann dürften in den Jahren 1933 bis 1945 nur wenige Juden über die natürliche Todeszahl von 128.619 hinaus ihr Leben verloren haben … Es verschweigt die Rückführungen kurz vor Kriegsende und auch die von den deutschen Behörden bis Kriegsende auf jede denkbare Weise geförderte Auswanderung sowie die Flucht von Juden … Nach den in den Gedenkbüchern veröffentlichten Zahlen kann es keine systematische Vernichtung der deutschen Juden gegeben haben.”
Bei einer Würdigung aller aufgezeigten Umstände in ihrer Gesamtheit ergibt sich, dass die durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit den Charakter des Antragstellers prägt. Die verhältnismäßig geringe Zahl der gegen seine Mitglieder ergangenen Verurteilungen steht dem nicht entgegen. Die Fülle der dem Thema der Holocaustleugnung und -verharmlosung in der Vereinszeitschrift gewidmeten Artikel und der breite Raum, der darin der Berichterstattung über die Strafprozesse gegen seine Mitglieder eingeräumt wird, belegen die Identifizierung des Antragstellers mit den zitierten Äußerungen seiner Mitglieder. Dies kommt in besonderer Weise auch dadurch zum Ausdruck, dass die bestraften Äußerungen auch von der Vereinsvorsitzenden stammen. Ist der Verbotstatbestand der Strafgesetzwidrigkeit demnach erfüllt, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Antragsteller – wie in der angefochtenen Verfügung wohl zu Recht angenommen wird – eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist und sich daher auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.
(3) Die Verbotsverfügung weist nach summarischer Prüfung auch sonst keine rechtlichen Mängel auf. Insbesondere wahrt sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die weiteren in der Verfügung getroffenen und mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Regelungen (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Die Klage des Antragstellers wird auch insoweit voraussichtlich keinen Erfolg haben.
cc) Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist auch nicht aufgrund einer weiteren Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten geboten. Die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung für den Antragsteller verbundene Beschränkung, seine Vereinstätigkeit bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht fortsetzen zu dürfen, hat besonderes Gewicht. Diesem Nachteil stehen die Gefahren gegenüber, die für die Allgemeinheit bei Fortsetzung der Vereinstätigkeit bestehen, wenn sich im gerichtlichen Hauptsacheverfahren die in der Verbotsverfügung getroffene Einschätzung als zutreffend erweist, dass der Antragsteller nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft. Diese Gefahren sind höher zu gewichten als die für den Antragsteller mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung einhergehenden Belastungen. Sie rechtfertigen auch die Annahme der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung der Verfügung.
2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO mit dem Inhalt, dass von der Beschlagnahme des Vereinsvermögens der zur Deckung der Verfahrenskosten erforderliche Betrag ausgenommen wird, ist unzulässig, weil dem Antragsteller insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Die Beschlagnahme und die (nicht für sofort vollziehbar erklärte) Einziehung seines Vereinsvermögens hindern den Antragsteller nicht daran, aus diesem Vermögen die Kosten der Prozessführung aufzubringen (vgl. Beschlüsse vom 27. März 2003 – BVerwG 6 PKH 8.02 ≪6 A 10.02/6 VR 10.02≫ – BA S. 2 und vom 1. August 2005 – BVerwG 6 PKH 3.05 ≪6 A 1.05≫ – BA S. 2). Das beschlagnahmte und eingezogene Vermögen ist Gegenstand der Abwicklung nach § 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 13 VereinsG. Die dem Verein nach dem Verbot durch die Inanspruchnahme von Rechtsbehelfen entstandenen Prozesskosten gelten für den Fall eines Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten (§ 13 Abs. 3 Satz 3 VereinsG), die gemäß § 53 InsO aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen sind. Der Antragsteller kann zudem bereits vor einer endgültigen Vermögensfeststellung, die erst im Rahmen der Abwicklung erfolgt, verlangen, dass ihm die zur Rechtsverfolgung, namentlich für einen seinem Prozessbevollmächtigten zustehenden Vorschuss (§ 9 RVG), erforderlichen Beträge zur Verfügung gestellt werden. Dies folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 VereinsG, demzufolge die Befriedigung von Gläubigern, die im Falle des Insolvenzverfahrens Insolvenzgläubiger wären (§ 38 InsO), soweit nicht eine Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt (vgl. § 16 VereinsG-DVO), erst zulässig ist, wenn die Verwertung des eingezogenen Vermögens eine zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichende bare Masse ergeben hat. Die Beschränkungen, denen die vorzeitige Befriedigung von Insolvenzverbindlichkeiten unterliegt, gelten, wie ein Umkehrschluss ergibt, nicht für Masseverbindlichkeiten (vgl. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 13 Rn. 4, für die frühere, auf die Konkursordnung bezogene, insoweit aber vergleichbare Fassung). Umstände, die es dem Antragsteller unmöglich machen könnten, auf das beschlagnahmte Vermögen zur prozessualen Wahrung seiner Rechte zurückzugreifen, sind nicht ersichtlich. Auch der Antragsteller hat nicht geltend gemacht, dass ihm die Antragsgegnerin insoweit den Zugriff auf das beschlagnahmte Vermögen verwehren würde.
3. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung eines Rechtsanwalts ist jedenfalls mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen, weil das Begehren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aus den vorstehenden Gründen keinen Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Vormeier
Fundstellen