Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 15.07.2008; Aktenzeichen 3 S 2753/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob sich die Rechtmäßigkeit der Begründung eines mit einem Verfahrensfehler behafteten Bebauungsplans, dessen Verfahrensfehler zulässigerweise im ergänzenden Verfahren geheilt wird, nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des ergänzenden Verfahrens richtet, wenn der Bebauungsplan nach § 214 Abs. 4 BauGB rückwirkend auf den Zeitpunkt des Abschlusses des ursprünglichen Aufstellungsverfahrens mit unverändertem Inhalt in Kraft gesetzt wird. Diese Frage bedarf im Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten.
Der rechtliche Ausgangspunkt, an den die Frage anknüpft, ist § 244 BauGB. Soweit hier von Interesse, bestimmt dessen Absatz 1, dass Verfahren, die nach dem 20. Juli 2006 abgeschlossen werden, nach den Vorschriften dieses Gesetzes, d.h. nach den Vorschriften des BauGB in der ab dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung, zu Ende geführt werden. Abweichend davon finden auf Bebauungsplanverfahren, die in der Zeit vom 14. März 1999 bis zum 20. Juli 2004 förmlich eingeleitet worden sind und die vor dem 20. Juli 2006 abgeschlossen werden, die Vorschriften des BauGB in der vor dem 20. Juli 2004 geltenden Fassung weiterhin Anwendung (§ 244 Abs. 2 BauGB). Abgeschlossen ist das Verfahren, wenn die Gemeinde einen Bebauungsplan als Satzung beschlossen und ihn gemäß § 10 Abs. 3 BauGB bekannt gemacht hat. Der Zeitpunkt der erstmaligen Bekanntmachung ist auch dann maßgebend, wenn der Plan zur Behebung eines Ausfertigungsmangels zu einem späteren Zeitpunkt durch ein ergänzendes Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB) mit unverändertem Inhalt erneut bekannt gemacht wird (Beschluss vom 1. August 2007 – BVerwG 4 BN 32.07 – NVwZ 2007, 1310). Wird dagegen ein ergänzendes Verfahren durchgeführt, in dem das ursprüngliche Verfahren in das Stadium vor dem Satzungsbeschluss zurückversetzt wird, und endet es mit einem neuen Satzungsbeschluss, ist das Verfahren jedenfalls dann erst mit der Bekanntmachung dieses Satzungsbeschlusses abgeschlossen, wenn das zuständige Gemeindeorgan in eine erneute Abwägungsentscheidung eingetreten ist, und ist nunmehr der Zeitpunkt der zweiten Abwägungsentscheidung der gesetzliche im Sinne des § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB (vgl. Beschluss vom 3. Juli 1995 – BVerwG 4 NB 11.95 – BRS 57 Nr. 29 ≪S. 92≫). Dies hat der Verwaltungsgerichtshof überzeugend dargelegt (UA S. 16 bis 18).
Die Ermächtigung in § 214 Abs. 4 BauGB, den Bebauungsplan in einem ergänzenden Verfahren auch rückwirkend in Kraft zu setzen, hat keinen Einfluss auf die Frage, wann ein Verfahren im Sinne des § 244 Abs. 1, 2 BauGB abgeschlossen ist. Wird von § 214 Abs. 4 BauGB Gebrauch gemacht, so wird nicht der Abschluss des Verfahrens auf den Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens des Bebauungsplans zurückverlegt; zurückverlegt werden die Rechtsfolgen eines später abgeschlossenen Planaufstellungsverfahrens.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen einer Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen. Die dafür notwendige Divergenz in entscheidungstragenden Rechtssätzen liegt nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof ist von dem Rechtssatz ausgegangen, dass für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der erneuten Beschlussfassung maßgeblich ist, wenn Gegenstand des ergänzenden Verfahrens (§ 214 Abs. 4 BauGB) eine neue Offenlage und ein neuer Satzungsbeschluss mit neuer Abwägung war. Ein gegenläufiger Rechtssatz des Inhalts, dass für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der ursprünglichen Beschlussfassung auch dann maßgeblich ist, wenn Gegenstand des ergänzenden Verfahrens eine neue Offenlage und ein neuer Satzungsbeschluss mit neuer Abwägung war, ist in den von der Beschwerde zitierten Entscheidungen des Senats vom 10. August 2000 – BVerwG 4 CN 2.99 – (BRS 63 Nr. 42), vom 25. Februar 1997 – BVerwG 4 NB 40.96 – (BRS 59 Nr. 31) und vom 5. Dezember 1986 – BVerwG 4 C 31.85 – (BVerwGE 75, 262) nicht aufgestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Gatz, Petz
Fundstellen
Haufe-Index 2117155 |
BauR 2009, 780 |
ZfBR 2009, 273 |