Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 26.08.2002; Aktenzeichen 9 K 2672/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 26. August 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 99 446 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Gründe führen nicht zur Zulassung der Revision.
1. Die Beschwerde misst der Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in zweierlei Hinsicht bei:
a) Zum einen wirft sie die Frage auf,
ob ein besatzungsrechtlicher Rückgabewille in Form eines Rückgabebescheides einer Landesregierung nur dann wirksam und den Zurechnungszusammenhang zum Willen der SMAD unterbrechen kann, wenn der Bescheid dem Empfänger zugegangen ist,
bzw. ob ein auf Grundlage einer Härtefallliste nach § 2 Abs. 2 der 3. Richtlinie zum SMAD-Befehl Nr. 64 ergangener Rückgabebescheid nur dann den Zurechnungszusammenhang zum Willen der sowjetischen Besatzungsmacht unterbricht, wenn der Bescheid dem Empfänger zugegangen ist.
Insoweit besteht kein Klärungsbedarf.
Nach der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konnte zwar der Wille der Besatzungsmacht, etwa eine Bodenreformenteignung rückgängig zu machen, den besatzungshoheitlichen Charakter der Enteignung beseitigen, doch setzte dies nicht nur einen entsprechenden Rückgabewillen, sondern auch die Beseitigung der Enteignung durch einen tatsächlichen Rechtsakt, ein korrigierendes Tätigwerden, voraus (Urteile vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 22.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 121 und vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 50.95 – BVerwGE 104, 84 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 104). Die nach außen erkennbare Willensäußerung, die mit der Hilfe eines Bescheides erfolgen sollte, wurde nicht bewirkt, wenn der Bescheid weder in den Machtbereich des Adressaten gelangt, sondern zuvor steckengeblieben war, noch sein Inhalt dem Adressaten verlässlich zur Kenntnis gekommen ist. Eine auf besatzungshoheitlicher Grundlage gestützte konkrete Enteignungsmaßnahme kann nicht im Verborgenen aufgehoben sein. Eine Rückgabeentscheidung stellt insofern einen „actus contrarius” dar und verlangt daher – wie die Enteignung selbst –, dass sie in der Rechtswirklichkeit greifbar Ausdruck gefunden hat.
b) Zum anderen wirft die Beschwerde die Frage auf,
ob die Aufnahme in die Rückgabeliste der Härtefälle nach § 2 Abs. 2 der Richtlinie Nr. 3 SMAD-Befehl Nr. 64 und ein zur Besatzungszeit auf dieser Grundlage ergangener Rückgabebescheid der Landesregierung auch dann den Zurechnungszusammenhang zur Besatzungsmacht unterbricht, wenn eine Enteignung bereits vollzogen war.
Auch diese Fragestellung kann kein Revisionsverfahren eröffnen.
Ein Rückgabebescheid, der seine Regelungskraft nicht entfaltet hat, konnte bereits den Zurechnungszusammenhang nicht unterbrechen. Außerdem bleibt es nach dem Urteil vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 50.95 – (a.a.O.) bei der den Zurechungszusammenhang begründenden Verantwortlichkeit der Besatzungsmacht, solange diese in dem betreffenden Einzelfall nicht aufgrund ihrer obersten Hoheitsgewalt ausdrücklich missbilligend und korrigierend tätig wurde. Die Beschwerde, die sich mit dieser Entscheidung nicht auseinandersetzt, hat insofern keine darüber hinausgehende allgemeine und bislang ungeklärte Rechtsfrage zur Anwendung vom § 1 Abs. 8 a VermG angesprochen.
2. Die geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.
Die Beschwerde meint, das angefochtene Urteil weiche von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. April 1997 – BVerwG 7 C 15.96 – (BVerwGE 104, 279 = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 26) und vom 3. Juni 1999 – BVerwG 7 C 35.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 4) ab, soweit es den besatzungshoheitlichen Zurechnungszusammenhang nur dann als unterbrochen ansehe, wenn der Rückgagebescheid nach außen wirksam geworden sei. Eine Abweichung liegt jedoch nicht vor. Die benannten Divergenzentscheidungen betreffen keine zuvor erfolgte konkret vollzogene Enteignungsmaßnahme, sondern den erstmaligen Zugriff auf den Vermögenswert, der gegen ein ausgesprochenes Enteignungsverbot erfolgte. Dass es in diesen Fällen zur Wirksamkeit des Enteignungsverbots genügte, wenn der Wille der Besatzungsmacht den die Enteignung betreibenden deutschen Stellen zur Kenntnis gebracht war, liegt auf der Hand.
3. Auch die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) verfangen nicht.
a) Die Aufklärungsrüge hinsichtlich der Zugangsfrage überzeugt nicht. Die in Betracht gezogenen Nachforschungen in Archiven, um Aufschluss darüber zu gewinnen, ob Korrespondenzen geführt worden seien, ist zu unbestimmt. Nach ihren eigenen Angaben hatte die Klägerseite bereits selbst Einsicht in die Archive genommen, und der Widerspruchsbescheid weist darauf hin, dass der Sachverhalt nicht weiter aufklärbar sei, weil die Altakten keine anderen Unterlagen enthielten. Nach einem handschriftlichen Vermerk vom 11. November 1949 sei die Rückgabe-Urkunde zurückgegeben worden, da bereits auf den selben Fritz E. eine Enteignung ausgesprochen und zur Erledigung gebracht worden sei. Bei diesem Sachstand hat sich eine Nachforschung im Ungewissen nicht aufgedrängt.
b) Der Vorhalt der Beschwerde, das Verwaltungsgericht hätte Grundakten beiziehen müssen, ist unberechtigt. Der Beiziehung der Grundakten zur Klärung der Wiedereintragung in das Grundbuch bedurfte es nicht. Dem vorliegenden Grundbuchauszug konnte das Verwaltungsgericht ohne weiteres entnehmen, dass diese Grundbuchumschreibung nicht dem Vollzug einer Rückenteignung, sondern der Korrektur einer zuvor erfolgten fehlerhaften Grundbucheintragung diente. Im Übrigen hatte die Klägerseite Einsicht in diese Grundakten genommen und Auszüge in der mündlichen Verhandlung vorgelegt.
c) Die Rüge der Beschwerde mit dem Inhalt, nicht den weiteren Klägern Gelegenheit gegeben zu haben, sich dazu zu äußern, ob möglicherweise ihrer Erinnerung nach der Vater über einen Rückgabebescheid berichtet habe, greift nicht durch. Die anwaltlich im Termin zur mündlichen Verhandlung vertretenen Kläger haben keine Parteivernehmung beantragt, obwohl die Frage der Kenntniserlangung in der Sitzung erörtert worden war. Von Amts wegen musste sich daraufhin eine Beweisaufnahme der jetzt vermissten Art nicht aufdrängen.
d) Soweit die Beschwerde der tatsächlichen Beweiswürdigung eine davon abweichende eigene entgegenhält, erweist sich das Vorbringen als materiell-rechtlicher Angriff auf das angefochtene Urteil. Mit solchem Vorbringen lässt sich ein zur Revisionszulassung führender Verfahrensmangel nicht dartun.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Postier
Fundstellen