Verfahrensgang
VG Dresden (Aktenzeichen 6 K 3239/98) |
Tenor
Den Beigeladenen zu 1 und 2 wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 26. August 1999 Prozeßkostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt beigeordnet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 26. August 1999 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 27 900 DM festgesetzt.
Gründe
Die Klägerinnen wenden sich gegen die Rückübertragung eines Wochenendgrundstücks nach dem Vermögensgesetz (VermG). Grundstückseigentümer waren die Beigeladenen zu 1 und 2 in ungeteilter Erbengemeinschaft. Sie hatten das Grundstück im Zusammenhang mit ihrer Ausreise aus der DDR durch notariellen Kaufvertrag vom 29. August 1984 an die Klägerinnen verkauft. Die Beklagte übertrug das Grundstück an die Beigeladenen zu 1 und 2 mit der Begründung zurück, daß der Verkauf auf unlauteren Machenschaften beruht habe und die Klägerinnen sich wegen einer außerhalb des Kaufvertrags getroffenen Treuhandabrede nicht auf den Schutz des redlichen Erwerbs berufen könnten. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 und 2.
Der Antrag der Beigeladenen zu 1 und 2 auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren ist begründet. Die Beigeladenen zu 1 und 2 können nach ihren Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 115 Abs. 1 ZPO). Die von ihnen beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet im Sinne des § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 und 2 gegen die Nichtzulassung der Revision ergibt, daß auf ihre Verfahrensrüge das angegriffene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen wird (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 6 VwGO).
1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Abweichungen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Nach Ansicht der Beschwerde weicht das angegriffene Urteil von dem Beschluß des Senats vom 16. Oktober 1995 – BVerwG 7 B 163.95 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 22 ab; das Verwaltungsgericht habe überspannte Anforderungen an das Vorliegen greifbarer Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit gestellt. Die Abweichung liegt schon deswegen nicht vor, weil das Verwaltungsgericht keine Beweislastentscheidung getroffen hat, sondern davon ausgegangen ist, daß die behauptete treuhänderische Verwaltung des Grundstücks nicht vereinbart worden und darum ein unredlicher Erwerb der Klägerinnen nicht anzunehmen sei. Diese tatrichterliche Überzeugung wird durch die in den Entscheidungsgründen wiedergegebene Hilfserwägung, daß „im Übrigen” die Nichterweislichkeit der tatsächlichen Voraussetzungen eines redlichen Erwerbs nur dann zu Lasten des Erwerbers gehe, wenn greifbare Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit vorlägen, nicht in Frage gestellt. Die weitere von der Beschwerde erhobene Abweichungsrüge ist unzulässig; denn die Beschwerde legt nicht dar, daß dem angegriffenen Urteil ein abstrakter Rechtssatz zugrunde liege, der mit einem ebensolchen, in dem Urteil des Senats vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – BVerwGE 97, 286 aufgestellten Rechtssatz unvereinbar sei. Dem Beschwerdevorbringen läßt sich nur die Behauptung entnehmen, das Verwaltungsgericht habe das Vorliegen einer Treuhandabrede zu Unrecht verneint. Ein derartiger Rechtsanwendungsfehler erfüllt nicht den Zulassungsgrund der Divergenz.
2. Das angegriffene Urteil beruht jedoch auf dem von der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat die von den Beigeladenen zu 1 und 2 geltend gemachte treuhänderische „Verwahrung” des Grundstücks mit der Begründung verneint, hierfür gebe „der unmittelbare Briefwechsel nach dem Abschluß des Kaufvertrages im Jahre 1984” nichts her. Insbesondere ließen sich dem Schreiben der Klägerin zu 1 vom 11. Dezember 1984 an die Beigeladene zu 1 „keine hinreichenden Anhaltspunkte” für eine Treuhandabrede entnehmen. Die Beschwerde beanstandet zu Recht, daß diese Würdigung „objektiv willkürlich” sei. Die damit sinngemäß erhobene Rüge eines die Tatsachenebene betreffenden Mangels der Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) greift durch.
In dem genannten Schreiben betont die Klägerin zu 1 die von ihr und der Klägerin zu 2 übernommene Pflicht, „daß wir Lornas Erbteil erhalten müssen”. Der hieraus vom Verwaltungsgericht gezogene Schluß, daß sich diese Äußerung „zum Beispiel ohne weiteres auch auf sonst von der Klägerin zu 1 für die Beigeladenen zu 1 und 2 verwaltetes Vermögen beziehen läßt, was die Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung auch dargelegt hat”, ist schon deswegen unhaltbar, weil die Äußerung in einem Zusammenhang steht, der ausschließlich das als „Dein Berg” bezeichnete Grundstück und damit den Gegenstand des notariellen Kaufvertrags „mit allen dem vorausgegangenen Absprachen” betrifft. Was demgegenüber die Klägerin zu 1 nach Ansicht des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung hierzu „dargelegt” haben soll, läßt sich weder dem Verhandlungsprotokoll noch den Gründen des angegriffenen Urteils entnehmen. Davon abgesehen spricht bei verständiger Würdigung der in Rede stehenden Äußerung viel für die Annahme, daß auch die Klägerin zu 1 davon ausgegangen ist, das Eigentum an dem Grundstück nur unter der Bedingung erworben zu haben, es als künftiges „Erbteil” der Beigeladenen zu 2 zu verwahren. Für eine derartige, dem Kaufvertrag vorangegangene Abrede, nach der die Klägerinnen nur formal Grundstückseigentümer werden sollten, spricht außer der unstreitigen Tatsache, daß entgegen dem beurkundeten Vertrag der vereinbarte Kaufpreis nicht bereits ausgezahlt war, vor allem auch der Inhalt der Stellungnahme der Klägerin zu 1 vom 22. September 1994, wonach sie das Grundstück „für die Tochter verwahren” sollte. Diese Äußerung ist, anders als das Verwaltungsgericht meint, keineswegs „offen”, sondern nach ihrem Wortlaut zwanglos dahin zu verstehen, daß die Beigeladenen zu 1 und 2 nach Ansicht der Klägerin zu 1 wirtschaftlich Eigentümer bleiben sollten.
Das angegriffene Urteil beruht ersichtlich auf der verfahrensfehlerhaften Würdigung der Erklärungen der Klägerin zu 1. Der Senat nimmt diesen Verfahrensfehler zum Anlaß, das Urteil gemäß § 133 Abs. 6 VwGO durch Beschluß aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Angesichts der teilweise widersprüchlichen Erklärungen in dem Briefwechsel der Klägerin zu 1 und der Beigeladenen zu 1 nach deren Ausreise aus der DDR wird das Verwaltungsgericht die nach seiner Auffassung entscheidungserhebliche Frage, ob im Zusammenhang mit dem Grundstücksverkauf eine Treuhandabrede getroffen wurde und die Klägerinnen infolgedessen das Eigentum an dem Grundstück nicht im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG redlich erworben haben, im Wege der Beweisaufnahme, notfalls durch Parteivernehmung, aufzuklären haben. Sollte sich dabei trotz bestehender greifbarer tatsächlicher Anhaltspunkte nicht abschließend klären lassen, ob das Eigentum an dem Grundstück nur treuhänderisch übergehen sollte, wird eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Klägerinnen zu treffen sein (vgl. Beschluß vom 2. November 1998 – BVerwG 8 B 211.98 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 59 m.w.N.).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Herbert
Fundstellen