Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 16.12.2010; Aktenzeichen 4 C 1272/10.N) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) und § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (Divergenz) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zeigt die Beschwerde nicht auf.
Rz. 3
a) Die Beschwerde wirft die Fragen auf,
welches Prüfungs- und Begründungsraster die planende Gemeinde und die Instanzgerichte abzuarbeiten haben, um unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse einen bestimmten Anlagetyp festzusetzen bzw. dessen Festsetzung zu billigen (Beschwerdebegründung S. 6) und
– sinngemäß – unter welchen Voraussetzungen die Größe eines (Lebensmittel-)Einzelhandelsbetriebs einem bestimmten festsetzungsfähigen Anlagetyp gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO entspricht (Beschwerdebegründung S. 4).
Rz. 4
Diese Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt sind.
Rz. 5
Differenzierungen nach § 1 Abs. 9 BauNVO dürfen sich nur auf bestimmte Anlagetypen beziehen. Zulässige Differenzierungskriterien können sowohl Gattungsbezeichnungen und ähnliche typisierende Beschreibungen, aber auch auf die Größe einer Anlage bezogene Kriterien wie z.B. die Verkaufs- oder Geschossfläche sein. Die gewählten Kriterien müssen eine ausreichende Abgrenzung von anderen Anlagetypen gewährleisten und sich auf einen Anlagentyp beziehen, der in der sozialen und ökonomischen Realität bereits vorhanden ist. Eine Befugnis, neue Anlagearten zu erfinden, steht der Gemeinde dagegen nicht zu. Dass eine Festsetzung einen bestimmten Anlagentyp betrifft, muss aus dem Bebauungsplan bzw. dessen Begründung oder aus den zu seiner Begründung beigefügten Unterlagen hervorgehen. Dabei kann die einen Bebauungsplan erlassende Gemeinde auch auf besondere in ihrem Bereich vorherrschende Verhältnisse abstellen. Eine Planung konkreter Projekte ist ihr aber auch durch § 1 Abs. 9 BauNVO nicht gestattet (Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 77.84 – BVerwGE 77, 317 ≪321 f.≫; Beschlüsse vom 27. Juli 1998 – BVerwG 4 BN 31.98 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 25 S. 21 sowie vom 8. November 2004 – BVerwG 4 BN 39.04 – Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 20 S. 12 f.).
Rz. 6
Wählt eine Gemeinde – wie im vorliegenden Fall – die Verkaufs- oder Geschossfläche als Differenzierungskriterium, so sind Betriebe, die diese Fläche über- bzw. unterschreiten, nicht schon deshalb eine eigenständige Anlageart. Vielmehr muss die Gemeinde darlegen, dass Betriebe unter bzw. über den von ihr festgesetzten Größen generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse einem bestimmten Anlagentyp entsprechen (Urteil vom 22. Mai 1987 a.a.O. sowie Beschlüsse vom 8. November 2004 a.a.O. und 18. Februar 2009 – BVerwG 4 B 54.08 – BauR 2009, 1102 ≪1103≫). Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Einzelhandelsbetrieb mit einer Fläche von höchstens 400 m2 als sog. Nachbarschaftsladen ein festsetzungsfähiger Anlagentyp i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO sein (Beschlüsse vom 8. November 2004 und 18. Februar 2009 jeweils a.a.O.).
Rz. 7
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Gesichtspunkte, die dafür sprechen, sie zu revidieren oder weiter zu konkretisieren, zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf. Dass der Plangeber – sofern er sich auf die örtlichen Verhältnisse stützt – diese vorher zu untersuchen und festzustellen hat (vgl. Beschwerdebegründung S. 6), versteht sich von selbst und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren. Auch die Ausführungen der Beschwerde zu den inhaltlichen Anforderungen an Sachverständigengutachten (vgl. Beschwerdebegründung S. 6) zielen nicht auf eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf eine einzelfallbezogene Kritik der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof, auf die eine Grundsatzrüge nicht gestützt werden kann.
Rz. 8
b) Die weitere als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
ob es mit § 1 Abs. 9 BauNVO und der dazu bislang vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere seinen Beschlüssen vom 17. Juli 2001 sowie vom 8. November 2004, vereinbar ist, die Festsetzung einer Höchstverkaufsfläche von 400 m2 auf die Erwägung zu stützen, bereits jede darüber hinausgehende, die Großflächigkeit i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO allerdings nicht erreichende Verkaufsfläche könne zentrale Versorgungsbereiche gefährden (Beschwerdebegründung S. 5),
rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deswegen nicht, weil sie sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen würde. Mit ihrer Frage geht die Antragstellerin davon aus, der Verwaltungsgerichtshof habe die in Ziffer 2.2.2 Abs. 3 der textlichen Festsetzungen zum angefochtenen Bebauungsplan enthaltene Verkaufsflächenbegrenzung ausschließlich damit gerechtfertigt, dass deren Überschreitung zentrale Versorgungsbereiche gefährden könne. Dies ist indes nicht der Fall; denn der Verwaltungsgerichtshof hat sich zusätzlich auf den Schutz der vorhandenen Nahversorgungsstrukturen bezogen (UA S. 16 ff.).
Rz. 9
Im Übrigen verlangt § 1 Abs. 9 BauNVO das Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe, nämlich solcher, die gerade die gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Anlagen rechtfertigen (Urteile vom 22. Mai 1987 a.a.O. S. 320 f. sowie vom 26. März 2009 – BVerwG 4 C 21.07 – BVerwGE 133, 310 Rn. 13). Dem Verwaltungsgerichtshof ist darin zuzustimmen, dass sowohl der Schutz zentraler Versorgungsbereiche als auch der Schutz einer wohnstandortnahen Grundversorgung einen besonderen städtebaulichen Grund i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO darstellen können. Um dies festzustellen, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Ob diese Gründe eine auf § 1 Abs. 9 BauNVO gestützte Festsetzung rechtfertigen, kann als Frage des Einzelfalles die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung jedenfalls nicht begründen.
Rz. 10
2. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist schon nicht ausreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dazu wäre erforderlich gewesen, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14; stRspr). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdeschrift mit ihrem bloßen Hinweis auf Entscheidungen, von denen die Vorinstanz angeblich abweicht (Beschwerdebegründung S. 7), nicht.
Rz. 11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Philipp, Dr. Bumke
Fundstellen
Haufe-Index 2731780 |
BauR 2012, 205 |
ZfBR 2011, 683 |
BBB 2011, 61 |