Verfahrensgang
VG Greifswald (Urteil vom 09.09.2005; Aktenzeichen 5 A 326/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 9. September 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 1 VwGO liegen nicht vor.
Der Kläger begehrt Rehabilitierung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) wegen der gegen ihn bzw. seine Mutter im Jahr 1945 gerichteten Maßnahmen der sog. Bodenreform, die zum Verlust verschiedener Landgüter und infolge der Enteignung zu einer gesundheitlichen Schädigung führten. Anders als in früheren Verfahren begehrt der Kläger im vorliegenden Verfahren jedoch nicht mehr die Rehabilitierung wegen der Vermögensentziehungen sondern allein wegen der Ausweisung seiner Mutter aus dem Wohnsitz und dem Verbot der Rückkehr (sog. Kreisverbot); diese Maßnahmen der politischen Verfolgung seien nach § 1 VwRehaG aufzuheben. Eine Rehabilitierung gemäß § 1a VwRehaG macht der Kläger ausdrücklich nicht geltend.
1. Die Voraussetzungen einer Divergenzrevision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind nicht gegeben. Eine die Revision eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in der angefochtenen Entscheidung eine Rechtsauffassung vertritt, die einem bestimmten, vom Bundesverwaltungsgericht, dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Eine derartige Abweichung wird in der Beschwerdeschrift nicht aufgezeigt. Zwar behauptet die Beschwerde im Rahmen der 69 Seiten ihrer Begründung einschließlich der 48 Seiten der Erwiderung auf die Ausführungen des Beschwerdegegners eine Abweichung des angefochtenen Urteils von diversen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts. So wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht verkenne, dass es für § 1 VwRehaG nur auf den adäquat kausalen tatsächlichen Zusammenhang ankomme und der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts daher zutreffend von “Ursache” und “überwirkendem Unrechtszusammenhang” spreche (Urteil vom 26. September 1996 – BVerwG 7 C 61.94 – BVerwGE 102, 89 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 89 = VIZ 1996, 706; r.Sp.). Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts habe in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass für das Vorliegen einer Enteignung in einem totalitären Staat nicht mehr erforderlich gewesen sei als die Vertreibung aus der Heimat. Als Beleg dafür, dass das Verwaltungsgericht den Unterschied zwischen § 1 und § 1a VwRehaG verkenne, verweist die Beschwerde zudem auf die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts zu den Zwangsaussiedlungen aus dem Zonenrandgebiet (Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 30.97 – BVerwGE 106, 210 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 142 = ZOV 1998, 218). Auch eine Abweichung von der Entscheidung des 3. Senats vom 11. April 2002 (BVerwG 3 B 16.01 – VIZ 2002, 461) liege vor. Dazu zitiert er folgende Passage aus diesem Beschluss:
“Dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Enteignungsaktionen Verfolgungsunrecht darstellten und daher ohne eine spezielle Ausschlussklausel nach dem neuen Gesetz zu rehabilitieren wären (vgl. Wasmuth, VIZ 2002, 134 ≪140 f.≫).”
Aus dieser der bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 21. Februar 2002 – BVerwG 3 C 16.01 – BVerwGE 116, 42 = VIZ 2002, 272) entsprechenden Entscheidung folge, dass das Kreisverbot als Teil der “Enteignungsaktionen” und des “Verfolgungsunrechts” nach Ansicht des 3. Senats unter § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG fielen. Die Entscheidung des 3. Senats habe auch der Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts entsprochen, da dieser Klagen der Verfolgten der Bodenreform nach dem Vermögensgesetz zutreffend abgewiesen und darauf hingewiesen habe, dass das VwRehaG einschlägig sein könne (Urteil vom 25. Februar 1999 – BVerwG 7 C 9.98 – BVerwGE 108, 315 = Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 1 = VIZ 1999, 659).
Das Urteil des Verwaltungsgerichts weiche zudem von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2004 (2 BvR 955/00 und 2 BvR 1038/01) ab. Dazu wird in der Beschwerdebegründung folgende Passage aus dieser Entscheidung zitiert:
“Die enteigneten Grundbesitzer wurden in der Regel aus dem Kreis, in dem sie ihren Grundbesitz hatten, ausgewiesen. Sie mussten ihren Hof nicht selten binnen weniger Stunden verlassen und durften nur die notwendige Habe mitnehmen.”
Damit bestätige das Bundesverfassungsgericht, dass “in der Regel” ein überwölbender Unrechtszusammenhang zwischen der Vertreibung von Haus und Hof und der Konfiskation derselben bestanden habe. Das verkenne das Verwaltungsgericht.
Ferner missachte das Verwaltungsgericht die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in dessen Entscheidungen vom 23. April 1991 – 1 BvR 1179, 1174, 1175/90 – (BVerfGE 84,90) und vom 4. Juli 2003 – 1 BvR 834/02 – (ZOV 2003, 304), in denen es Konfiskationen als “rehabilitierungsbedürftig” und damit aufhebungspflichtig bezeichnet habe.
Die behauptete Divergenz zu den angeführten höchstrichterlichen Entscheidungen ist nicht gegeben. Vielmehr hat sich die angefochtene Entscheidung erkennbar daran orientiert. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 4. Juli 2003 (1 BvR 834/02) die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 21. Februar 2002 (BVerwG 3 C 16.01, a.a.O.) nicht zur Entscheidung angenommen, in welchem erkannt wurde, dass Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage wegen des Rehabilitierungsausschlusses in § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG unter keinen Umständen rückgängig zu machen sind und zwar auch dann nicht, wenn der Eingriff vorrangig gegen die Person und nicht das Vermögen des Geschädigten gerichtet war (Urteil vom 21. Februar 2002 – a.a.O. S. 45, 46).
Davon abgesehen ist schon nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an eine ordnungsgemäße Darlegung des Zulassungsgrundes genügt. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18). Hinsichtlich welchen Rechtssatzes die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Bundesverfassungsgerichts einander widersprechen sollten, wird nicht aufgezeigt.
2. Die behauptete Grundsatzbedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führt ebenfalls nicht zu der begehrten Revision. Zwar wird in der Beschwerdebegründung im Einzelnen dargelegt, dass die Rechtsprechung des beschließenden Senats bisher zum Gegenteil dessen gelangt sei, was der Gesetzgeber des Einigungsvertrages gewollt habe, und daher zu überprüfen und zu korrigieren sei. Den umfangreichen Ausführungen ist sinngemäß zu entnehmen, dass es die Beschwerde im Wesentlichen für grundsätzlich klärungsbedürftig hält,
• ob § 1 und § 1a VwRehaG nach Verwaltungs- bzw. Realakten unterscheiden,
• ob bei § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG der einheitliche Lebenssachverhalt “Bodenreform” in einzelne Verwaltungs- bzw Realakte getrennt werden darf, die Norm also personen- oder aktbezogen ist,
• ob § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG die Anwendbarkeit des Gesetzes für Opfer von besatzungshoheitlichen Konfiskationen sperrt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache jedoch nur, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Einer Rechtsfrage kommt nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil zu ihr noch keine ausdrückliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt; auch in einem solchen Fall fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, wenn sich die Rechtsfrage durch Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften anhand der anerkannten Auslegungskriterien ohne weiteres beantworten lässt oder durch die bisherige Rechtsprechung als geklärt angesehen werden kann (Beschluss vom 31. Juli 1987 – BVerwG 5 B 49.87 – Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 14). Letzteres trifft auch dann zu, wenn die vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage gibt (Beschluss vom 28. September 1995 – BVerwG 10 B 6.94 – juris). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
In der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats ist geklärt, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG keine Anwendung findet in Fällen, in denen die Rehabilitierung wegen des Verlustes von Eigentum im Zuge der sog. Bodenreform begehrt wird (vgl. etwa Urteile vom 23. August 2001 – BVerwG 3 C 39.00 – Buchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 3 = VIZ 2002, 25 und vom 21. Februar 2002 – BVerwG 3 C 16.01 – a.a.O.; Beschlüsse vom 11. April 2002 – BVerwG 3 B 16.01 – a.a.O., vom 14. April 2003 – BVerwG 3 B 167.02 – juris und vom 17. Dezember 2003 – BVerwG 3 B 92.03 –). Diese Enteignungen sind jedoch im Hinblick auf das mit den Wertvorstellungen des Grundgesetzes unvereinbare Zustandekommen und die Begleiterscheinungen sowie Tragweite der eingetretenen Vermögensverluste im Rahmen des Ausgleichsleistungsgesetzes wieder gutzumachen (vgl. BVerfG, Urteile vom 23. April 1991 – 1 BvR 1170/90 u.a. – BVerfGE 84, 90 ≪126, 129≫; vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/94 u.a. – BVerfGE 103, 195 zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, Urteil vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/94 u.a. – BVerfGE 102, 254 ≪297 ff.≫). Durch die Gewährung von Ausgleichsleistungen kommt mittelbar zugleich zum Ausdruck, dass die Bundesrepublik Deutschland die besatzungsrechtlichen und besatzungshoheitlichen Enteignungen als großes Unrecht und daher als missbilligenswert ansieht; das stellt zugleich eine sog. moralische Rehabilitierung dar. Damit sind die von der Beschwerde im Wesentlichen aufgeworfenen allgemeinen Fragen, die in einzeln formulierten Fragen in unterschiedlicher Ausprägung immer wieder aufgegriffen werden, höchstrichterlich geklärt, zumal die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wie oben dargelegt, durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt worden ist (Beschluss vom 4. Juli 2003 – BVerfG 1 BvR 834/02 –). Die Behauptung, die Rechtsprechung sei falsch, führt nicht zu der Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung, weil keine erheblichen Gründe vorgetragen werden, welche die bisherige Rechtsprechung noch nicht berücksichtigt hat.
Auch das Vorbringen, dass es sich bei den Vermögenszugriffen nicht um entschädigungslose Enteignungen, sondern um Vermögenseinziehungen als notwendige Folge des sog. Kreisverbots gehandelt habe, rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht. Auch in diesen Fällen steht § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG einer Rehabilitierung hinsichtlich der besatzungshoheitlichen Maßnahme der Vermögensentziehung als solcher uneingeschränkt entgegen (vgl. Beschluss vom 11. August 2004 – BVerwG 3 B 12.04 –). Soweit eine sog. moralische Rehabilitierung wegen des sog. Kreisverbots begehrt wird, ist diese gemäß § 1a VwRehaG möglich, sofern darauf nicht, wie hier, ausdrücklich verzichtet wird. Warum diese Vorschrift, wie der Kläger meint, nur für besitzlose Vertriebene gelten sollte, ist nicht nachvollziehbar. Der beschließende Senat hat ausdrücklich klargestellt, dass es sich bei einer Kreisverweisung um eine eigenständige behördliche Maßnahme handele, die selbst allerdings zu keinem Eingriff in eines der von § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG geschützten Rechtsgüter geführt habe (Beschluss vom 14. April 2003 – BVerwG 3 B 175.02 – VIZ 2003, 375). Dies bedeutet aber auch, dass eine Kreisverweisung als selbständige Maßnahme einer Rehabilitierung gemäß § 1a VwRehaG zugänglich ist.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette
Fundstellen