Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 10.01.2001; Aktenzeichen 1 K 1953/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen zu 1 und 4 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 70 885,50 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerinnen beanspruchen nach dem Vermögensgesetz (VermG) die Rückübertragung eines im Jahr 1971 auf der Grundlage des Aufbaugesetzes in Anspruch genommenen Grundstücks und, soweit ein Teilstück des Grundstücks investiv veräußert wurde, die Auskehr des Erlöses bzw. des Verkehrswertes nach § 16 Abs. 1 InVorG an die Erbengemeinschaft. Ihren Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juli 1996 ab; der von der Klägerin zu 1 hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil eine Rechtsnachfolge nach den früheren Eigentümern des Grundstücks nicht ersichtlich sei und eine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG nicht vorliege. Der Klage der Klägerin zu 4 stehe darüber hinaus bereits die Bestandskraft des ablehnenden Bescheids der Beklagten vom 15. Juli 1996 entgegen; sie habe gegen den Bescheid keinen Widerspruch eingelegt. Die Revision hat das Verwaltungsgericht nicht zugelassen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1. Soweit es die Klägerin zu 4 betrifft, hat das Verwaltungsgericht die Abweisung ihrer Klage in erster Linie darauf gestützt, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 1996 mangels Einlegung eines Widerspruchs bestandskräftig geworden sei. Diese selbständig die Klageabweisung tragende Begründung hat die Klägerin zu 4 nicht mit einer (Verfahrens-) Rüge angegriffen. Bereits aus diesem Grund bleibt ihre Beschwerde ohne Erfolg. Auf die Rügen der Klägerin zu 4 zu den weiteren Begründungen für die Klageabweisung (fehlende Rechtsnachfolge, keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG) kommt es nicht mehr an; denn diese Begründungen könnten hinweggedacht werden, ohne dass sich am Ausgang des Verfahrens etwas ändern würde.
2. Auch die Beschwerde der Klägerin zu 1 führt nicht zur Zulassung der Revision. Keiner der Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO ist gegeben.
a) Der Rechtssache kommt nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
aa) Die Klägerin zu 1 (zukünftig: die Klägerin) möchte geklärt wissen, ob das Verbot der Veräußerung und Belastung ausländischen Vermögens nach der Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in der DDR vom 6. September 1951 (GBl. DDR S. 839) die Inanspruchnahme ausländischen Grundvermögens nach den Bestimmungen des Aufbaugesetzes vom 6. September 1950 (GBl. DDR I S. 965) entgegensteht. Die Frage zielt darauf, ob eine Inanspruchnahme ausländischen Eigentums nach dem Aufbaugesetz eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellt. Diese Frage ist zu verneinen, ohne dass es zu ihrer Klärung der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Der Senat hat hierzu bereits in dem Beschluss vom 4. Mai 2001 – BVerwG 7 B 27.01 – ausgeführt:
„Die Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in der DDR vom 6. September 1951 kann weder nach ihrem Regelungsgehalt noch nach ihrem Sinn und Zweck dahin verstanden werden, dass sie im Eigentum von Ausländern stehende Grundstücke generell dem Anwendungsbereich des Aufbaugesetzes entziehen wollte. Aus dem Umstand, dass die genannte Verordnung das ehemals unter den Schutz der sowjetischen Besatzungsmacht gestellte ausländische Vermögen betraf, das während der Besatzungszeit nicht enteignet werden durfte, folgt nichts anderes. Das von den DDR-Organen erlassene Aufbaugesetz machte entsprechend seinem Regelungszweck, den Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte zu ermöglichen, keine Ausnahme für ausländereigene Grundstücke.”
Hieran hält der Senat fest. Die Klägerin zeigt keine rechtlich erheblichen Gesichtspunkte auf, die Anlass für eine Änderung dieser Rechtsprechung geben könnten.
bb) Die Klägerin sieht ferner die Frage als klärungsbedürftig an, ob eine entschädigungslose Enteignung auch dann gegeben ist, wenn die Forderungen, mit denen eine Entschädigung verrechnet worden sei, nicht gerechtfertigt gewesen seien. Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Nach der Rechtsprechung des Senats werden Enteignungen nach dem Aufbaugesetz der DDR regelmäßig nicht vom Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG erfasst. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall die Entschädigung dem Enteigneten tatsächlich nicht zugeflossen ist (Urteil vom 28. Juli 1994 – BVerwG 7 C 41.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 28 S. 58). Denn der Gesetzgeber hat nicht die bloße tatsächliche Entschädigungslosigkeit eines konkreten Enteignungsakts zum Anknüpfungspunkt für einen Rückübertragungsanspruch machen wollen. Vielmehr will § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG grundsätzlich nur solche Enteignungen erfassen, deren besonderer Unrechtsgehalt darin liegt, dass bereits nach einschlägigen Vorschriften der DDR oder durch interne Anweisungen für bestimmte Enteignungsmaßnahmen eine Entschädigung generell ausgeschlossen war (Urteil vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 16.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 19 S. 15 ff.; ebenso zu § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG: Urteil vom 18. Januar 1996 – BVerwG 7 C 51.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 61 S. 178).
Aus dieser Rechtsprechung folgt ohne weiteres, dass die Verrechnung der Entschädigung mit Forderungen, die nach Meinung der Klägerin nicht gerechtfertigt waren, nicht die Annahme begründet, dass die Enteignung des Grundstücks im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG entschädigungslos gewesen sei. Der Umstand, dass den Erben in dem vorliegenden Fall die Entschädigung nicht – auch nicht in der Form der Befreiung von einer Verbindlichkeit – zugeflossen ist, wie die Klägerin geltend macht, erfüllt nach der dargestellten Rechtsprechung des Senats den Schädigungstatbestand nicht. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass insoweit (unveröffentlichte) diskriminierende generelle Vorschriften oder Anweisungen von Bedeutung gewesen sein könnten.
cc) Die weitere von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob „der Restitutionsanspruch von enteignetem ausländischen Grundvermögen gemäß § 1 VermG dem Schadensersatzanspruch gegen den staatlichen Verwalter (hier: Abwesenheitspfleger) gemäß § 13 VermG (vorgehe)”, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Die genannte Vorschrift setzt, worauf der Senat bereits in dem Beschluss vom 4. Mai 2001 – BVerwG 7 B 27.01 – hingewiesen hat, eine Berechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG voraus, die das Verwaltungsgericht verneint hat.
b) Die Rüge der Klägerin, das Urteil des Verwaltungsgerichts weiche von den Urteilen des Senats vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 16.93 und 7 C 11.93 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 19 und 20) ab, genügt bereits nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Bezeichnung einer Divergenz. Es fehlt die Angabe, welchen Rechtssatz das Verwaltungsgericht aufgestellt hat, der im Widerspruch zu einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz steht. Die Klägerin beschränkt sich auf die Darlegung, dass den Erben kein Vorteil aus der Verrechnung der Entschädigung zugeflossen sei und dass das Verwaltungsgericht hierin im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Grund für die Annahme einer entschädigungslosen Enteignung gesehen habe. Das Aufzeigen einer angeblich fehlerhaften Anwendung eines Rechtssatzes genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge.
c) Auch die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Keiner der gerügten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt vor.
aa) Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe dadurch, dass es unterstellt habe, das vorliegende Verfahren sei mit dem Verfahren BVerwG 7 B 27.01 vergleichbar, und sich lediglich auf Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 4. Mai 2001 in dieser Sache bezogen habe, die Aufklärungs- und Hinweispflichten gemäß § 86 Abs. 1 und 3 VwGO verletzt. Nach Auffassung der Klägerin hätte das Verwaltungsgericht die Akten dieses Verfahrens beiziehen müssen, was offensichtlich unterblieben sei. Diese Rüge ist verfehlt. Das Verwaltungsgericht hat den erwähnten Beschluss des Senats in den Entscheidungsgründen des Urteils nur als Beleg dafür zitiert, dass „das von den DDR-Organen erlassene Aufbaugesetz … entsprechend seinem Regelungszweck, den Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte zu ermöglichen, keine Ausnahme für ausländereigene Grundstücke” gemacht habe. Hierbei handelt es sich um eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Feststellung zum Verhältnis des Aufbaugesetzes und der Verordnung vom 6. September 1951, für die es auf eine Parallelität der Sachverhalte beider Verfahren nicht ankam.
bb) Ebenso wenig stellt es einen Verfahrensfehler dar, dass das Verwaltungsgericht den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage abgelehnt hat, ob die Verordnung vom 6. September 1951 über den Schutz ausländischen Vermögens eine Ausnahme zum Aufbaugesetz darstelle und entsprechend in der DDR angewendet worden sei. Wie er sich die erforderliche Kenntnis über fremdes Recht verschafft, liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters. Der Tatrichter übt sein Ermessen insbesondere dann verfahrensfehlerhaft aus, wenn er von weiteren Ermittlungen absieht, obwohl sich ihm deren Notwendigkeit aufdrängen musste, etwa weil die ihm bisher zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen unklar, widersprüchlich oder unvollständig sind oder Zweifel an der Sachkunde ihrer Urheber erkennen lassen (BVerwG, NJW 1989, 3107). Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag abgelehnt, weil die einschlägigen Normen des Rechts der DDR bereits Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen waren und deshalb keine Notwendigkeit zur Einholung eines Gutachtens bestehe. Die Klägerinnen zeigen keine Anhaltspunkte dafür auf, dass die bisherigen Feststellungen zum Inhalt der maßgeblichen Vorschriften der DDR mangelhaft waren.
cc) Nach Auffassung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, soweit es die von ihr geltend gemachte Rechtsnachfolge nach den früheren Eigentümern des Grundstücks betrifft. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, das österreichische Recht zum Schenkungsvertrag zu ermitteln, aus dem sich die Rechtsnachfolge ergebe. Die Rüge greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage der Klägerin zu 1 auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt, nämlich den fehlenden Nachweis der Rechtsnachfolge und das Nichtvorliegen eines Schädigungstatbestandes nach § 1 VermG. Ist die Entscheidung des Vordergerichts – wie hier – auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt (Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Für die Begründung, dass ein Schädigungstatbestand im Sinne des § 1 VermG nicht vorliege, ist, wie dargelegt, kein Zulassungsgrund gegeben. Insoweit kann die Rüge, die die weitere selbständig tragende Begründung betrifft, es sei keine Rechtsnachfolge nach den Voreigentümern nachgewiesen, nicht zur Zulassung der Revision führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Gödel, Neumann
Fundstellen