Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 15.01.2003; Aktenzeichen 7 KS 73/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 10 225 837,62 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nrn. 1, 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 22. August 2003 ohne Erfolg.
Die von der Beschwerde zunächst aufgeworfene Frage,
“Können Vorhabenträger auf materiellrechtliche Rechtspositionen auf Dauer wirksam verzichten, ohne dass sich die Verzichtserklärungen auf konkretisierte Vorhaben beziehen müssen.”
kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen würde. Bereits das Berufungsgericht hat nicht über die von der Beschwerde formulierte Rechtsfrage entschieden. Weder hat es der Verzichtserklärung die Bedeutung beigemessen, dass sie der Klägerin auf Dauer Ansprüche gegenüber dem Beigeladenen abschneidet, noch hat es den Verzicht ohne Bezug auf konkretisierte Vorhaben als “Passepartout-Verzichtserklärung” für wirksam angesehen. Das Berufungsgericht hat die Erklärung der Rechtsvorgängerin der Klägerin aus dem Jahre 1973 vielmehr unter Einbeziehung zahlreicher Umstände des Einzelfalls nur für den konkreten Streitfall als wirksam angesehen. Dabei hat es zum Gegenstand der Verzichtserklärung – die bereits nach ihrem Wortlaut auf “bestehende(n) und künftige(n) Hafenanlagen des Landes Niedersachsen” beschränkt ist – festgestellt, dass diese für die Rechtsvorgängerin der Klägerin “ohne weiteres erkennbar” vor dem Hintergrund des allen Beteiligten ersichtlichen Zieles des Landes, sich seine wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich der Seewasserstraße Jade nicht durch den Bau der Ölumschlaganlage beschneiden zu lassen und zudem in Kenntnis des Konzepts Tiefwasserregion Jade abgegeben wurde mit der Folge, dass “selbst ohne Detailkenntnisse der Pläne zur Industrieansiedlung zu erwarten (war), dass auf der noch freien nördlichen Fläche des Voslapper Grodens weitere Hafenanlagen errichtet würden” (UA S. 14). Auch zur künftigen Dauer des Verzichts enthält das Urteil des Berufungsgerichts keine über den konkreten Streitgegenstand hinausgehende Aussage, wie insbesondere dessen Auseinandersetzung mit der Frage einer Verwirkung der Verzichtserklärung zeigt (UA S. 18 f.).
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage hat sich dem Berufungsgericht danach nicht gestellt und wird sich demzufolge auch dem Revisionsgericht in dieser Allgemeinheit nicht stellen. Das Revisionsgericht wäre auf die Prüfung beschränkt, ob die an den Umständen des Einzelfalls orientierte Auslegung der Verzichtserklärung mit Bundesrecht vereinbar ist. Auf eine Frage rechtsgrundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung, wie § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO es voraussetzt, führt dies nicht.
Die zweite von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
“Sind uneingeschränkte Verzichtserklärungen ‘ins Blaue hinein’ schon dann wirksam, wenn sie vor Rechtserwerb abgegeben wurden, sodass von vornherein nur eine geschmälerte Rechtsposition erworben wird?”
kann sich in dem Revisionsverfahren schon deshalb nicht stellen, weil sie von tatsächlichen Annahmen ausgeht, die das Berufungsgericht so nicht festgestellt hat. Die zu einer abweichenden Annahme führenden Feststellungen des Berufungsgerichts hingegen sind – weil von der Beschwerde nicht mit durchgreifenden Revisionsgründen in Frage gestellt (dazu im Folgenden) – für das Revisionsgericht bindend. Danach war die Verzichtserklärung, wie die Ausführungen zur ersten Grundsatzfrage zeigen, nicht uneingeschränkt “ins Blaue hinein” gegeben, sondern auf einen absehbaren Kreis vorhandener und künftiger Hafenanlagen des Landes Niedersachsen bezogen.
Auch die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Mit der Aufklärungs- und Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Behauptung der Beklagten über die von der Klägerin in ihren Anlegern 2 und 3 während des Jahres 1994 gebaggerten Sandmengen und die ihr dadurch entstandenen Kosten als unstreitig seiner Entscheidung zugrunde gelegt, obwohl sie von ihr substantiiert bestritten worden seien. Zu dieser Tatsache trägt die Beschwerde indes selbst vor, dass sie vom Berufungsgericht anlässlich eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung als nicht entscheidungserheblich bezeichnet worden seien; auch einen in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellten, hierauf zielenden Beweisantrag habe das Berufungsgericht wegen Entscheidungsun-erheblichkeit abgelehnt. Sowohl die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), als auch der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) beziehen sich indes nur auf entscheidungserhebliche Umstände. Maßgeblich für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit ist hierbei die materiellrechtliche Rechtsauffassung des Berufungsgerichts. Es ist nichts dafür erkennbar, dass die Frage der im Jahr 1994 von der Klägerin bei den Anlegern 2 und 3 gebaggerten Sandmengen und die dadurch entstandenen Kosten entgegen der eigenen Einschätzung des Berufungsgerichts für dessen Urteil doch objektiv entscheidungserheblich gewesen sein könnten. Die Entscheidungsgründe belegen vielmehr, dass es sich, wie schon die Einleitung “im Übrigen” zeigt (UA S. 16), insoweit um eine ergänzende, die Entscheidung nicht tragende Argumentation des Berufungsgerichts handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 13 Abs. 1, § 14 GKG und entspricht 20 000 000 DM.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Vallendar
Fundstellen